Im Februar erschien ihr eher mildes Studioalbum "Open Wide". In Berlin gab die Band um Elijah Hewson nun einen neuen Ton an.
Berlin (jmb) - Es ist Samstagabend. Zwischen Vorband und Mainact führt die Crew in der Berliner Columbiahalle einen zweiten Soundcheck durch. Während der Wartezeit komme ich mit anderen Konzertgästen ins Gespräch. Heute spielen Inhaler, eine irische Indie-Band, die trotz einer frenetischen internationalen Fanbase hierzulande immer noch Geheimtipp-Charakter hat.
Eigentlich ist sie nicht alleine hier, erzählt die junge Frau neben mir und stellt sich vor. Leonie studiert in Berlin. "Meine Freunde warten hier schon seit fünf Uhr morgens", sagt sie. Auf so eine lange Wartezeit hat sie aber keine Lust gehabt – verständlich. Einen relativ guten Blick auf die Bühne hat man auch, wenn man, so wie ich, kurz vor knapp aufkreuzt. Einziges Manko: Vor uns stehen mehrere großgewachsene Kerle. Die gab es beim letzten Mal nicht.
Inhaler spielten zuletzt im Oktober 2023 in Berlin – am 7. Oktober, um genau zu sein. Von den schicksalshaften Ereignissen jenes Tages, die anderswo in der Welt passieren, ist an diesem Abend nichts zu spüren. Ganz anders reagiert Bono, Vater des Leadsängers Elijah Hewson: Bei einem U2-Konzert widmete er wenige Stunden nach den Ereignissen den Opfern des Terrorangriffs der Hamas den Song "Pride (In the Name of Love)".
Anders als bei U2 äußern sich Inhaler bislang jedoch nur selten zu politischen Themen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Überhaupt sind sie eine ganz andere Band – auch wenn der Sound der ersten beiden Studioalben verdächtig nah an den von Elijahs altem Herren rankommt.
Trotz etwas merkwürdiger Songtexte, etwa beim kryptischen Fan-Favoriten "My King Will Be Kind", überzeugten die vier Jungs aus Dublin bislang mit eingängigen Melodien, was ihnen unter anderem einen Platz im Vorprogramm von Pearl Jam und Harry Styles einbrachte. Dem aktuellen Album "Open Wide" fehlen jedoch die Ohrwürmer und der Drive.
Ein härterer Sound
Positiv überraschen Inhaler daher an diesem Samstagabend mit einer energetischen Show, die selbst den leblosen Nummern aus "Open Wide" neues Leben einhaucht. Zunächst heizen Blossoms die Halle als Support Act ein. Als Inhaler schließlich die Bühne betreten, geben sie ihren Eighties-Popsongs mit Hardrock- und Grunge-Elementen einen neuen Anstrich. Das gemütliche "Love Will Get You There" aus "Cuts & Bruises" spielen sie beispielsweise in einem deutlich schnelleren Tempo als in der Studioversion. "X-Ray" beginnt mit dem Intro von ABBAs "Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)" – am Ende des Songs setzt sich Elijah einen Cowboyhut auf, der von einem Fan auf die Bühne geworfen wird.
"This one is for One Direction"", sagt Elijah, bevor sie "Little Things" anstimmen. Gut möglich, dass Harry Styles im Backstage-Bereich abhängt – schließlich wird der ehemalige One-Direction-Sänger in den letzten Wochen regelmäßig in Berlin gesichtet.
Mehr Männer, weniger Lametta
Bei einer Q&A-Runde im Vorfeld des Konzerts beantworten Inhaler einige Fragen von Fans. Dabei verraten sie, dass sie sich vorstellen können, irgendwann nach Berlin zu ziehen. Wie ernst sie das meinen, sei jedoch dahingestellt – derzeit ist eher New York ihre zweite Heimat. Besagte Fragerunde offenbart auch, wer für die Songauswahl des Bühnenprogramms zuständig ist. Ryan (Schlagzeug) hat meistens das Sagen und sei ganz schön bestimmerisch, scherzen die anderen drei.
Die Setlist dieses Abends besteht hauptsächlich aus Songs der aktuellen Platte und dem Debüt "It Won't Always Be Like This". Album Nummer zwei ist mit drei Songs vertreten, darunter "Dublin in Ecstasy", bei dem grünes, weißes und oranges Licht den Bühnenhintergrund in die Farben der irischen Flagge hüllt. "I fucking hate that bitch", schreit das Publikum der sonst eher braven Band im Refrain von "My King Will Be Kind". Auf besonderen Wunsch der Berliner Fans ersetzen die Dubliner an diesem Abend das ursprünglich geplante "Totally" mit "In My Sleep", einem Song aus den Anfangstagen.
Seitdem hat sich einiges verändert. Inhaler treten selbstbewusster auf, im Vergleich zu dem Konzert vor zwei Jahren haben sie sich auch handwerklich noch um einiges gesteigert. Im Publikum finden sich auffällig weniger Federboas, Glitzer und Cowboyhüte. Außerdem ist es männlicher geworden und auch ein wenig älter. "Das sind wohl U2-Fans, die mal sehen wollen, was der Nachwuchs so macht", sagt Leonie. Ein bisschen Wehmut schwingt in der Publikumsanalyse mit. Die Zeiten, als Inhaler noch für "girls only" war, sind nun vorbei.
Setlist:
- Open Wide
- Dublin In Ecstasy
- Eddie In The Darkness
- In My Sleep
- A Question Of You
- When It Breaks
- Little Things
- The Charms
- Who's Your Money On? (Plastic House)
- My King Will Be Kind
- X-Ray
- Love Will Get You There
- Just to Keep You Satisfied
- My Honest Face
Zugabe:
- Billy (Yeah Yeah Yeah)
- It Won't Always Be Like This
- Your House
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