laut.de-Kritik

Ein Liebesbrief an das Genre Hip Hop.

Review von

Vor diesem Album-Release konnte einem Logic fast schon ein wenig leid tun. Der Mann scheint Hip Hop wirklich zu lieben, und zumindest auf dem Papier spiegelten seine letzten Alben dies auch auf gar nicht mal uninspirierte Art und Weise wider. Nur stellt er sich eben wie kaum ein zweiter wieder und wieder selbst ein Bein mit Sounds, die kaum weiter von seinen Kernkompetenzen entfernt sein könnten. Zusammen mit seiner lyrischen Ambivalenz, die unentwegt zwischen bedeutungsschwanger und beschämend pendelt, entstehen Totalausfälle wie "Confessions Of A Dangerous Mind", oder "Supermarket", eines der erbärmlichsten Versuche eines Rock-Crossovers, die das Genre jemals zu Hören bekam.

Was die vernichtende Kritik mit Bobby anstellte, hören wir nun auf "Vinyl Days". Mit "No Pressure" verabschiedete er sich zwar vor zwei Jahren nochmal in Bestform in die familiär bedingte Frührente, doch neben Windeln wechseln und Wäsche waschen griff er doch auch immer wieder zum Mikrofon. Der Ehrgeiz, all die Pitchforks und Needledrops dieser Welt Lügen zu strafen, triumphierte am Ende. Sogar in solchem Maße, dass Logic nach einem missglückten Mixtape-Experiment im letzten Jahr seine Ambitionen nicht länger verwässert und auf diesem Projekt jeglichen Filter über Bord wirft. 22 Songs, acht Skits, so gut wie jede Legende des Genres, die er sich unter den Nagel riss, ein gesprochenes Intro von Morgan Freeman, und Referenzen an sämtliche Klassiker seiner Plattensammlung: "Vinyl Days" ist ein Liebesbrief an das Genre Hip Hop, der in seiner Detailverliebtheit fast schon archivarische, aber hin und wieder auch ermüdende Züge annimmt.

Stellenweise wirkt es sogar so, als gehe Logic mit seinem Status als Hip Hop-Nerd hausieren. Auf "Quasi" fleht er Madlib an, doch bitte wieder selbst das Mikrofon in die Hand zu nehmen, auf "Introducing Nezi" teilt er sichtlich von sich selbst überzeugt mit, eine unbekannte Rapperin aus Nigeria entdeckt zu haben, "Nardwuar" zollt der gleichnamigen legendären Kunstfigur auf etwas alberne Art und Weise Tribut, und auf "Ten Years" erfahren wir, dass er gegen RZA ein Schachspiel gewinnen konnte. Diese kleinen Anekdoten und Querverweise sind mehr anstrengend als charismatisch, weil Logic seine Rolle als Elder Statesman ein wenig zu sehr ernst nimmt.

Doch der Rapper aus Maryland hat auch dazugelernt. Die Kritik seiner wenig erfolgreichen Unterfangen fruchtete: "Vinyl Days" ist frei von ungelenken Experimenten, aufgeblasener Bedeutungsschwere oder gar Billboard-Ambitionen. Mit seinem Comeback-Album serviert Logic kompromisslosen Hip Hop der alten Schule. Die in Tandem mit seinem Stammproduzenten 6ix gebauten Beats rekonstruieren den Sound vergangener Tage nicht nur erstaunlich gut, sie verfügen über genug eigene Identität, um zum Kopfnicken einzuladen. Selten hat man Logic über solch grandiose Beats rappen hören wie etwa auf "Therapy Music", "BlackWhiteBoy" oder "Orville".

Das Album klingt, als habe sich Logic für einen Monat mit seiner Plattensammlung in einem dunklen Raum eingeschlossen, alles durch einen Sampler gejagt, was er zwischen die Finger bekam, und dabei jeden Gedanken der ihm ins Hirn schwirrte, ohne viel zu überlegen zu Papier gebracht. Das lässt das Album in der Folge relativ freiförmig daherkommen. Songs variieren stark in ihrer Länge, finden ihr Ende meist zu früh oder zu spät. Oft wirken sie eher wie glorifizierte Freestyles als wie vollwertig ausgearbeitete Songs. Im Laufe der 70 Minuten verschwimmt mehr und mehr Material zu einem einzigen Brei an leeren Worthülsen, der aufgrund der großartigen Instrumentierung jedoch selten langweilig gerät.

