laut.de-Kritik
Babylon brennt lichterloh.
Review von Franz MauererMensch Max, was hätte das für eine Karriere werden können! Ein einzigartiger Flow, der 'Spitten' eine ganz neue Bedeutung verleiht, denn so wie MC Bomber schrie auch ein Audio88 nie auf den Hinterhof. Als Ayatollah vom Gesundbrunnen hat er auf den ersten PBerg-Battletapes Sprachbilder rausgehauen, bei denen selbst die Härtesten in der S-Bahn immer wieder sicherstellten, dass die Kopfhörer ganz eng sitzen. "Predigt" war korrekt, "Gebüsch" noch ganz unterhaltsam, und beides kommerziell durchaus erfolgreich. Seit 2019 unterhält uns der Berliner aber mit EPs teils zweifelhafter Qualität. Insgesamt wirkte es bisweilen so, als habe seine gerne mal eintönig und unverständliche und manchmal traurige Live-Figur mit der Zeit überhandgenommen. Und das, obwohl in diesem kleinen Mann doch so offensichtlich krass viel Potenzial steckt, das er aber anscheinend lieber für Besuche im Rummelsburger Sisyphos nutzt.
Nach fünf langen Jahren erscheint nun endlich ein neues Solo-Album vom bekanntesten Gesicht der Berliner S-Bahn-Spotter-Szene: "Babylon". Man ahnt es schon im Titel, Bomber arbeitet sich an seiner Heimatstadt ab und holt sich dafür den recht unbekannten AdamZ ins Boot. "Dynamit" zündet nicht schlecht, man fühlt sich schnell wieder Zuhause. "Viele MCs sind gerade auf Lean/ Wir schläfern sie ein/ dann ist Rap wieder clean" ist noch die harmloseste Line. In Sachen Ekel muss sich Bomber nach wie vor vor niemandem verstecken, den Misogynie-Wettbewerb gewinnt er selbst in der internationalen Ausgabe spielend vor Action Bronson. Viel wichtiger aber: Der Track macht Laune, Bomber ist gut drauf. Die Sprache sitzt fließend und zwingt wie in alten Zeiten zu manchem Schmunzeln. Die Produktion hat, im Gegensatz zu manchen der letzten EPs, den Namen verdient. Bomber ist sauber nach vorne gemischt. Seine Dynamik und Aggressivität kommt gut zur Geltung, auch wenn der Beat nur stabil ausfällt.
Das macht "Ekelostler" besser, mindestens im wirklich starken Refrain. Der Nordachsen-Neuling MC Kneipenkrieger darf die blühenden Landschaften zusammen mit dem Prenzlberger vertreten und macht seinen Job richtig gut. In der Review zu Shackes "Rap Wie Er Sein Wollte" habe ich Kneipenkrieger mit Bomber verglichen; tatsächlich hören sich die beiden in ihrer Dynamik wie Zwillinge an und verstärken sich gegenseitig. Wie sagt der Pub Warrior dazu: "Falsch gedacht/ ich bin auf Pep'n/ schon seit Tagen/ und wenn fertig ist/ halt' ich mir den Edding an die Nase". Im Refrain blüht nicht nur der Beat, sondern auch die beiden Ossis auf, ein wirklich gelungener Track.
"SOS" fängt dann nochmal besser an, denn AdamZ zeigt, was in ihm steckt. Mit einem rollenden Bassbeat, der zu Bomber passt wie die Faust aufs Auge, zwei Minuten Vollgas ohne nach links und rechts zu schauen. "Anstatt mich mit ihr/ weiter zu beschäftigen/ bestell' ich mir ne Zweite/ tut mal so, als wärt ihr Lesbien"(sic!), der Onkel ist lyrisch endgültig in seinen besten Zeiten angekommen. Der Gute schrieb einfach fünf Jahre Lines. Der gesamte Track sollte im Berliner Gymnasium unterrichtet werden, denn so geht deutscher Sprechgang. Bomber sprüht vor Lust und Spaß, dass man sich mitfreuen muss, wie sein Potenzial endlich mal ausgeschöpft wird. Zum Schluss scratcht DJ Ill O. und alle sind selig. Nur das zugehörige Video kostete gefühlt 15 Mark, kann man sich sparen.
