laut.de-Kritik
Eigenwilliger Senioren-Punk mit inbrünstigen Chören.
Review von Christoph DornerAm Montag Abend gratulierten Stevie Wonder, Elton John, Paul McCartney und Robbie Williams der Queen bei einem gigantischen Open-Air-Konzert in London zum 60. Thronjubiläum. Den großen Folk-Grantler Neil Young kann man sich bei einem solch royalistischen Pop-Spektakel weiß Gott nicht vorstellen, obwohl Königin Elisabeth II. nominell auch das Staatsoberhaupt seiner Heimat Kanada ist.
Und doch hat Neil Young der Queen mit der Veröffentlichung von "Americana", dem ersten Album mit seiner urwuchtigen Heimwerker-Truppe Crazy Horse seit dem etwas seltsamen Öko-Epos "Greendale" aus dem Jahr 2003, die Ehre erwiesen. Denn es enthält als letzten Song "God Save The Queen", nicht die Punk-Satire der Sex Pistols (die dieser Tage natürlich auch wiederveröffentlicht werden musste), sondern tatsächlich eine leicht veränderte Version der Nationalhymne Englands.
Das Booklet von "Americana" weist darauf hin, dass ihre Urform bereits im 18. Jahrhundert von britischen Siedlern in Nordamerika gesungen wurde, ehe die Vereinigten Staaten 1776 ihre "Declaration Of Independence" vorlegten. Wer am Ende des krachigem Festgesang genauer hinhört, kann außerdem eine Strophe des amerikanischen Patriotenliedes "My Country 'Tis of Thee" identifizieren, das auf der gleichen Melodie wie "God Save The Queen" basiert.
So viel Geschichtsunterricht ist natürlich Absicht, schließlich widmen sich Neil Young und Crazy Horse auf "Americana" ganz der reichen Folklore Amerikas. Sie spielen historisches Folk- und Country-Liedgut aus dem "Great American Songbook". Gassenhauer, die tief in das kollektive Bewusstsein der Nation eingebrannt sind: Arbeiter- und Protestlieder, Spirituals, Mörderballaden, blutige Geschichten über die Kolonialisierung des Westens. Und zwar wie eine schwer schnaufende, alte Dampflokomotive.
Neil Young hatte zuletzt schon mit "Le Noise" einen kargen, dröhnenden Brocken vorgelegt, nun klingt es fast, als sei er zurück in der Garage, wo sonst sein LincVolt steht. In "Oh Susanna", einem Klassiker des Folk-Rock, poltert die Band los, ein Chorsänger setzt aus Versehen zu früh ein, und Neil Young – scheinbar direkt mit dem ersten Take zufrieden – sagt am Ende der Aufnahme: "That's really funky. It goes into a good groove." Ja, das kann man tatsächlich so lassen.
Altersmilder Herrenrock sind diese elf Schuss aus der Donnerbüchse beileibe nicht. Dann schon eher eigenwilliger Senioren-Punk mit gnadenlos nach vorne gemischten Drums und inbrünstigen Chören, wenngleich hier Tradition natürlich nicht mutwillig zertrümmert wird. Vielmehr soll, im Hinblick auf die religiösen Fanatiker und Finanzspekulanten der Wallstreet durchaus mit politischer Intention, an America's Greatness und den langen, beschwerlichen Weg zur Freiheit erinnert werden.
Also schunkelt sich Neil Young etwas gemächlich durch "This Land Is Your Land", die Einigkeitshymne des großen Folk-Hobos Woody Guthrie. Er gibt an der akustischen Gitarre einen überzeugenden "Wayfarin' Stranger". Und er orientiert sich insbesondere mit den herrlich knurrigen, bisweilen mäandernden Rock-Versionen von "Clementine", "Tom Dooley" und "Jesus' Chariot" tendenziell an einem seiner Meilensteine: "Rust Never Sleeps" aus dem Jahr 1979.
Von einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung wurde der 66-jährige Neil Young vor kurzem gefragt, ob das Leben – in Anlehnung an Udo Jürgens – nun erst so richtig anfange. Young hat nur verächtlich mit dem Kopf geschüttelt.
16 Kommentare
Dem fundierten Kommentar stimme ich zu.
Eigenwillig war Neil schon immer, aber Senioren Punk ??? Seltsamer Ausdruck.
Udo Jürgens wird er wahrscheinlich nicht kennen.
Außer dem letzten Song (god shave the queen) sind die hervorragend bearbeiteten "Americanas" bei uns hier im alten Europa verständlicherweise nicht so gängig.
Jedenfalls merke ich, das Crazy Horse und Neil Young mit dem Ergebnis ihrer selbstgestellten Aufgabe sichtlich zufrieden sind.
Die Absicht ist sicherlich nicht, einen Bestseller vorzulegen.
Seine Musik, Ok Geschmackssache, aber seine Ausfälle wie beim Irak-Feldzug "Let ist roll" sind unverzeihlich. Ich halte ihn für einen Armleuchter.
Seine Musik, Ok Geschmackssache, aber seine Ausfälle wie beim Irak-Feldzug "Let ist roll" sind unverzeihlich. Ich halte ihn für einen Armleuchter.
völlig richtig, was der wal sagt, doc. youngs schräge patriotenphase war eher in den mittleren 80ern. wir haben aus der zeit ja das gruselige "a treasure" hier am start.
@topic: fand den vorgänger, le noise, deutlich runder und beeindruckender. das hier ist doch eher ne fingerübung f d alten....
... so isses !
... so isses !