laut.de-Kritik

Das alternde Schlachtross spielt noch eine letzte Saison.

Review von

Lil Wayne ist ein Athlet. Seit nunmehr drei Jahrzehnten läuft er auf denselben Platz auf, spielt seine Kür und bleibt ein Publikumsmagnet. Entsprechend lieben Fans seine Mixtape-Reihen und das Spektakel, wenn der 'beste lebende Rapper' sich ein paar der Beats des Jahres unter den Nagel reißt und einmal mehr über den Platz fegt. Nach einem enttäuschenden "Funeral" und noch enttäuschenderem Trump-Auftritt spürt man auf dieser neuen Edition von "No Ceilings 3", dass Waynes Großtaten der Vergangenheit angehören. Aber so sehr er an Form eingebüßt hat, ein paar heldenhafte Momente bleiben.

Die entstehen immer dann, wenn er auf den tagesaktuellen Instrumentals die vorgetretenen Pfade verlässt. Denn ziemlich oft schmiegt er sich nur den ohnehin schon verwendeten Flow-Pattern mit etwas zu viel Respekt an. Hätte es wirklich Originalzitate von Moneybagg Yos "Said Sum" oder Lil Babys "We Paid" gebraucht? Wenn er da eins zu eins Refrains und Betonungen spiegelt, fühlen sich auch seine Remixe derivativ an. Am unangenehmsten fällt das bei den Neuauflagen seines Schützlings Drake auf: "Laugh Now, Cry Later" ("Something Different") und dessen Verse auf "Life Is Good" zitiert er teilweise Wort für Wort und ändert nur Nuancen und Silben.

Das ist schade, denn sobald Wayne in "Dedication"-Manier beginnt, seinen eigenen Ethos auf diese Beats zu fläzen, beginnt auch "No Ceilings 3" zu brennen. Man dankt dem Herrn, dass Wayne nicht versucht hat, Pop Smoke-sche Drill-Flows über den "Dior"- oder "Shake The Room"-Beat zu legen, sondern einfach ein Sperrfeuer an absurden Reim-Konstellationen und Punchlines darüber feuert. Die Energie der New York-Drill-Ästhetik gibt ihm Auftrieb, sein Tempo und sein grollender Stimmeinsatz kommen zu voller Geltung.

Noch besser funktionieren die Verses auf "Out West", dem Young Thug-Standout aus dem durchwachsenen Jackboys-Sampler. Hier treffen sich die früher verfeindeten Alien-Stimmen von Lil Wayne und Young Thug für eine spektakulär aufgedrehte Neuauflage dieses eigentlich so ruhigen Instrumentals. Besonders Thuggers aufbrausender, exzessiver Stimmeinsatz erinnert an "Jeffery"-Tage. Die Chemie der beiden fasziniert, als würde ein Superhelden Tag-Team aus Marvel und DC gleichzeitig rekrutieren.

So reihen sich ein paar solide Höhepunkte auf "No Ceilings 3". Drake-Feature "BB King Freestyle" kommt ohne fremden Beat aus, klingt dafür aber so opulent und luxuriös, dass die beiden ihren Veteranen-Status auf die beste Art und Weise zur Schau stellen können. "Lamar" gibt Wayne Jay-Zs "Takeover" in die Hand – was im Albumkontext einen ziemlichen Anachronismus darstellt, aber einen natürlicheren und hungrigeren Tunechi hervorbringt.

Trotzdem verliert mit zunehmender Spieldauer vieles am Mixtape an Flavour. Die am Anfang noch irgendwie charmanten DJ Khaled-Shoutouts verbleichen zu Parodien von Parodien von Parodien, und die Songs des letzten Drittels büßen mit jeder mühseligen Minute an Flavour ein. Brauchen wir Wayne und Gudda Gudda mit Mord-Bars über das grotesk tingelige Radio-Pop-Instrumental von "Mood"? Brauchen wir Solosongs von jedem von Waynes Kindern im Grundschulalter und Features von allen Young Money-Haudegen, die seit den 90ern an seiner Backe kleben und inzwischen wahrscheinlich exklusiv auf seinen Tapes rappen?

Vier oder fünf Highlights zwischen einem Dutzend Nummern Ramsch reichen eben nicht für ein Statement. Wenn etwas an "No Ceilings 3" wirklich Spaß macht, dann der nostalgische Respekt für das alternde Schlachtross, das noch eine letzte Saison in Moskau oder Beijing spielt. Wayne hat nicht mehr die kolossalste Puste oder den agilsten Schuss und schon gar nicht viel zu sagen. Aber wenn er dann zwischendurch kurz die Hacken zu einem Trick schlägt, sieht man den alten Jungen trotzdem glänzen und ahnt, warum er eigentlich nie gelogen hat, wann immer er sich den Besten genannt hat.

Trackliste

  1. 1. V8
  2. 2. BB King Freestyle (feat. Drake)
  3. 3. Lamar
  4. 4. For The Night
  5. 5. Something Different
  6. 6. Life Is Good
  7. 7. Peggy Bundy
  8. 8. Out West (feat. Young Thug)
  9. 9. Church (feat. HoodyBaby, Euro & Gudda Gudda)
  10. 10. Comme Des Garcons
  11. 11. Deep End
  12. 12. Drag Em (feat. Gudda Gudda)
  13. 13. Drive-Bys (feat. Vice Versa)
  14. 14. Fl4m3$ (feat. Lil Tune)
  15. 15. 3 Headed Goat (feat. Cory Gunz & YD)
  16. 16. Hollywood (feat. Young Carter)
  17. 17. Kam (feat. Young Kam Carter)
  18. 18. Kamila (feat. Jay Jones)
  19. 19. 2 Diamonds
  20. 20. Afro

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