Damit ist es qualitativ aber immer noch deutlich besser als die im Video arg verwackelte Heimvideo-Aufnahme namens "Höllencypher", in der Andi, Morlockk, PAPKE und Sportler99 ran dürfen. Das Karatekid versagt – anders als zuletzt meistens - zumindest nicht komplett, Morlokk macht wie immer das Gleiche. Die unbekannteren Sportler99 und PAPKE geben sich deutlich mehr Mühe und halten mit dem guten ersten Part von Bomber mit. AdamZ, Berus und Ill. O machen erneut einen guten Job, ihre düstere und basslastige Arbeit erinnert an Horrorcore à la Uzi Mob und steht Max exzellent. Das gilt auch für "Daddys Aus Der Zone", ein richtiger Wohlfühlsong auch für den sonst tendenziell unbrauchbaren Featuregast FiNCH, in dem Max das Niveau nach unten mit Schallgeschwindigkeit durchbricht: "Egoshooter-Modus/ Leb' für den Moment/ wie Robert Steinhäuser/ Deutschrap 23/ personifizierte Reihenhäuser") – aber hey, eine gute Line ist eine gute Line ist eine gute Line.
Das ganze Album profitiert von AdamZs Basslastigkeit, wird dabei aber nicht eintönig. "Eins, Zwei" baut auf sein schönes Summsample, Bomber legt einen astreinen Alkoholikersong vor, der aber authentisch über Verdrängung funktioniert. Beeindruckend, wie Bomber den Song selbst nach vorne peitscht, mit dem Beat in einer eher unterstützenden Funktion – vielleicht die technisch beste Leistung seiner Karriere. "FKK" wartet mit Dea Bbz auf, die Bomber bei ihrem Track "Eiszapfen" unterstützt hat. Das (nicht abstoßend übertriebene) Laszive ist nun nicht die Hauptstärke von Herrn Grambow, doch ergänzt sich das Duo hier exzellent und Bomber drosselt das Tempo sogar, ohne abzusaufen. Die libertine Message des Tracks passt zu den Künstlern und provoziert den Berliner zu hervorragenden Lines ("Der Wortschatz mancher Tattoos/ ersetzt den seiner Träger").
"Niemals" ("Bist du Öko?/ Logisch bin ich ökologisch/ weil ich Gummis spar'/ und nur noch Po fick'") mit seinem herrlichen, windschiefen Kontrabass-Beat und die im Beat leider abfallenden "Moralin" ("Zeit der Psychosen/ Zeit der Idioten") und "Keiner Kann" stellt Bomber zum Feldzug gegen Wokeness auf, was vor allem bei "Moralin" und Bombers Nachäffen eines protofaschistischen Spießbürgers gut funktioniert. Da der Humor und die Selbstkritik auch nie zu kurz kommen, sitzen die Spitzen durchaus schmerzhaft.
Danach hat sich sogar Grambow fertig ausgekotzt und liefert mit "Ciao" einen für ihn völlig ungewöhnlichen persönlichen Song. Er erwähnt sogar seine Tochter. Das hindert ihn aber nicht daran, einen Atemzug später von Schlampen auf Knien zu sprechen, der Bomber wohnt halt im Paradox. Der Song hat eindeutig das Feeling eines Outros. Was soll "PowPow" also noch? Tja, es ist ganz einfach der beste Song von MC Bomber überhaupt. Bomber brüllt sich durch knapp drei Minuten verzerrtes Drum'n'Bass, näher ist deutscher Rap Death Grips noch nie gekommen und mehr Lob gibt es wohl kaum. Ein würdiges Ende für 30 geile, niemals perfekte, aber stets unterhaltsame Minuten.
3 Kommentare mit 7 Antworten
Warum Finch als Feature?
Weil beides Oesse?
Sschon klar, aber wenn das alleine als Qualifikation ausgereicht für Bomber so einem Müllhaufen einen Platz auf dem Album zu geben ist das schon traurig.
gebe dir da vollkommen recht. finch ist für die sülze. album später erstmal checke. U.N.V.S.U
Finch hat reichweite
das mit sicherheit, aber er definitiv in den falschen kreisen
Zeilen, für die die Beginner zurecht gefoltert würden. Just sayin.
Außerdem hat er wahrscheinlich "lesbian" gereimt, nech? Ich krieg Kopfschmerzen... (sic!)
Nordachsen Neuling MC Kneipenkrieger?
TBK genießt großen Respekt im Untergrund!
gibts dieses nordachsen movement überhaupt noch?