laut.de-Kritik
Autotune und Bummsbeats: Die Bayern schreckt nichts mehr.
Review von Manuel BergerLaBrassBanda orientieren sich weiter. Nach "Europa" geht es jetzt logischerweise "Around The World". Aber obwohl die Titel immer mehr Grenzüberschreitungen andeuten, wandert die Band musikalisch genau in die entgegengesetzte Richtung: Je weiter LaBrassBanda in die Welt hinausgehen, desto limitierter agieren sie.
Bislang empfand ich Stefan Dettl und seine Bande vor allem als eines: anstrengend. Aber im positiven Sinne. Die Trompeter forderten ihre Hörer, straften Volksmusik-Vorwürfe Lügen und latschten ohne Rücksicht auf Verluste hektisch in alle Richtungen. Dass das in einigen Momenten gleichzeitig auch noch Pop-Appeal versprühte, war ein willkommenes Zubrot. Aber eben nicht die Hauptsache.
Anno 2017 sind LaBrassBanda nicht mehr anstrengend, sondern suhlen sich zwischendurch sogar in Autotune und glatt polierten Bummsbeats. So heben in "Cadillac" nur noch Blasinstrumente die Bayern von konturlosen Mainstream-Kollegen ab, der Track plätschert ereignislos vor sich hin. Zu entdecken gibt es auf "Around The World" trotzdem noch jede Menge. "Wirt" tanzt den Twist und verfügt über ein geiles Solo, bei dem drei Bläser Unterschiedliches spielen. Den Groove übernimmt ein dominantes Bassriff. "Ujemama" klingt als wären Bilderbuch im Almurlaub gewesen, hätten nun aber genug und würden sich jetzt lieber gen Afrika orientieren. Dettl sprechsingt wie schon in "Indian Explosion (Bauwagn)" und jodelt.
Im Stile von Billy Joels "We Didn't Start The Fire" haut er Zeilen raus wie "Obi dann nach Marrakesch / Leck, san da die Dirndl fesch" ("Scheena Dog"), singt von gebrochenen Haxn, der lieben Mama und verknüpft mal eben Gipsy Kings-Rhythmen mit einem Geschirrtuch-Brand auf dem Dorffest ("Alarm"). Wieso eigentlich auch nicht? Statt harter deutscher Akzentuierung zu frönen, biegt und beugt man sich die Sprache in Mundart zurecht und massiert originelle Melodien in die Köpfe der Hörer.
Und keine Sorge: Auch als Bayer versteht man längst nicht alles. LaBrassBanda verwenden die Vocals als zusätzliches Instrument. Wobei Dettl gerne mal zwischen Refrain und Strophe schwankt: Während er ersteren meist durch verquirlte Worte lange Melodiebögen spendiert ("Indian Explosion (Bauwagn)"), darf es zuvor auch mal präzise im Stakkato rattern ("Africa").
Sehr unaufdringlich präsentieren sich LaBrassBanda im abschließenden "Nacht" – wo die Bläser erstaunlich lange ruhig bleiben. Gesang und Piano-Klänge beherrschen die gesamte erste Hälfte, erst dann dürfen leise Tröten hinzustoßen und aus dem Album geleiten. Zuvor schlägt auch schon "LaBa" ruhige Töne an, erweist sich allerdings als etwas unkonventioneller. Statt einfach gefällige Melodien zu liefern, umspielen sich die Bläser gegenseitig und ergänzen sich. Zusätzliche Instrumente braucht es so gar nicht – einzig kaum hörbare Percussionschläge mischen sich zum Tuba-Brummen. Innerhalb des aufgebauten, dichten Bläsergeflechts brechen immer wieder andere Stimmen aus ihrem rhythmusstiftenden Pattern aus, sodass LaBrassBanda zwar den grundlegenden Tenor beibehalten, aber der Song sich trotzdem stetig bewegt und verändert.
