laut.de-Kritik
Weiche Schale, harter Kern.
Review von Yan VogelNach dem Ende des vierteiligen Album-Zyklus gipfelnd in "Diluvium" widmet sich Steffen Kummerer, Herz, Hirn und Hintern von Obscura, einem neuen Album-übergreifenden Thema. "A Valediction" ist der Start einer Trilogie und zum Fäuste recken, Hirn verknoten und Haare schütteln zugleich geeignet. Dabei folgt das Kollektiv der kompakten Marschroute des Vorgängers. "A Valediction" gerät somit weniger ausufernd als noch "Akróasis".
Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Diesem Motto folgend erscheint Obscuras neue Schlachtplatte bei einem neuen Label. Produzent Fredrik Nordström gibt auf "A Valediction" seinen Einstand für das Landshuter Abrisskommando und liefert eine dynamische wie druckvolle Klangarbeit ab. Zusätzlich wechselt die Band den Artwork-Künstler, was die Aufbruchstimmung unterstreicht. Eliran Kantor, der auch für das Cover der Helloween-Reunion-Scheibe verantwortlich zeichnet, bringt die Dialektik des Daseins auf die Leinwand. In warmen Farben gehalten, verkörpert der eingepferchte und zusammengekauerte Tropf viel Leid und Verzweiflung.
"Orbital Elements II" unterstreicht musikalisch den Ansatz des Loslassens und des Neubeginn. Die Rückkehrer Christian Münzer und Jeroene Paul Thesseling waren bereits 2007 am Start. Entsprechend kredenzt das Quartett einen fulminanten instrumentalen Nachfolger zu Teil 1. Die Akkorde entlehnt die Band dem Original nur um im weiteren Verlauf einen Judas Priest-Part einzuflechten, was bei der Stilistik und Virtuosität von Obscura fast schon einem Augenzwinkern gleichkommt, gleichwohl als Hommage an die Helden der Jugend zu verstehen ist.
Gerade die Causa Linus Klausenitzer hat für Aufregung gesorgt, trat der Bassist auf den beiden Vorgängern doch auch kompositorisch immer mehr in den Vordergrund. Sein Beitrag gehört nun der Vergangenheit an. Thesseling (Ex-Pestilence), dessen Fretless-Langholz einer Langstreckenrakete gleicht, ist auch ein alter Bekannter, versiert und mit einem tollen Gespür für die tieftönende Verbindung der bahnbrechenden Riffs gesegnet.
Weiche Schale, harter Kern: die Klammer des Albums - sprich die erste und letzte Minute - bilden zarte Akustik Gitarren, wohlgemerkt gespickt mit zahlreichen Optionstönen. Dazwischen regiert die Marschroute 'Knüppel aus dem Sack mit chirurgischer Präzision'.
Die Mischung aus Death Metal, progressiven Parts und klassischem Metal gestaltet die Band äußerst ausgewogen. "When Stars Collide" bauen Kummerer und Co. nah am Melodic Death im Stile von Soilwork, und tatsächlich erhebt deren Fronter Björn 'Speed' Strid in diesem fantastischen Song seine klare Stimme, die er verstärkt bei The Night Flight Orchestra unterbringt. Wovon sich Kummerer nahezu gänzlich verabschiedet hat, sind die spacigen Sci Fi-Synths à la Cynic sowie deren beliebter Vocoder-Einsatz.
Die neoklassischen Shredding-Soli klingen, als würde Malmsteen der Lichtgeschwindigkeit trotzen. Dennoch wirft das Gitarren-Gespann Münzer/Kummerer ausreichend melodische Anker aus, um nicht in den Skalen-Qualen verloren zu gehen.
"Solaris" brettert extrem schnell und mit der technischen Finesse eines Doktoranden im Ingenieurwesen durch die Kopfhörer. Wenn die irrwitzig schnelle Doublebass von David Diepold den Solopart kommentiert und mit den Gitarren-Läufen konkurriert, stellt das die Obergrenze des Spiel- wie Hörbaren dar. In eine ähnlich speedige Kerbe schlagen "The Neuromancer" und "In Adversity", jedes Stück auf seine Art und Weise. "The Neuromancer" bedient brachial die Old School-Fraktion, während "In Adversity" modernen Math-Exkursen zugeneigt ist.
Strophe und Refrain des Titeltracks sind dagegen im Midtempo gehalten, und die Akustik Gitarren illustrieren die sanfte Schwermut des Songs förmlich. "Devoured Usurper" hingegen zieht dich direkt in die Schwerze mit einer Schwere und Dichte, die auf den ersten Höreindruck überfordert. Auf diese dunkle Seite muss man sich erst einlassen, um sie vollends zu genießen.
"In Unity" vollzieht den Schulterschluss mit so räudigem wie rassiermesserscharfem Black Metal und reißt alles weg, was nicht Nieten und Nagelfest ist. Mit "Heritage" überrascht die Band am Ende in Form eines ätherisch-elegischen Abgesangs. Nach dem schwindelerregenden freien Fall der vorherigen 45 Minuten ist dies der ideale Track, um wieder in die Umlaufbahn des Alltags einzutreten.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ei, die haben schwer nachgelassen.
Sehe ich anders, ist eine Steigerung zu den letzten beiden Alben. Christian Münzners Rückkehr tut der Band sehr gut. Vor allem "Forsaken" hat es mir angetan. Erinnert mich von der Art her an "Septuagint", ohne es dabei stumpf zu kopieren.
Ich hab ehrlicherweise nur den Vergleich zu der Cosmogenesis Platte, dagegen klingt das vorliegende wie ne andere Band. Aber gut, wem's gefällt...