laut.de-Kritik

Das Cardigans-Comeback kann ruhig noch warten.

Review von

"I'm a little worried that the worst has yet to come", befürchtete Nina Persson auf ihrem letzten Soloalbum "Colonia". Dabei hatte sie 2009 das Schlimmste schon lange hinter sich: Die Streitigkeiten mit ihren Cardigans-Kollegen, die ihr in den 90er Jahren sogar untersagt haben sollen, die Band zu verlassen, Alkohol-Abhängigkeit und die generelle Mittzwanziger-Sinnsuche.

Doch es wurde bald alles gut: Auf ihrem ersten Soloalbum unter dem Projektnamen A Camp vor auch schon wieder 13 Jahren, entsagte sie gemeinsam mit Musiker und Ehemann Nathan Larson dem glitzernden Popstarbetrieb um ihre Hauptband und ebnete mit dem spröden Americana-Album "A Camp" den Weg zurück zu einer Cardigans-Zukunft, die im großartigen Spätwerk "Long Gone Before Daylight" (2003) gipfelte.

Die Frage, ob "Animal Heart" nun den Weg zu einem weiteren Cardigans-Album ebnen könnte (das allerdings nicht geplant sei, wie alle Beteiligten beteuern), ist überraschenderweise so unwichtig wie nie zuvor. Denn Perssons erstes Soloalbum unter eigenem Namen ist nicht mehr nur netter Zeitvertreib, sondern so beeindruckend geraten, dass bald vielleicht ihre männlichen Bandkollegen in eine Sinnkrise geraten.

Gleich die beinahe etwas eindimensionale 80s-Single "Animal Heart" verneigt sich spätestens im Refrain vor güldener Popseligkeit à la "Gran Turismo", bevor es "Burning Bridges For Fuel" mit den größten Cardigans-Balladen aufnimmt ("Communication", "Feathers And Down"). Viel Kontemplation entspringt dabei den Zeilen "You've got to lose to need it / you've got to hurt to feel it / let it go like a balloon", die vielleicht auch die Unsicherheit der frischgebackenen Mutter bezüglich ihres Berufsstandes widerspiegeln.

Doch Persson hält die Zügel sicherer in der Hand denn je: Der Refrain von "Dreaming Of Houses" könnte von jedem Cardigans-Album stammen und auch der federleichte Glockenspiel-Pop "Food For The Beast" empfiehlt sich als kommende Single. Weitere Höhepunkte sind der Dreampop-Soul in "The Grand Destruction Game", die elegische Walzer-Etüde "Silver Like The Moon" und der wahnwitzige Schlusspunkt "This Is Heavy Metal", der auch aus Freddie Mercurys Feder stammen könnte - es handelt sich um eine Klavierballade!

Zum gelungenen Gesamteindruck trägt auch die ausgewogene Produktion von Larson und Eric D. Johnson (The Shins) bei, dank der einige Details erst nach mehrmaligem Hören auffallen. Perssons Sparklehorse/Danger Mouse-Kollabo "Dark Night Of The Soul" sickert dabei deutlicher ins "Animal Heart"-Soundbild, als manchen Gitarrenfans lieb sein dürfte.

"So you might just forget about me now", singt Nina an einer Stelle. Mit solch einem Album eigentlich nicht möglich.

Trackliste

  1. 1. Animal Heart
  2. 2. Burning Bridges For Fuel
  3. 3. Dreaming Of Houses
  4. 4. Clip Your Wings
  5. 5. Jungle
  6. 6. Food For The Beast
  7. 7. Digestiv
  8. 8. Forgot To Tell You
  9. 9. Catch Me Cryin'
  10. 10. The Grand Destruction Game
  11. 11. Silver Like The Moon
  12. 12. This Is Heavy Metal

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13 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Hab es mir jetzt paar mal angehört und schließe mich weitgehend der allgemeinen Meinung an. Die Stimme ist echt toll, aber die meisten Songs geben mir nichts (ausgenommen "Dreaming of Houses"). Irgendwie schade, denn in der Regel gefällt mir solche Musik.

  • Vor 10 Jahren

    Nein, kein einziger Song von ANIMAL HEART kann es "mit den größten Cardigans-Balladen" aufnehmen. LONG GONE BEFORE DAYLIGHT bleibt unerreicht. Ich freu mich trotzdem aufs Konzert am Sonntag! Vielleicht "covert" sie ja den einen oder anderen Übersong von den Cardigans. Und Übersong ist das Stichwort. Mir fehlt ein süchtigmachender Song, den ich wie NO SLEEP oder FEATHERS AND DOWN in Endlosschleife hören möchte. AH ist ja nicht schlecht, aber ohne jeden Gänsehaut-Moment.

  • Vor 10 Jahren

    Die Stimme ist schön wie eh und je. Die Arrangements gefällig, die Melodien ganz nett. Dennoch will nicht so recht Begeisterung bei mir aufkommen.
    Völlig überrascht im negativen Sinne, war ich, als ich Frau Persson neulich im Frühstücksfernsehen gesehen habe: Das Gesicht eine einzige mit Botox lahm gespritzte Maske. Bäh.