laut.de-Kritik
Die Power-Funkrockerin spielte schon für Prince.
Review von Philipp KauseLiv ist die Kurzform von Olivia und Warfield ein krasser Familienname: 'Schlachtfeld!?' 'Kriegsgebiet?!' Das Elternhaus der Funkrockerin Elternhaus war jedenfalls recht krass drauf und in Bezug auf Livs Leidenschaft ein vermintes Terrain: Mit Musik jenseits der Kirche, der Pfingstkirchler, durfte sie nichts zu tun haben. Nur heimlich konnte sie ihren Vorbildern nacheifern, die von den Stones bis Whitney Houston reichen. Liv ist aber alles andere als eine Nachahmerin, wie ihr groundbreaking Cover von "Another Day In Paradise" beweist - aber das Beste zum Schluss!
Die Musikerin ist schlichtweg toll. Das Energiebündel kann zart, röhrend und wie eine Löwin fauchend singen. Ihre Stimme antwortet in den Songs auf andere Gestaltungselemente so zuverlässig wie ein Magnet oder Thermostat: Erklingen Cello, Orgel und Baritonsaxophon wird ihre Stimme direkt zuckersüß und sanft, wie die Ballade "Bloom" beweist. Dominieren Congas, Snaredrums und Wah-Wah-Bass, wie im Afrofunk "Get 2 Know", schalten die Vocals ins Sinnliche, zur fetzenden E-Guitar in "Stare" ins kläffend Raue. Auch innerhalb eines Tracks, wie im Titelsong "Edge" agiert sie wandelbar: dramatisierend ("it's taking me over / closer to the edge") und dann wieder beruhigend.
Die 44-Jährige, die so quirlig wie eine 19-Jährige wirkt, weckte als Spätstarterin ins große Musikbiz mit 26 das Interesse von Prince, der es sich bekanntlich zur Aufgabe gemacht hatte, systematisch Frauen zu fördern, seit ihm eine den Allerwertesten gerettet hatte. In die Galerie von Wendy & Lisa, Sheila E., Sinéad O'Connor und vielen anderen reiht sich Liv Warfield für seine Platten "Lotus Flower", "20Ten" ('Rolling Stone'-Heftbeilage) und "HitnRun Phase 2" ein.
Mit Prince bestritt sie seine legendären Montreux-Live-Shows. Ihre Rock-Leidenschaft, zu hören in den wuchtigen und "Purple Rain"-ähnlichen E-Gitarren von "Savior" und "Stare" mit ganz starken Riffs, lebt sie im Projekt Roadcase Royale aus. Der allgemeinen Trauer um den plötzlichen Tod ihres Mentors im April 2016 wollte sie damit begegnen, nach vorne zu schauen und in seinem Sinne weiter zu funken und zu rocken, was ihr auf ihrer dritten Solo-LP "The Edge" exzellent gelingt.
Zwischenzeitlich wirkte sie 2020 bei der Retro-Gruppe Joon Moon als Gastsängerin mit, deren Debütsingle "Chess" (2015) sie mit Drive, Schubkraft und sentimentalem Gothic-Soul-Twist covert: eine sehr energetische Aufnahme! Die teils Grunge-nahen, Funk-untypischen und schmerzerfüllten Texte wie "I take all the pain and put it to full bloom" erinnern zusammen mit der Vehemenz mancher Stücke, Livs majestätischer Intonation an Skin von Skunk Anansie.
Um aus "Another Day In Paradise" von Phil Collins Soul, Bluesrock und Funk herauszukitzeln, muss man wissen, was man tut. Und es funktioniert. Zumal Motown-Fan Collins durchaus schon die entsprechenden Sollbruchstellen eingebaut hat, etwa den Akkordsprung auf "Oh! in der Hook "Oh! Think twice!". Was als ruhige, gleichmäßige Ballade beginnt, wandelt sich stufenweise in einen Sturm. In der Zeile "She calls out to the man on the street / he can see, she's been crying" hört sich Liv maximal tief an und spricht mehr, als dass sie singt. Ein so episches wie ekstatisches Gitarrensolo ab der Mitte des Songs tut dann sein Übriges und kitzelt die wilde Seite der Sängerin heraus.
Diese Dynamik ist im Original schon angelegt - es gehört allerdings absolute Funkyness dazu, um sie so deutlich herauszuschälen und "Another Day In Paradise" von einem Eighties-Synthpop-Radioedit in einen hypnotisch emotionalen Track zu wenden. Und auf die Jazz-Breaks in "Maybe They'll Take Your Picture" wäre Prince Rogers Nelson wohl einfach nur stolz.
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