laut.de-Kritik
Unter den Klamotten sind wir alle nur Menschen.
Review von Dani FrommDas Gute an den Looptroop Rockers: Man weiß genau, was man kriegt. Die bisherige Diskografie der schwedischen Crew sollte Zweifel an ihren rap- und produktionstechnischen Fähigkeiten eigentlich restlos eliminiert haben. Amtlicher Flow trifft stimmungsvolle Beats: Um vom gewohnten Qualitätslevel abzurücken, müssten Promoe & Co. schon derbe Schnitzer unterlaufen.
Gehaltvolle Texte stecken ebenfalls allzeit drin. Wo - mit oder ohne den Zusatz Rockers - Looptroop draufsteht, geht es zwar auch immer um den Spaß an der Sache und um die eigene Hip Hop-Geschichte. Darüber hinaus greifen Looptroop aber regelmäßig gesellschaftliche und politische Fragen auf. "Naked Swedes" führt diese Tradition nahtlos fort.
Die Zustände in "Fort Europa" - respektive an seinen Außengrenzen - haben sich seit dem so betitelten Album eher noch verschärft. Kein Wunder, dass das Thema noch immer auf der Agenda steht. Looptroop rücken mit "Sea Of Death" das Schicksal von Flüchtlingen ins Zentrum der Aufmerksamkeit und entführen dafür ins Niemandsland zwischen den Kontinenten, zwischen verzweifelter Hoffnung und völliger Hoffnungslosigkeit. Trennlinien zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch, lassen sich dort nur schwer ziehen.
Angesichts der Schicksale, die "Four Numbers" schildert, Einzelne aus der anonymen Masse des Flüchtlingselends herauslöst und ihnen ein Gesicht und eine Stimme verleiht, bleiben als unverrückbare Überzeugungen nur die Forderung nach mehr Menschlichkeit und der Aufruf zum Aufbegehren gegen ein barbarisches, weil erbarmungsloses System, das (schlimm genug) die Angst um die eigene Haut, (schlimmer) Profitgier und (am allerschlimmsten) schnöde Bürokratie über das Mitgefühl stellt.
Looptroop prangern neben der Flüchtlingspolitik entsprechend auch den weltweiten Waffenhandel ("We Got Guns") und - allgemeiner gehalten - "The Machine", befeuert von Öl und Blut, an. So weit, so unerfreulich, so zeitlos. Angesichts solcher Zustände wird der richtige Zeitpunkt für "Another Love Song" vermutlich noch lange auf sich warten lassen. Was natürlich trotzdem nicht heißt, dass die Truppe zwischendurch nicht ordentlich auf die Partypauke hauen würde.
"Call us illegal but we do it with style", huldigt "Illegal" nebenbei auch den Graffiti-Kollegen - wieder einmal. Auch ihre anderen Themenfelder hat die Crew bereits mehrfach beackert. Die Erkenntnis "Kein Mensch ist illegal" bleibt aktuell, nur ist sie eben nicht neu. Gleiches gilt für den ungebrochen berechtigten Ruf "no nations, no borders" und die Feststellung, dass unter den Klamotten vielleicht nicht immer Schweden, wohl aber allüberall Menschen stecken.
Die Beats geraten vom knapp zweiminütigen, nahezu instrumentalen Intro "Line Check" bis zum abschließenden "The Machine" angemessen und atmosphärisch wie eh und je. In der Regel passen Instrumentals und Inhalte gut zusammen. Einzig die Wellen der "Sea Of Death" schwappen vielleicht etwas zu harmlos gegen den Schiffsrumpf, wobei so ein Meer ja auch eine trügerische Angelegenheit sein kann.
Die eine oder andere Hook fällt noch eine Spur poppiger aus als bisher. Insbesondere im Titeltrack oder in "Slippin'" mit seinem Soul-Revue-Chorus wird es mir dann allzu glatt. Dafür entschädigen aber wieder die brackigen Grime-Schlieren aus "Ugly Face", das Klingeling in der Wir-bereuen-nichts-Hymne "Beautiful Mistake" oder der Stereo MC's-Vibe im Bass von "We Got Guns". Oder eben "The Machine", wo der Kontrast zwischen dem zerbröselnden, pumpenden, metallisch klirrenden Klängen und einem Refrain, der beinahe von den Pet Shop Boys stammen könnte, einen spannenden Spagat vollführt.
Trotz allem: Scheunentore in Richtung musikalisches Neuland tritt "Naked Swedes" mit seinen Beats so wenig ein wie mit seinen Themen oder den demonstrierten Rap-Skills. Es scheint, als bedeute die besondere Qualität der Looptroop Rockers zugleich ihr größtes Manko: Man weiß eben vorher schon genau, was man kriegt.
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