laut.de-Kritik
Nostalgisches Piratenradio aus Reggae, R&B und Hip-Hop.
Review von Ben Schiwek5 Pfund zahlte George Evelyn alias DJ E.A.S.E. alias Nightmares On Wax, als er noch lediglich George Evelyn war, für seine erste Lautsprecherbox. Er nannte sie liebevoll "Echo45" – und ab da folgte eine musikalische Reise für den jungen Evelyn, die ihn zu einer einflussreichen Figur des Downtempo und Trip Hop machte. Beides – sowohl Evelyns Status im Game als auch seine Liebe für Musik von Kindesbeinen an – hört man nun auf seinem neuen Album "Echo45 Sound System".
So begrüßt uns am Ende etwa Daddy G von Massive Attack und nennt DJ E.A.S.E. seinen Lieblings-DJ. Etliche andere Stimmen melden sich im Laufe des Albums zu Wort und shouten den NOW-Chef out. Dabei soll "Echo45 Sound System" aber gar nicht ihn, sondern Musik feiern. Streng genommen ist es auch kein Album, sondern ein Mixtape, und dieser Charakter wird direkt deutlich, insbesondere in der "Continuous-Mix"-Variante: Songs fließen ineinander über, alle von unterschiedlichen Stimmen gesungen, DJs funken dazwischen – hat etwas von einem Piratenradiosender.
Es ist eine Ode an die Soundsystem-Kultur und folglich widmet Nightmares On Wax sich hier oft Reggae und Dub. Diese Genres waren in seinen typischen verstoneten Grooves immer als Einfluss präsent, nun widmet Evelyn sich ihnen aber noch direkter. Der immer wiederkehrende Liam Bailey toastet, was das Zeug hält, während die Sängerinnen Sadie Walker, Haile Supreme und Greentea Peng einen R&B-Flavour versprühen. Insbesondere auf Tracks wie "Desire" verschmelzen die Stimmen da besonders schön, was den Vibe des Zusammenkommens, um die vereinende Kraft von Musik zu zelebrieren, unterstreicht.
Hip Hop darf auch nicht fehlen: Louis VIs präzise britische Aussprache kommt gut über das legere Instrumental von "Dive Into". Und auch Altmeister Yasiin Bey erlaubt sich auf "Bang Bien" einen Auftritt, wobei er aber das Spitten sein lässt und auf psychedelische Gesangs-Loops setzt.
Geschmackvolle Produktion riecht man bei DJ E.A.S.E. natürlich schon aus der Ferne. Das Intro, das wie ein Radio-Jingle fungiert, vereint eine schön klackende Snare mit Streichern, die so alt klingen, als könnten sie aus einem frühen Disney-Film stammen – die Nostalgie des Projekts ist direkt deutlich. "True" überzeugt mit einem überraschend metallisch, höhenreichen E-Bass, nicht so rund und warm, wie man es unter solchen alten Samples erwarten würde. Das späte Highlight "Holding On" hat einen wunderbaren Beat: Die Claps klingen wie eine Schreibmaschine, die Sample-Chops wechseln sich links und rechts ab, was dem Groove die Dynamik einer geschäftigen Stadt gibt – und dann legt sich Ladi6s Stimme smooth drüber.
Dass Nightmares On Wax all diese Leute und Stile versammelt, formt durch das Soundsystem-Mixtape-Konzept ein rundes Gesamtwerk, bei dem die Sounds auch alle gut zusammenpassen. Es kommen dabei nur leider einige Songs als etwas beliebig daher. Nett groovend, auch mal ganz catchy sind viele, aber nachhaltig packend nur wenige. Hooks und Akkordfolgen wie diese hat man in den Genres, denen auf dem Album gehuldigt wird, schon oft so gehört – Texte sowieso. Da fehlt ein bisschen die Persönlichkeit. Als Spätwerk ist es für Nightmares On Wax trotzdem eine schöne Geste an die Wurzeln.


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