laut.de-Kritik
Spätes Outing als hoffnungsloser Romantiker.
Review von Dominik LippeKurdo steht nicht im Verdacht, ein überzeugter Feminist zu sein. Erinnert sei an das fragwürdige Werk "Blanco" mit Majoe. "Regel Nummer eins: Alle Fotzen sind gleich", führte er damals mit stumpfer Feder aus und propagierte Bestrafungen für Frauenzimmer, "Mach den Mund auf, ich spuck' rein." Auf die folgende Kontroverse reagierte er dünnhäutig. "11ta Stock Sound 2" richtete sich auch ganz direkt gegen die "Fake-Schlampe", die ihn von dieser Seite aus kritisiert hatte. "Sag mir, wer hat sich verändert?", fragte er damals noch rhetorisch. Auf "Kristall" präsentiert sich der Rapper nun aber runderneuert.
Zunächst steigt er jedoch denkbar unoriginell in sein neuntes Album ein. "La Haine" langweilt schon durch den Bezug zum französischen Drama, das zuvor bereits für "Dardania" von Dardan, "Gang" von Takt32, "Millies" von Luciano und "Zwischen Millionen Und Depressionen" von Kalazh44 Pate stand. Celo & Abdi, Kolja Goldstein und Disarstar sind erwiesenermaßen Freunde des Werks. Und auch Kurdo wähnt sich auf den Spuren der Pariser Banlieues, obwohl er das sorgenfreie Leben der Upper Class besingt - die Mode französisch und italienisch, sein Anwalt jüdisch, wie er betont.
Der "Immigrant mit Appetit" gibt sich weltgewandt. Während ihn die mütterlichen Gebete vor dem schädlichen Einfluss von "Nazar" schützen, jettet der Rapper mit kolumbianischem Kokain und schwedischen Models um den Globus. Im Kopfhörer läuft die "Latino-Playlist auf Spoti'", die er wohl auch dem Produzententeam vorgelegt hat, das für "Shakal" in Mannschaftsstärke aufläuft. Den Kosmopoliten behält er selbst dann bei, wenn er in "Caliente" seinen kurdischen Background betont. Eine durchaus brauchbare Rolle verglichen mit vielen Kollegen, deren Weltbild alleine der eigene Bezirk formt.
In "Ba7halel" verfolgt er seine kriminellen Aktivitäten in Paris und Antwerpen, schielt aber mit dem Sound von The Cratez, Minti und Stoopid Lou auf die feierwütige Masse. Gleichermaßen irritiert es, mit den Verführungskünsten des Schaitans die hedonistische Club-Atmosphäre von "1000 Gesichter" zu unterlaufen. RAF Camora führt nach "XV RR Edition" erneut mit Trauermiene durch die Nacht im "Emirat". Dagegen stellt sich Kurdo im Doppel mit Capo deutlich besser an. Mit melancholischer Note nähert sich "Alors" sogar dem Dreamhouse an, zu dem sie statt Drogen einer Mamacita huldigen.
Sympathische Liebeslieder bilden den überraschenden "Kristall"-Kern. Exemplarisch sei "Muskat" erwähnt, das auf Augenhöhe setzt, statt die übliche Heilige-Hure-Dichotomie zu bespielen: "Wir sehen aus wie 'n Traumpaar, aber auch wie Best Friends." Es mag am verwahrlosten Genre liegen, aber seine glaubwürdig vermittelten Emotionen kommen einer kleinen Revolution gleich. "Aggressiv, wenn du wartest, doch vertragen uns im Wagen. Andere nennen es Streit, doch für uns ist es 'ne Phase", beleuchtet er Alltägliches, "Wir haben denselben Schaden. Und ich lieb' es, bei Gott ich lieb' es."
"Weißt du, was ich gerade vermiss'? Wie du von der Seite guckst", setzt er seine Beobachtungen in "Rendezvous II" fort, dessen erster Teil auf "Vision" noch deutlich tiefer im Kitsch steckte. Kurdo arbeitet eine Jugendliebe auf, die daran gescheitert ist, dass er - so viel Klischee muss sein - auf die "schiefe Bahn" geriet. "Naja" wiederum betrachtet eine erfolglose Beziehung - und ergreift Partei für den weiblichen Part. "Ehrenlose reden über ihre Ehre", bemängelt er die Schmähungen, die sie von ihrem Umfeld erfährt, und übt implizit Kritik an Männerrollen, "Papa sagt, ein Mann darf nicht weinen."
"Ich will dir schreiben: 'Es tut mir leid.' Doch ich hab' Angst, dass du mir nicht mehr verzeihst", nimmt er auch in "Hasta La Vista" eine für seine Verhältnisse geradezu wagemutige Position der Schwäche ein. Seiner Stimme hat er dafür das Pampige abtrainiert, sein Vortrag ist frei von Trotz. Sicherlich finden sich mit "Wir Sind Ein Team" oder "Damanja" schnell ein paar Streichkandidaten auf "Kristall". Und Kurdo mag in diesem Leben kein großer Rapper mehr werden, aber das späte Outing des vermeintlichen Frauenschlägers als hoffnungsloser Romantiker überrascht und unterhält auf einem soliden Niveau.
3 Kommentare mit 10 Antworten
Ich habe das Album noch nicht gehört, aber ich fand immer schon den Vor- und Künstlernamen von ihm kurios. Stellt euch mal vor, wir würden Kinder Deutscho nennen.
Kinder wurden schon German genannt. Und auch Alman
Wer nix wurdo, wurdo Kurdo
1/5
Warum fällt mir hier noch „Wudo“ ein??
kurdo is echt so dumm mann, warum der typ erfolgreich ist mit seinen einfachen reimen, boah neh
Nike Kappe umgekehrt ist doch wohl ein Klassiker, der mich persönlich immer noch zum Lachen bringt
was genau ist denn an dem nike track so furchtbar zum lachen?
Zum Beispiel das hier:
"Es ist sicher ich komm' nicht mehr in die Klasse rein
Scheiß' auf die Schule, ich hab's geschafft und das ganz allein'
Schon im Sandkasten wollt' ich mich nicht anpassen
Ich wollt' zu den ganz Krassen, jetzt wollen sie mich anfassen"
Criiiiiiiinge.
"Hier mein Passfoto, Haarfarbe schwarz, oh-oh" 8)
Nicht zu vergessen seine erfrischende Ehrlichkeit:
"Vom Flüchtling zum Täter, in Deutschland illegal"
"Scheiß auf die Lehrer, es zählt nicht, was sie sagen
Jeden Morgen malte ich ein'n Penis an die Tafel"
@Sodhahn: Was bitte stört dich daran, dass ich die lines als funny empfinde? Gibste dir den Track wirklich bierernst? Die dudes hier haben schon ein paar starke Veranschaulichungen gebracht.
"In der Klasse hab ich zu den Schülern nicht gepasst, der Grund dafür ich hab einen südländischem Touch ,denn ich hab ein starken Bartwuchs, trage Tattoos und mein Ziel war kein Abitur sondern Brabus"
"Deutschrap ist wieder schwul wie in den 90ern"
– ekelige Line, und außerdem kann ich bestätigen, dass wir damals vielleicht schwul wirkten, aber meistens ein flyes B-Girl als Freundin hatten (B steht hier für Breakdance, nicht dafür, dass sie auch mit anderen Frauen rumgemacht hat).