Für meinen Geschmack überschatten die leicht konjugierbaren Oberflächenstrukturen solche Momente allerdings etwas zu oft und amputieren LaBrassBanda häufig ihre Unberechenbarkeit ("Johnny"). Das fies bollernde "Africa" macht in der ersten Minuten höllisch Spaß und überzeugt auch mit einem verschwurbelten Refrain. Aber das immer gleiche Schema mindert bald jeglichen Reiz. Ähnlich ergeht es dem Line-Spitter "Scheena Dog", trotz launiger Reiseanekdoten.
Ihren Charme haben LaBrassBanda dennoch nicht verloren und ihre Eigenwilligkeit schließlich auch nicht auf dem Weg ins "Around The World"-Studio am Straßenrand vergessen. Für Fans der Alpencombo ist "Around The World" ein Pflichtkauf und als Vorbote kommender Livedates nimmt man die Platte eh gerne mit. Trainiert schon mal fleißig, damit ihr nicht schlapp macht, wenn Stefan Dettl "Alarm" schreit.
6 Kommentare mit 2 Antworten
"...und verfügt über ein geiles Solo, bei dem drei Bläser Unterschiedliches spielen" - der Satz ging musikwissenschaftlich wohl eher in die Hose^^
Muss an dieser Stelle mal ein bisschen Dampf ablassen:
Als LaBrassBanda-Fan der allerersten Stunde finde ich es jammerschade, was für eine Entwicklung die Band durchläuft. Die Jungs werden irgendwie träge, was sich nicht zuletzt an Dettls äußerem Erscheinungsbild zeigt. Partytauglichkeit steht mittlerweile klar über Feingefühl, sowohl in Bezug auf die Songstrukturen als auch auf die Texte. Ich habe das Gefühl, die denken sich "Wenn eh keiner versteht, was wir singen, wozu noch Mühe in die Lyrics stecken?" Der Gipfel der Entwicklung war für mich, als sie 2015 den (eigentlich melancholischen/nachdenklichen) Song "Großvater" vom Europa-Album Live in annährend doppeltem Tempo gespielt haben und im Bierzelt alle halb ausgerastet sind.
Album einmal durchgehört: 3/5 sind ok, kommt trotzdem nie an die alten Alben ran. Meine Sympathie lässt jedenfalls stark nach...
Dafür war das neueste Soloalbum vom Dettl richtig gut
Tja, ich stimme zu, besser werden sie nicht. Aber live sicher immernoch eine Macht.
Ich seh das'n bißchen anders: Wer LBB vorwirft, nur noch auf Partytauglichkeit abzuzielen, vedreht die Sache etwas: Wenn ich mir die alten Gassenhauer Ringlbleamli, Autobahn, Konned, Rotes Hoserl usw. anschaue, dann sind meiner Meinung nach eher diese Stücke auf "maximalen Effekt" gebaut. Die neueren Alben sind wirklich experimenteller und moderner.
Mir persönlich gefällt die Produktion auf Around the World nicht ganz so besonders. Zu basslastig, weniger filigran. Aber wirklich gut.
Hab vorhin mal ein Ohr riskiert, nur Ausschnitte leider, weil Saturn. Von diesem knappen ersten Eindruck her eigentlich nicht so offensichtlich ausverkaufig wie sich das hier liest. Zumal ich bei Der_EliasW bin, dass die vorher schon keine Musik auf Niesche gemacht und, von ein paar starken Ausnahmen (Tubissimo!) ab, auch textlich jetzt keine Bäume ausgerissen haben.
Habs aus Geiz-Gründen zwar erstmal wieder zurück gestellt, aber das hole ich bestimmt noch nach.
-e, is klar.
Ist für mich tatsächlich Partymucke, vor allem auch Live. Zuhause im Wohnzimmer wirds dagegen schnell anstrengend.
Enttäuschend. Die haben schon mal mehr gescheppert.