laut.de-Kritik
Funk, Rap, House und, ja doch, Jazz.
Review von Dani FrommWenn abseits seiner eigenen Platten eine Mundharmonika so klingt, als würde sie von Stevie Wonder höchstpersönlich geblasen, liegt man mit der Vermutung, es sei ein brauchbarer Imitator am Werk, meist gar nicht so falsch. Auf dem Album einer außerhalb ihrer Heimat mäßig bekannten französischen Combo rechnet man mit einem Auftritt des großen Meisters doch eher nicht.
Fehler! NoJazz warten mit einer ausgesprochen eindrucksvollen Gästeliste auf. Nach ihrem erfolgreichen Debüt von 2002 knüpften sie Kontakte ins Umfeld von Earth, Wind & Fire: Maurice White und sein langjähriger Partner Wayne Vaughn (aus den Reihen von Brothers Johnson) samt Ehefrau und Töchtern leisten zu "Have Fun" ebenso ihren Beitrag wie Snoop Doggs musikalischer Leiter, Turntablist Terrace Martin.
Der Name der Truppe ist mit Sicherheit nicht Programm, statt dessen ist Eklektizismus angesagt. Elektronische Klänge, Soul, Funk, der ein oder andere Rap, afrikanische Rhythmen, mal beim House, mal beim Drum'n'Bass entliehene Beats, Flamenco, Gesang und immer wieder jazzige Bläserparts verbinden sich zu einer Mischung, die über weite Strecken des Albums gutgelaunten Session-Charakter hat. So hört sich beispielsweise "Boogaloo" (bei dem doch tatsächlich Leon Haywood seine Finger im Spiel hat) mit ploppendem Bass an, als sei es original in einem verrauchten Jazzkeller eingespielt worden. Trompeten- und Saxophonsoli verstärken diesen Eindruck noch, bevor das Stück zu einer Swingnummer mutiert.
Für "Flamingo" greifen NoJazz - der Titel lässt es ahnen - auf die Dienste des Flamencogitarristen Louis Winsberg zurück. Sein Instrument dominiert den ansonsten mit dicken Bässen und den charakteristischen Bläsern aufgepeppten Track. Karen Briggs Violine sorgt für den klagenden Einstieg in "Akosua", in dem sich Sitarklänge und Jazz vor elektronisch konstruiertem, jungle-lastigem Hintergrund begegnen. Afrika grüßt aus "El Negro Zumbon"; hier stören die Jazzeinschübe die kraftvollen Vibes des Schwarzen Kontinents allerdings eher, als dass sie ihnen helfen. "What kind of beat is this?" fragt Rapper Snowcap 1 in "Waka" berechtigterweise; Wendi und Wyann Vaughn liefern den kieksigen Gegenpart zu seiner markanten Stimme. Auch in "Nobody Else" sind die Damen Vaughn mit von der Partie; die restlichen Vocals dieser hübschen Schnulze, die problemlos zum angenehmen Ausklang eines Soul-Abends taugt, trägt Mr. Earth, Wind & Fire, Maurice White bei.
Nach reichlich Gefrickel mit Improvisationscharakter in "Charlie Gets Wicked" wird es ruhiger. Langgezogene Trompetentöne lullen den Hörer von "One Note" sachte ein; nicht neu, aber angenehm. "The Bridge" führt mit immer noch verhaltenem, aber doch wieder erkennbarem Rhythmus und ausgedehnten Saxophonpassagen zurück in den Wachzustand, bei "Jump" ist die Dynamik vom Beginn des Albums wieder zu spüren. Noch einmal tritt das komplette Staraufgebot (inklusive Mundharmonika) in "Kool" an, bevor die Worte des 2004 verstorbenen Chansonniers Claude Nougaro NoJazz' mittlerweile drittes Werk abrunden.
Der unbestritten enthaltene Spaß wird allerdings durch die extrem glatte Produktion erheblich getrübt: eine Krankheit, an der auch die Stevie Wonder- und Earth, Wind & Fire-Veröffentlichungen der jüngsten Vergangenheit laborieren. Ecken und Kanten werden abgeschliffen und auf Hochglanz poliert, das Dreckige, das den Reiz alter Funk-Stücke ausmacht, geht dabei vollkommen verloren. Schade. Dennoch, merke: Wenn eine Mundharmonika erschallt, die klingt, als würde sie von Stevie Wonder höchstpersönlich geblasen, dann liegt es eben manchmal doch daran, dass dem einfach so ist.
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