laut.de-Kritik
Des Pop-Traps gute Seele sucht den Mainstream.
Review von Yannik Gölz"I think I'ma dance for the first time in a long time / I might even laugh like I mean it" eröffnet Kyle sein Album. Zwar schon ein paar Mixtapes auf dem Kerbholz, ist "Light Of Mine" das offizielle Debüt eines Typen, der in der Vergangenheit mit albernen Tracks als SuperDuperKyle Viralerfolg im Internet landete. "I nearly had a mental breakdown and eight months later I had a hit": Inzwischen hat er mit "iSpy" einen Top 10-Song, war Freshman in der XXL-Class und darf sich komplett neuen Erwartungen stellen.
Der Opener "Ups & Downs" will klarmachen: Es hat ihn nicht unbedingt verändert. Den Jungen, den mit dreizehn Cudis "Man On The Moon"-Album zum Rappen inspiriert hat, beschäftigen immer noch Selbstzweifel, gegen die er Leichtherzigkeit und Optimismus zu seinen markantesten Wesenszügen gemacht hat. Und auch wenn Kyle ein sehr sympathischer Kerl mit bestechendem Pop-Appeal ist, fehlt "Light Of Mine" die endgültige Konsequenz, musikalisch oder inhaltlich sein Potential wirklich zu entfalten.
Ein großes Manko liegt in der Produktion. Zu großen Teilen von Chiptune-Synthesizern und MIDI-Keyboards getragen, finden sich zwar immer wieder schöne Melodien und Refrains auf der Platte, aber auch wenn Tracks wie "To The Moon" oder "Rodeo" harmonisch gefallen, sind Instrumentals wie Vocals von einem dominanten Plastik-Glanz überzogen.
Der Plan war wohl, Kyle klanglich irgendwo zwischen Chance The Rapper und Travis Scott zu positionieren, für beide Richtungen fehlt aber die klare Kante. Weder tauchen organische oder besonders hervorstechende Texturen auf, die die emotionaleren Momente intensiv zeichnen würden, noch lässt die Platte sich konsequent genug auf ihre Pop-Flirts ein, um wirklich griffig zu sein. Die Konsequenz ist ein halbgarer Sound voller Trap-Kompromisse und ohne wirkliche Durchschlagskraft.
Dabei zeigen sich immer wieder Anflüge von dem, was hätte sein können, wenn man den Crossover-Erfolg wirklich schamlos gesucht hätte. Die Autotune-Melodien auf den Strophen des von Alessia Cara unterstützten "Babies" sind purer R'n'B und klingen trotz sehr künstlichem Sound griffig und tanzbar. Hilft natürlich auch, dass das optimistische Duett über Unsicherheit und das Erwachsenwerden auch auf textlicher Ebene ziemlich süß geraten ist. Vielleicht wäre hier mehr Kommerz tatsächlich die bessere Entscheidung gewesen.
In eine ähnliche Kerbe schlägt "PlayinWitMe" mit Kehlani, die ihn zwar auf einem sehr energetischen Verse fast ein bisschen überschattet, aber auf der Hook dann doch wieder einwandfrei synergiert. Auch Khalid-Feature "iMissMe" überzeugt mit einer der treibendsten Drumlines des Tapes, die mit lebendigem Bass und Drall mehr Groove vorgibt als die durchschnittliche Perkussion auf den Album. Die Drums klingen sonst leider sehr matt, etwas untergeordnet und unbissig. Denn selbst wenn eine Großzahl der Tracks musikalisch zumindest interessante Keys oder Samples vorlegen, ziehen die in relativ generischen Trap-Stil ausproduzierten Parts sich mehr als hier und da deutlich in die Länge.
So leiden zum Beispiel "ShipTrip" und "Open Doors" trotz ein paar der interessanteren textlichen Momente unter ziemlich schnarchigen Beats. Das ist schade, denn hier entstehen ein paar der Einblicke, die Kyle zu einem interessanten und liebenswerten Performer machen. Seien es ehrliche Auseinandersetzungen mit Gefühlen von Eifersucht und Egozentrik oder die Sorge, sich langsam immer mehr wie der eigene Vater anzufühlen: Immer wieder findet er nachvollziehbare Beobachtungen, seine vielmals beschworenen Selbstzweifel mit Details und Beispielen zu unterfüttern, selbst wenn das poppige Songwriting seine Verses gerne einmal auf Achtzeiler oder kurzweilige Phrasen beschränkt.
Dass er mit so wenig trotzdem recht viel abbilden kann, ist um so verwirrender, wenn man dann feststellt, dass die tatsächlichen Raptracks auf "Light Of Mine" beim besten Willen nur Filler sind. Gerade in der ersten Hälfte fängt "Ikuyo" ein halbgares Japan-Thema an, nur um dann trotz interessanter Beatästhetik einen absolut belanglosen Flex-Part von Kyle und den DIN4-normierten 2 Chainz-Verse aus dem Tiefkühlfach abzuliefern. Selbiges gilt für "Games", das in der Hook so tut, als würde hier ein Themensong über Videospielkultur passieren, bevor es in völlig geist- und seelenloses Representer-Gefasel verfällt.
Das ist Fett in der Tracklist, das man getrost hätte streichen können. Denn gerade, wenn Kyle auf einem Track wirklich thematisch textet und etwas zu sagen hat, kommen immer wieder Hochphasen zustande. Zum Beispiel hat der Abschluss mit der Reihe aus "Rodeo", "Clouds" und "iSpy" eine Menge Momentum. Storytelling über den Verlust der Jungfräulichkeit (übrigens nach Rich Brian schon der zweite Track in diesem Jahr mit diesem Konzept), eine Ballade über das Verhältnis zum verstorbenen Großvater und der ohnehin bekannte Pop-Trap-Banger mit Lil Yachty. Der Pop-Appeal, sein Rapstil und der eher harmlose Sound funktionieren hier wunderbar miteinander und geben ihrem Protagonisten viel Raum, sich charakterlich auszudrücken.
Apropos Yachty: Lil Boat moderiert übrigens als Kyles innere Stimme durch das Projekt. Was schräg klingt, endet in der Umsetzung dann aber doch auf eine sehr verschrobene Art und Weise liebenswert. Und das trifft auf große Teile von "Light Of Mine" zu. Immer wieder zeigt Kyle sich als ein absoluter Sympathieträger, wirft kompetente Songwriting-Ideen auf und lässt textlich Talent aufblitzen. Wäre da nicht die öde und komplett mutlose Produktion und ein guter Schlag Filler, ist das Potential für ein richtig gutes Album definitiv vorhanden. Bis dahin ist dieses leichtherzige Pop-Trap-Tape etwas für Liebhaber, aber nichts, das man gehört haben muss.
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