laut.de-Kritik

Eine Geschichte über verschenktes Potenzial.

Review von

Major Lazers "Essentials" entspricht von der Konzeption her einem klassischen Best Of-Album: Es enthält die großen Hit-Singles, die Lieblings-Remixes und einen bisher unveröffentlichten Track, um auch die letzten Irgendwann-mal-Fans aus der Reserve zu locken. Trotzdem erzählt das Album auch eine Geschichte: die des verschenkten Potenzials.

Als Major Lazer ihr erstes Album "Guns Don't Kill People ... Lazers Do" herausbrachten, standen da noch Diplo und Switch an den Decks. Der gebürtige Florida-Dude und der Londoner House-DJ, der bereits in den abgedrehten Produktionen M.I.A.s und Santigolds mitmischte, schmissen für diesen Meilenstein voller brachialer Keller-Sounds jegliche Genres zusammen, auf die es sich ekstatisch tanzbar ausrasten lässt. Harter, kalter europäischer Techno und eiserne Synthies trafen auf die heiße, feuchte Hitze des Dancehall und die Finsternis des Drum'n'Bass. Zum Luftholen wurde vernebelter Reggae gereicht.

Die klangliche Ästhetik erreichte revolutionären Status. Dancehall war damals außerhalb der eingeschworenen Fangemeinden kaum jemandem ein Begriff, und die rohen, harten Explosionen hauten noch jeden um, der sich halbwegs mit den oben genannten Genres befasste.

"Free The Universe", an dem dann bereits Walshy Fire und Jillionaire mitwirkten, knüpfte an diesen Sound an. Mit dem Abgang von Switch rutschten die Produktionen deutlicher in Richtung Karibik und EDM, behielten jedoch ihren eigenen Charakter, den die Kombination der unterschiedlichen Stile auf dem Album erst so richtig zum Leben erweckte. Der harte Underground-Keller wandelte sich zu einer schrillen, vollen und sehr abgedrehten Freak-Show-Karawane. Es war großartig.

"Essentials" spiegelt diese Soundrevolution: Mit den Hits wie "Bubble Butt" und "Watch Out For This (Bumaye)" spielten sich Major Lazer in jeden Club dieser Welt und brachten reihenweise dünne, weiße Mädchen dazu, ihre nicht vorhandenen Ärsche zu schwingen, als seien sie jamaikanische Königinnen. Und sie tun es immer noch: Major Lazer beeinflussten den Klang kontemporärer Pop-Musik enorm.

Sie spielten zwar offen mit groß angelegten, komerzielleren Tönen, waren aber trotzdem mutig genug, dem Mainstream den nackten, bunt angemalten Genre-Hintern ins Gesicht zu halten. Hip Hop-Fans konnten ebenso etwas mit Major Lazer anfangen wie EDM-Jünger, Rasta-Träger oder Drum'n'Bass-Kellerkinder. Ohne ihr stilistisches Potpourri hätten Alben wie "Palmen Aus Plastik" oder Trettmanns "Kitschkrieg EPs" vermutlich nie den Sprung aus ihrer Nische heraus geschafft.

"Peace Is The Mission" markierte allerdings eine Zäsur: Die gefeatureten Stars wurden bekannter, mainstreamiger. Ellie Goulding, Ariana Grande und später Justin Bieber rutschten an die Stellen von Ezra Koenig, Turbulence oder Ms. Thing. Dementsprechend wurden auch die Produktionen zunehmend radiotauglicher. Zwar trugen die Songs noch immer die Major Lazer-Signatur und hatten ordentlich Wumms im Rücken, aber sie gaben doch auch den Weg frei für das, was uns heute im Formatradio entgegenjault: die schmierigen "Dancehall-inspirierten" Dudelnummern, die so weit von Dancehall entfernt sind wie ihre Interpreten von Originalität.

Leider erging es auch Major Lazers Produktionen im Laufe der Zeit ähnlich. Neuere Songs wie "Blow That Smoke", "Know No Better" oder auch noch das am ehesten an frühere Veröffentlichungen erinnernde "Sua Cara" klingen absolut beliebig und fügen sich nahtlos ein in die unzähligen Spotify-Playlists, die ein und denselben Klang in Endlosschleife garantieren. Angesichts der einstigen Experimentierfreude des Kollektivs erscheint diese Entwicklung vor allem eins: sehr, sehr schade.

Trackliste

  1. 1. Blow That Smoke (Feat. Tove Lo)
  2. 2. Lean On (Feat. DJ Smoke)
  3. 3. Cold Water (Feat. Justin Bieber)
  4. 4. Light It Up (Feat. Nyla & Fuse ODG) (Remix)
  5. 5. Know No Better (Feat. Travis Scott & Camila Cabello, Quavo)
  6. 6. Sua Cara (Feat. Anitta & Pabllo Vittar)
  7. 7. Watch Out For This (Bumaye) (feat. Busy Signal, The Flexican & FS Green)
  8. 8. Powerful (Feat. Ellie Goulding)
  9. 9. Pon De Floor (Feat. Vybz Kartel)
  10. 10. Hold The Line (Feat. Mr Lex, Santigold)
  11. 11. Keep It Goin' Louder (Feat. Nina Sky, Ricky Blaze)
  12. 12. All My Love (Feat. Ariana Grande & Machel Montano) (Remix)
  13. 13. Original Don (Flosstradamus Remix)
  14. 14. Get Free (feat. Amber of Dirty Projectors)
  15. 15. Run Up (Feat. PARTYNEXTDOOR, Nicki Minaj)
  16. 16. Jah No Partial (Feat. Flux Pavillion)
  17. 17. Be Together (Feat. Wild Belle)
  18. 18. Bubble Butt (Feat. Bruno Mars, Tyga Mystic)
  19. 19. Jet Blue Jet (Feat. Leftside, GTA, Razz Biggy)
  20. 20. Come On To Me (Feat. Sean Paul)
  21. 21. Boom (Feat. MOTi, Ty Dolla Sign, Wizkid, Kranium)
  22. 22. OrkantBalance Pon It (Feat. Babes Wodumo, Taranchyla)
  23. 23. Loyal (Feat. Kizz Daniel, Kranium)
  24. 24. All My Life (Feat. Burna Boy)
  25. 25. Tied Up (Feat. Mr. Eazi, Raye, Jake Gosling)

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