laut.de-Kritik

Wütende Riffs, düstere Synthies und erstaunlich viele Gitarren-Soli.

Review von

Die Jungs von Long Distance Calling hören gar nicht so viel Postrock. Instrumental-Bands eigentlich gar nicht. Sie haben ganz andere Einflüsse. Das hört man dem dritten Album deutlich an. Vom Postrock kommen sie trotzdem nicht weg. Aber sie nehmen sich vom Prog, Metal oder Stonerrock das, was ihnen gefällt, und packen es in ihr eigenes Universum.

Und das wirkt dann wahnsinnig präzise und wie aus einem Guss. Da fällt nicht einmal das einzige Lied mit Gesangspart aus der Reihe. "Middleville" heißt dieser Song, auf dem Ex-Anthrax-Sänger John Bush singt. Der Track erinnert an Alice In Chains oder frühe Creed-Songs. Ein Akustikgitarren-Intro mit sphärischen Synthieeffekten wird von einem Grunge-Riff der dreckigsten Sorte abgelöst.

John Bushs Stimme klingt herrlich abgefuckt und reiht sich perfekt in das Songkonstrukt ein. Long Distance Calling können wunderbar mit Gesang, funktionieren aber natürlich auch ohne. Ein perfektes Beispiel dafür ist "Timebends": Ruhig und entspannt, fast schon poppig gerät der Start und die Synthies erhalten eine größere Rolle als auf den übrigen Songs. Eine Akustikgitarre setzt ein und schrammelt leise, bevor plötzlich ein treibender Shuffle-Rhythmus einsetzt.

Bass, Schlagzeug und Gitarre ziehen an einem Strang, unterbrechen sich aber mit völlig neuen Parts. Die Geschwindigkeit fährt zurück, der Bass slappt, während die Gitarren vorsichtig einzelne Akkorde anschlagen. Gemeinsam bauen sie den Song langsam auf, nur um ihn dann genauso langsam wieder auseinander zu nehmen.

Nach einem ähnlichen Laut-Leise-Prinzip funktionieren auch die restlichen Songs. In den meisten Fällen stört das nicht, weil LDC fast immer einen anständigen Spannungsbogen basteln. "Invisible Giants" kommt dennoch nur schleppend in Fahrt und auch bei "Beyond The Void" dauert es lange, bis der Song richtig packend wird.

Sieben Tracks präsentiert die Band in knapp 60 Minuten. Nur der Stonerrock-Kracher "Arebico" unterschreitet die 6-Minuten-Grenze knapp. Dies ist auch der härteste Song, der sich auf eine Handvoll wütende Riffs beschränkt. Ganz anders "The Figrin D'an Boogie": Hier jonglieren LDC wild mit verschiedenen Rhythmen und Genres. Der Song kommt vom Hundersten ins Tausendste, macht einen auf düsteren Psychedelic-Rock, will dann doch Metal sein, entscheidet sich aber letztendlich lieber für Postrock.

Ungewöhnlich für eine Instrumental-Band sind die Gitarren-Soli, die immer wieder auftauchen und der geringte Teil an Melodiegefrickel. Die Riffs stehen mehr im Vordergrund. Gitarre und Bass sind die Könige der Platte, die immer wieder von heftigen Schlagzeugattacken unterbrochen oder vorangetrieben werden. Die Synthie-Effekte bleiben im Hintergrund, drängen sich nicht auf und dienen eher als Ergänzung.

Ob jetzt Stoner-, Psychedelic-, Prog- oder doch wieder Postrock: eigentlich ziemlich Wurst. Schubladen mag doch sowieso keiner. Long Distance Calling sind das, was eine Instrumental-Band sein muss: spannend und interessant.

Trackliste

  1. 1. Into The Black Wide Open
  2. 2. The Figrin D'an Boogie
  3. 3. Invisible Giants
  4. 4. Timebends
  5. 5. Arebico
  6. 6. Middleville
  7. 7. Beyond The Void

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1 Kommentar

  • Vor 13 Jahren

    Bin relativ spät zu diesem Album gekommen, weil mich eigentlich der "Post-Rock"-Tag etwas abgeschreckt hat. Nun nicht, dass ich gegen Post-Rock was hätte, aber eigentlich hört man eine Band, kennt man alle. Ich habe "God is An Astronaut" im Regal und bin eigentlich damit glücklich. Nun hier hat man mehr als üblichen Post-Rock. Eigentlich ist es mehr Richtung Instrumental Stoner/Progessive Rock. Eine ganze Ecke kantiger.