laut.de-Kritik
Der Heilige Geist wohnt in dieser Frau.
Review von Dani Fromm"You Are Not Alone", versprach Mavis Staples mit ihrem letzten Album. Immer noch nicht: "One True Vine" setzt die fruchtbare Zusammenarbeit mit Wilcos Jeff Tweedy fort. Wieder findet sich neben Songs aus seiner Feder ("Every Step", "Jesus Wept", "One True Vine") erprobtes, bewährtes, teils auch längst traditionelles Material.
Mavis interpretiert mit "I Like The Things About Me" erneut eine Nummer ihres Vaters Roebuck 'Pops' Staples. "Far Celestial Love" stammt von Nick Lowe, "Can You Get To That" aus George Clintons Funkadelic-Fundus. Staples' Versionen lassen allerdings komplett vergessen, welch unterschiedliche Quellen ihr Repertoire speisen.
Ihre dunkle, warme, berückende Stimme füllt jede Nummer derart mit tiefster Seele, prallem Leben und endloser Liebe, dass daneben alles andere verblasst. Gospel-typischer Wechsel- und Backgroundgesang setzen Akzente und arbeiten so die ohnehin schon exponierte Stellung der Sängerin nur noch deutlicher heraus. Man kann gar nicht anders, als sich vertrauensvoll fallen zu lassen.
Sanft aufgefangen, umschmeichelt von dieser zeitlosen, großen Stimme landet man weich. Dabei bleibt Mavis Staples von Gefällig- oder gar Harmlosigkeit Dimensionen entfernt. Ihr Gesang spiegelt weit mehr als nur die Erfahrungen eines langen gelebten Lebens. Er wirkt vielmehr wie eine Zeitreise durch die Geschichte der schwarzen Musik zu ihren Wurzeln, von Spirituals und Gospel über Blues und Rhythm And Blues zu Soul, Funk und R'n'B.
Mavis Staples bewegt sich in der unerschütterlichen Gewissheit, Beistand von höchster Stelle zu erfahren: "My Lord, he knows me, every step of my way." Eine Überzeugung, die ganz offensichtlich Flügel verleiht. Drums, Piano, Bläser hier und da: alles hübsch, alles Nebensache. Die Stimme dagegen: ein Gottesgeschenk.
Egal, ob in erdigem Blues oder selbstvergessenem, trägem Walzertakt, zu schmissigem Groove oder bratzigem Bass, ganz gleich, ob eine dezente Akustische oder eine Country-taugliche Slidegitarre sie begleiten: Der Heilige Geist wohnt in dieser Frau und spricht aus ihr. Mavis Staples, die Verkörperung einer Mastress of Ceremony, steht unverrückbar im Mittelpunkt.
Ihr Gesang treibt das große Schwungrad an, das in "Sow Good Seeds" langsam, aber stetig Fahrt aufnimmt. Er kündet von der unermüdlichen Suche nach Gerechtigkeit und Erkenntnis, von der Liebe und dem Frieden des Herrn, höher als alle Vernunft. Um die Tröstlichkeit dieses Gedankens zu empfinden, muss man nicht glauben. Nur zuhören.
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