laut.de-Kritik
Zeig' den Tiefen des Lebens den Mittelfinger!
Review von Sven KabelitzWer bei dem Wort Clio zuerst an kleine französische Autos denkt, steht sicher nicht ganz allein auf weiter Flur. Zudem finden sich unter den verschiedenen Schreibweisen des Namens ein Asteroid, ein Medienpreis, eine Zeitschrift für Frauengesundheit und ein Fachportal für Geschichtswissenschaften. Seit Ende 2012 und der Single "Told You So" gesellt sich in der öffentlichen Wahrnehmung Leslie Clio zu der munteren Gruppe. Wenn nicht alles schief läuft, hat sie Ende 2013 einen bleiben Eindruck hinterlassen.
Seinen Ursprung hat der Name jedoch in der griechischen Mythologie. Dort stellt Klio, Tochter von Zeus und der Mnemosyne, eine der neun Musen. Mit ihren Attributen Papyrusrolle und Griffel zeigt sie sich für Heldendichtung und Geschichtsschreibung zuständig. Merkmale, die auch zu der Wahlberlinerin aus Hamburg passen. "Ich hab' angefangen mit Gedichten und später erst geschnallt, dass man das auch singen kann und dass das total geil zusammen passt", erzählt sie in einem Interview mit der Welt und lacht fröhlich.
Bei dem Unterfangen, ihre Gedichte zu, wie sie es nennt, "Soul-Pop mit Retro-Touch" zu veredeln, bekommt Clio Unterstützung von Nikolai Potthoff, seines Zeichens Tomte-Bassist und Produzent von Muff Potter. "Die Songs wurden zusammen fertig geschrieben. Mit ihm habe ich meine ganzen Puzzleteile aus Themen, Strophen und kleinen Zeilen zusammengesetzt", erklärt die Sängerin.
Gemeinsam versetzen sie Dusty Springfields Blue Eyed Soul der Sechziger mit Pop und dem zum Teil minimalistischen Electro-Ansatz einer Lykke Li ("Dr. Feelgood", "Twist The Knife"). "Nikolai Potthoff ist viel mehr als nur Tomte, er ist ein vielfältiger Produzent und musikalisch sehr breit aufgestellt."
Dieses gemeinsame Songwriting hebt sie von der Konkurrenz ab. Der Hang zu großen Momenten, gepaart mit einer eingängigen, aber eigenwilligen Melodieverliebtheit, die noch Raum für Ecken und Kanten lässt. Ohne aufdringlich zu sein, beißt sich jeder einzelne Song im Gehörgang fest. Einzig "Let Go" fällt im Vergleich ein wenig ab. An "Gladys" Hit-Dichte dürfte manch eine Kollegin ersticken.
Der teilweise unterkühlt nordische Gesang Clios konzentriert sich auf das Wesentliche und umschifft jeden zu viel gesungenen Ton. Vielleicht kommt sie stimmlich nicht an Adele oder Amy Winehouse heran, doch mit der Intensität, die sie zwischen ihr tiefes Vibrato und ihre Kopfstimme packt, lässt sie das Quaken einer Duffy ohne weiteres hinter sich.
Ein dunkler Schatten umgibt die einzelnen Tracks, die von Bass und Beats getrieben werden. Düstere Echos vergangener Lieben hallen durch Nacht, stampfende E-Pianos-Parts rechnen mit der Vergangenheit ab ("Told You So", "God No More"). Doch im Moment des Verlustes ist Clio nicht das kleine weinende Mädchen, sondern eine selbstbewusste Frau, die den Tiefen des Lebens den Mittelfinger entgegen streckt.
"Memories keep calling / but I refuse to fall / back to where we started / you never knew me at all." Bis für einen kurzen Moment die Sonne radikal durch die Wolken scheint. Aufmüpfig und frisch springen Clio und "I Couldn't Care Less" durch die Welt. Nehmt das Drama nicht zu ernst und freut euch des Lebens. "Fuck the past / The past ain't now."
Hat man eine für sich funktionierende Formel gefunden, fällt es leicht, diese zu variieren. In "Melt Back" mischt Clio den Bombast einer Florence Welch bei. Über die zurückhaltende Strophe von "Gotta Stop Loving You" führt eine prachtvolle Bridge ("We're sleepwalking / keep wasting our time") zum ausufernden Refrain.
Das Glanzlicht stellt das gebrochene atmosphärische "Island" dar. Sehnsuchtsvoll und schwermütig, doch immer noch mit respektvollem Sicherheitsabstand zum Abgrund. Das ausgeklügelte Arrangement lässt die Einsamkeit mitfühlen, das Herz gefrieren. "And my heart is like an island / and I'm standin' all alone."
Die Marketingrädchen für "Gladys" drehen sich bereits fleißig. Nach Auftritten im Vorprogramm von Bosse und Keane findet sich die blonde Sängerin auf dem Soundtrack von Schweighöfers "Schlussmacher" wieder. Noch vor dem Release von "Gladys" spielt sie die Hauptrolle in einem missglückten und gestelzten Werbespot für eine amerikanische Autofirma. Bereits jetzt ist Vorsicht angebracht, dass sich die Spule nicht schon bald überdreht. Doch selbst dem sieht die Sängerin gelassen entgegen.
"Ich habe jetzt eine große Chance, die ich gerne wahrnehmen und nicht versemmeln will. Ich bin entspannt und zuversichtlich", meint Leslie Clio. "Wenn das alles scheitert, macht das auch nichts, weil es von mir kommt. Ich könnte damit viel besser leben, als wenn andere Menschen mir etwas aufzwingen würden, das dann nicht funktioniert."
8 Kommentare
Jup! Ich mag die auch, jetzt freue ich mich noch mehr aufs Album! Nach der Arbeit geh ich direkt kaufen!
Clio? ist das nicht ein Auto?
"Told you so" fand ich unerträglich, "I couln't care less" find ich gut.
album ist baba
babas wissen wer der kaba is. oder so.
album fand ich eher langweilig. hat zwar ne coole stimme, die dame, aber das songwriting ist nicht so der bringer. zu wenig abwechslung, zu vieles davon schon viel zu oft gehört.
Grandios!