Einen lyrischen roten Faden sucht man ohnehin vergebens. Weitläufig führt das dazu, dass Logics Inhalte den üblichen Fettnäpfchen fernbleiben und sein handwerklich großartiger Rap nicht unter ihnen leidet. Nach der Lawine an peinlichen Zeilen, die uns auf seinen letzten Alben überrollte, hat man fast schon vergessen, was für ein großartiger Rapper der Mann doch eigentlich ist. Nicht nur hat er sich längst aus dem Schatten eines alternden Eminems emanzipiert, wenn er den seine Musik bestimmenden Wettbewerbsgedanken für einen Moment ausklammert, steht er seinem größten Vorbild in dessen besten Tagen in Nichts nach.

Songs wie Therapy Music" oder der Beastie Boys-eske Rager "Bleed It" etwa klingen nicht nur hervorragend, sie vermitteln auch genau das, woran es Logics Musik so häufig mangelte: genuine Emotionen. Dafür dass der Mann so viel über sich selbst und seine Gefühlswelt rappt, werden die Kämpfe, die mit er sich selbst ausfechtet, selten wirklich greifbar. Dieses Album schlägt in seiner Offenheit zwar hin und wieder etwas über die Stränge, etwa mit den unangenehmen Mordfantasieren gegenüber Anthony Fantano, die er auf "LaDonda" beichtet, es gibt einem aber dennoch das wohl rundeste und ehrlichste Bild der Person Robert Hall, das wir bisher von Logic zu hören bekamen. Und dazu gehören wohl auch Bars wie: "Made millions while you pissed like you majored in urology". Es wäre eben kein Logic-Album wenn man nicht mindestens einmal die Augenbraue hochziehen müsste.

Tracks wie "Ten Years" oder "I Guess I Love It", auf denen Logic einfach nur um des Rappens willen rappt, klingen jedoch weitaus weniger verbittert als noch in der Vergangenheit. Auch seine Kollaborationen mit Blu & Exile, AZ, DJ Premier oder RZA, beweisen, dass der Mann deren Gunst nicht mit monetären Mitteln erlangte. Man respektiert Logic in der Szene, und dieses Album beweist wohl so eindrucksvoll wie keines zuvor, warum das so ist. Im gleichen Zug beweist es allerdings auch, dass ein Verse von Royce da 5'9'' oder Blu genügt, um die im Intro von Morgan Freeman erhobene These "Logic is the G.O.A.T." zur Lächerlichkeit zu degradieren.

Es bleiben letzten Endes die von Logic selbst erhobenen Standards, die "Vinyl Days" davon abhalten, vollends aus der ewigen Mittelmäßigkeit auszubrechen, in der es sich Rapper in den vergangen Jahren so sehr bequem machte. Einen größeren Schritt hätte er jedoch mit seinem letzten Album unter Def Jam kaum gehen können. Mit dem zehnminütigen Closer "Sayonara", der mehr einer Danksagung als einem Rapsong gleichkommt, beendet er das Major Label-Kapitel seiner Karriere. Von nun veröffentlicht Logic seine Musik independent. Eine Tatsache, die angesichts der Qualität dieses Releases Hoffnung macht, dass Logics Karriere, fast zehn Jahre nach seinem Debüt gerade erst so richtig ins Rollen kommt.

Trackliste

  1. 1. Danger
  2. 2. Tetris
  3. 3. In My Lifetime (feat. Action Bronson)
  4. 4. Decades
  5. 5. JJ Abrahams (Skit)
  6. 6. BlackWhiteBoy
  7. 7. Quasi
  8. 8. Bleed It
  9. 9. LaDonda
  10. 10. Aaron Judge (Skit)
  11. 11. Clouds (feat. Langston Bristol & Curren$y)
  12. 12. Michael Rap (Skit)
  13. 13. Therapy Music (feat. Russ)
  14. 14. Tony Revolori (Skit)
  15. 15. Rogue One
  16. 16. Breath Control (feat. Wiz Khalifa)
  17. 17. NEMS (Skit)
  18. 18. Nardwuar (feat. Doc D)
  19. 19. Kickstyle (feat. iamJMARS, Big Lenbo & C Dot Castro)
  20. 20. Early Bird (Skit)
  21. 21. Ten Years (feat. RoycdeDa 5'9'')
  22. 22. Porta One (feat. RZA)
  23. 23. Needledrop (Skit)
  24. 24. Introducing Nezi (feat. Nezi Momodu)
  25. 25. Orville (feat. Like, Blu & Exile)
  26. 26. Carnival (feat. AZ)
  27. 27. Lena's Insight (Skit)
  28. 28. Vinyl Days (feat. DJ Premier)
  29. 29. I Guess I Love It (feat. The Game)
  30. 30. Sayonara

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