laut.de-Kritik

Nahezu perfekter Pop zwischen Hippietum und Trap.

Review von

Von der Sängerin und Songwriterin Elizabeth Grant, bekannt geworden unter dem Künstlernamen Lana Del Rey, besitzen viele seit dem Track "Video Games" von 2011 und dem dazugehörigen Erfolgsalbum "Born To Die" die Vorstellung einer White Trash-Trailer-Park-Ikone, die sich ebenso schwermütig wie elegant inszeniert. Dabei hat sich die 32-Jährige schon auf ihrer letzten Platte "Honeymoon" von ihrem Image der selbsternannten Gangsta Nancy Sinatra größtenteils gelöst. Das Cover von "Lust Lor Life" zeigt die US-Amerikanerin nun mit einem überraschend strahlenden Lächeln. Diese Lebensfreude zieht sich auch musikalisch durch dieses neue Werk.

Mit der vorab veröffentlichten Single "Love" richtet sich Lana Del Rey an die heutige Jugend und verbindet leichtfüßig Nostalgie und Gegenwart miteinander, wenn sie von vintage music aus dem Internet singt. Im Refrain, der ungewohnt wuchtig und opulent klingt, geht es um das unbeschreibliche Gefühl, jung und verliebt zu sein. Andererseits bricht sie in der zweiten Strophe mit der Naivität. Sie warnt davor, dass man trotz der zahlreichen Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung nicht gleich den Verstand verlieren sollte.

Das Titelstück mit The Weeknd zitiert anschließend Iggy Pops gleichnamige Drogenhymne. In dem Video zelebriert sie mit dem R'n'B-Superstar auf dem H des Hollywoodschriftzuges ein berauschendes Fest auf die Liebe. Dazu verschmelzen die beiden Stimmen gekonnt zu einer geschmackvollen Nummer. Außerdem bringt Lana mit "Lust For Life" zum Ausdruck, wie sie sich persönlich weiterentwickelt hat.

Mittlerweile lebt die Sängerin und Songwriterin in Los Angeles. Dort hat sie sich der Indie-Folk-Gemeinde um Musiker wie Father John Misty und The Last Shadow Puppets angeschlossen und überwand so ihre Ängstlichkeit und Verschlossenheit. Daher sollte es kaum verwundern, dass sich auf dieser Scheibe viele popkulturelle Referenzen aus der guten alten Hippiezeit befinden. Dennoch betont sie den modernen Trap-Ansatz, der sich auf "Honeymoon" sanft angedeutet hat, auf der ersten Hälfte um so konkreter.

In "Summer Bummer" nimmt man langsame und entschleunigte Beats wahr, während Playboy Carti und A$ap Rocky ein paar zunächst gewöhnungsbedürftige Rap-Parts abliefern. Allerdings braucht man wegen der rauchigen und lasziven Stimme Lana Del Reys keine Berührungsänste als Hörer zu haben. Trotz aller Standhaftigkeit im Hier und Jetzt schwingt immer noch diese romantische Nostalgie in ihren Tracks mit, die man an ihr so schätzt.

In "Coachella - Woodstock In My Mind", das in einem beeindruckenden Finale mündet, ruft sie zu einem friedlichen und toleranten Miteinander auf. Die Lyrics schreibt sie angesichts des aktuellen Nordkorea-Konfliktes, der an das atomare Wettrüsten im Kalten Krieg erinnert. Später stellt sie im äußerst dynamischen Stück "When The World Was At War We Kept Dancing" die rhetorische Frage: "Is it the end of America?" Doch selbst im Kriegszustand lässt es sich für die Sängerin ausgesprochen gut tanzen. Schön, dass sie ihren abgründigen Charme keineswegs verloren hat.

Das einnehmend-verschlafene "Heroin" bezieht sich letztendlich nicht nur auf The Velvet Underground, sondern enthält weiterhin Anspielungen auf Mötley Crüe und Amerikas Staatsfeind Nummer Eins am Ende des Beach-Boys-Zeitalters, Charles Manson. Dass dies keinesfalls in Monotonie ausartet, verdankt sie ihrem Langzeitkollegen Rick Nowels, der fast alle Songs mitgeschrieben und produziert hat. Neben viel kompositorischer Abwechslung sorgt er für das passende road-trippige Feeling, das die gesamte Platte zusammenhält.

Die grandiose Trip Hop-Ballade "13 Beaches" knüpft wiederum an die entrückte Atmosphäre älterer Nummern wie "Video Games" und "Summertime Sadness" an. Zum Abschluss denkt man in "Get Free", das durch sein psychedelisches Gitarrenspiel besonders heraussticht, an die surrealen Leinwandbilder von David Lynch. Demgegenüber bleibt aufgrund der modernen Produktionsweise von ihrer einstigen Lo-Fi-Ästhetik nur noch in diesem Track etwas übrig.

Das Kernstück auf diesem Album hat sie trotzdem diesem mysteriösen Ende vorangestellt. Mit der intimen Klaviernummer "Change" setzt sich Lana Del Rey selbstkritisch mit ihren eigenen positiven Veränderungen auseinander. Im Grunde geht es auf dieser Platte nicht nur um "Beautiful People Beautiful Problems", wie das tolle Duett mit der Ex-Fleetwood-Mac-Sängerin Stevie Nicks den Hörer auf die falsche Fährte lockt, sondern vor allem um das Politische im Privaten.

Der Refrain schließt dann wieder den Kreis zu "Love" und fasst bescheiden zusammen, wie sie später einmal sein möchte, nämlich "honest, capable... beautiful or stable." Eventuell kann eine gewisse Selbsteinsicht eines jeden Einzelnen dazu beitragen, diese Welt lebenswerter zu gestalten, so ihre gefestigte Botschaft.

Somit dürfte der Ruf Lana Del Reys als die traurig dreinblickende Vorstadt-Lolita, die in ihren Texten die bösen Buben im James-Dean-Look anschmachtet, endgültig der Vergangenheit angehören. All ihre Stärken hat sie bisher nicht so kompakt auf Albumlänge gebannt, wie auf "Lust For Life". Außerdem beinhaltet diese Scheibe ein paar wunderbar einprägsame Zeilen, die in unsicheren politischen Zeiten durchaus zum Nachdenken anregen. Mit dieser runden und überaus brillanten Platte erschafft sie gemeinsam mit Produzenten-Ikone Rick Nowels schon nahezu perfekte Pop-Musik.

Trackliste

  1. 1. Love
  2. 2. Lust For Life
  3. 3. 13 Beaches
  4. 4. Cherry
  5. 5. White Mustang
  6. 6. Summer Bummer
  7. 7. Groupie Love
  8. 8. In My Feelings
  9. 9. Coachella - Woodstock In My Mind
  10. 10. God Bless America - And All The Beautiful Women In It
  11. 11. When The World Was At War We Kept Dancing
  12. 12. Beautiful People Beautiful Problems
  13. 13. Tomorrow Never Came
  14. 14. Heroin
  15. 15. Change
  16. 16. Get Free

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