laut.de-Kritik
Die Abkehr vom Dance-Sound führt in eine wundersame Welt.
Review von Michael SchuhDas letzte Metronomy-Album "Nights Out" sei der Versuch gewesen, der kurzen Aufmerksamkeitsspanne der MP3-Generation zu begegnen, erzählte Songwriting-Chef Joseph Mount vor drei Jahren.
Diese Rezeptionstendenz hat sich seither ebenso wenig verändert wie Mounts Verdruss darüber. Das erklärt vielleicht, warum "The English Riviera" so komplett anders geraten ist als sein Vorgänger. Ja, warum es fast das Album einer komplett anderen Band sein könnte.
Vielleicht hatte der Alleingänger aber auch genug von den New Rave-Vergleichen, die ihn ständig mit Bands wie Klaxons und Foals in Verbindung brachten. Zu allem Übel setzten die auch noch weit mehr Alben ab.
Der Aufkleber "The follow up to the critically acclaimed 2008 album Nights Out", mit dem das Label nun das komplett informationsfreie "The English Riviera"-Cover bewirbt, sagt eigentlich alles. Platten, die "critically acclaimed", also von der Kritik geliebt wurden, gelten in der Regel als kommerzielle Flops. Sonst könnte man sie ja mit der hohen Chartsplatzierung bewerben.
Gleichzeitig verrät das pittoreske, unprätentiöse Cover einiges über das Selbstverständnis der Gruppe: 2011 geht es um Reduktion, um das Entledigen sämtlichen optischen und soundtechnischen Zierrats und um die Konzentration auf Wesentliches.
Dazu gehört seit Neuestem auch die Arbeit als Bandgefüge, wenngleich Mount die Kompositionszügel weiter fest in den Händen hält. Es sei kein politisches Signal, aber das Album solle "den Leuten zeigen, was man mit einem richtigen Studio alles machen kann, wenn man sich die Zeit dazu nimmt", erläuterte der bisher als Hinterzimmer-Frickler bekannte Metronomy-Chef.
Zeit nehmen, innehalten, reflektieren: Das Konzeptalbum über die Jugend des Mittzwanzigers im südwestenglischen Badeort Devon gerät zu einem Triumph stiller Pop-Melancholie, die zwar noch rudimentär auf den Grundlagen elektronischer Klangerzeugung basiert, ansonsten aber mit skelettartig funkelnden Funk-Grooves bezaubert.
Verwunderlich, welche Sogwirkung solch in sich gekehrte Songs wie "We Broke Free" oder das wunderbare, von Roxanne Clifford gesungene "Everything Goes My Way" entwickeln. Voluminöse Basslines, federnde Gitarren, schnörkelige Synthesizer, Wurlitzer-Wahnsinn und Handclap-Beats bilden die Grundstruktur dieses furchtbar infektiösen Popalbums.
Die Referenzpunkte reichen von Belle And Sebastian über Phoenix bis hin zu 70er Jahre Westcoast Pop à la ELO, was alleine schon spannend genug klingen sollte, in die Platte hineinzuhören.
Selbst wenn ungemein eingängige Songs wie "She Wants" oder "The Look" für sich gesehen Single-Hits werden könnten, sind sie doch elementarer Teil eines atmosphärischen Gesamtwerks, dessen Faszination den Sommer 2011 weit überdauern wird.
Es ist schwer vorstellbar, dass alte Fans den Dance-Ansatz der Gruppe auf "The English Riviera" vermissen werden, alleine weil Mount mit "Corinne" einen Song auffährt, der galant eine Brücke schlägt und auf dem Vorgänger zu den absoluten Highlights gezählt hätte. "The Bay" klingt dagegen wie ein Outtake von "Nights Out" und wirkt daher im Albumkontext eher als Fremdkörper.
Dennoch: "The English Riviera" ist Metronomys bisheriges Meisterstück, das mit Sicherheit nicht nur von der Kritik geliebt werden, sondern auch die Jahreshitlisten dominieren wird.
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