laut.de-Kritik
Psychedelic-Pop in Super-Slomo: Das Album für 2021.
Review von Michael SchuhKunzite aus Kalifornien - das klingt schon auf dem Papier vielversprechend. Manchmal braucht es ja sehr wenige Komponenten, die in einem so ein wissendes Gefühl erzeugen, dass man hier etwas verdammt Großem auf der Spur ist. Kunzite aus Bochum, das hätte jetzt nicht so gut geklungen, nur als Beispiel. Es ist die Kombination, man kann es schwer erklären, wie es eben so ist mit Gefühlen, man spürt einfach, dass da etwas Sinn ergeben könnte. Der Klassiker ist das auffallende Cover-Artwork einer völlig unbekannten Band, das einem beim Stöbern im Plattenladen in die Hände fällt: Das sieht so gut aus, das kann nicht scheiße sein - kaufe ich.
Kunzite also, ein Duo aus Kalifornien. Es fing wie gesagt schon gut an mit uns, von der ersten zaghaften Digitalberührung, wurde dann aber immer besser, mit jeder einzelnen Information rund um deren Musik, bis hin zu letzterer natürlich, die nun in Form einer in völliger Begeisterung verfassten 5/5-Review gipfelt. Pardon, wenn ich mich wiederhole, aber Kunzite aus Kalifornien veröffentlichen ein Album, das "Visuals" heißt und fahren dann so ein monströses Psychedelic-Cover auf. Wer jetzt noch skeptisch ist, hat die 70s nie gefühlt.
Das Cover selbst kann man beim Stöbern im Plattenladen aber gar nicht entdecken, es erscheint erst im November 2021, für diese 14 schillernden Groove-Exponate muss man schon in die Untiefen von Spotify hinabsteigen, um sogleich geschluckt zu werden. Die Musik von Kunzite klingt so wie sich die Skateboarder und Surfer im Video zu "Frosty" bewegen: Schwerelos, geschmeidig, absolut stilsicher - Pop-Hooks in Super-Slomo.
Maßgeblichen Anteil daran dürfte eine Hälfte des Duos haben: Mike Stroud, als Gitarrist von Ratatat ein Meister hirnverschraubender Hypnotik, trifft auf Agustin White, der sich - wie man hört - für Yoga und Meditation interessiert. Genug Gründe, um gemeinsam auf Hawaii Songs zu schreiben, die nun eben genau so klingen. Nach Sommer, einem richtigen Sommer natürlich, der Sehnsucht nach Fernreisen und unbeschwertem beach life.
"Lemon Swayze" startet mit offenem Hi-Hat-Beat und Chorgesang furios, später fluten Kunzite den Song mit Synth-Spuren und Stroud setzt zu einem seiner eckig-geilen Gitarrensoli an. Ein Kickstart. Sechs Jahre nach dem letzten Ratatat-Lebenszeichen verwundert einen, dass man tatsächlich nie daran gedacht hat, wie diese Band mit einem Sänger wohl klingen würde.
Tame Impala-Fans dürften sich hier auch spontan schockverlieben, zumal wenn man sich die dreckigeren Tage des Kevin Parker zurück wünscht. Kunzite hauen Samples raus, integrieren Synths, Orgel, Slidegitarren und Obskuritäten wie eine Charango, und lassen untenrum den Bass-Druck von Hip-Hop-Produktionen wummern.
"Jupiter" ist der Super-Hit der Platte, auch wenn "Lemon Swayze" und "Frosty" natürlich völlig zurecht vorab mit Single-Videos geehrt wurden. Dieser Agustin Dude muss in seinem anderen Leben schon in Richtung Zen-Meditation unterwegs sein, um auf dem Dancefloor so zu explodieren. Songs wie "Halohead" oder natürlich das mit Travis Scott-Vibes ausgestattete "Azurite" bringt er mit seinem Gesang erst richtig nach vorne. "Saturn" ist dann wieder eine Groove-Lehrstunde mit Meister Stroud, die einem sofort jegliche Corona-Müdigkeit aus den Mundwinkeln bläst.
Kunzite verbinden den Groove der Avalanches mit der Open-Mindedness von Awolnation und der elektronischen Weirdness von Ratatat und kommen diesem vermaledeiten 2021 damit so nahe wie wenig andere Platten. Apropos Weirdness: Tatsächlich sagte Kunzite erst vor kurzem Ober-Freak Lee Scratch Perry eine Track-Koop zu, die sogar rechtzeitig fertig wurde, die das Duo aber ausschließlich auf die LP-Version packt. Ihr wisst also, wo ihr im November hingehen müsst. Ins Land der Träume, wo die schönen großen LP-Cover im Schaufenster hängen.
5 Kommentare mit 2 Antworten
wenn herr schuh das sagt, muss das wohl gekauft werden...
*gestreamt
ja bruder und ich sage kauve massiv
Dope
Ich lese hier immer und kommentiere nie. Nun ist es soweit: von der ersten Sekunde verschlingend! Absolut das beste Duo seit Daft Punk. Einfach Bombe! Danke für die Review.
Killer Album !!
Das Problem: Alles was ich an denen gut finde, kenne ich schon von Ratatat. Und das mochte ich sehr!
Bei Kunzite kommen halt noch Vocals und stilistische Abwechslung in Richtung Funk, 70er-Disco-Pop etc. obendrauf, als habe der recht minimalistische Ansatz nicht genügt - und trägt leider einfach zu viel auf!
Deshalb habe ich nach SATURN, FROSTY und WAIMALIEN schon genug und würde mich auf einen neuen Ratatat-Release freuen...