laut.de-Kritik
Hätten sie nur das Drehbuch gelesen!
Review von Sven KabelitzPanik lässt seine Augen schier bersten. Seine Bewegungen wirken fahrig, die Haare zerzaust, sein Anzug chaotisch. "Pink", ist alles, was er sagt, als er das Klo des Kinos betritt, in dem ich stehe und mir meine Hände wasche. In einem Kino, in dem sich gut die Hälfte der Menschen wie auf einer Comic Con in Uniform geworfen haben. Nur, dass sie kein Sternenflottenabzeichen tragen, sondern Barbies Lieblingsfarbe. "Pink", antworte ich entschieden. Er lässt ein verzweifeltes "Pink" folgen. Ich: "Pink." Er: "Pink." Mir bleibt nur ein letztes tröstendes "Pink", bevor er sich in den hinteren Teil der Lokalität begibt. Dieser Mann mag vielleicht die schärfsten Gerichte essen, die schwersten Gewichte stemmen, doch Barbie hat ihn gebrochen.
Alle Diskussionen über diesen Film finden sich in diesem Gespräch wieder: vom zeitweise schon überhöhten Loblied auf den Feminismus, von dem Greta Gerwigs Film tatsächlich in America Ferreras Rede einiges in sich trägt und wovon die letzten Minuten des Films allerdings wieder deutlich abweichen, bis hin zur krassen Erkenntnis, dass Mattel damit ja nur Verkäufe fördern möchte. Ach, was! "Von Barbie-Figuren bleibt am Ende nur Plastikmüll", schreit der Mitfünfziger und zieht seine liebste Dylan-LP aus der imposanten Plattensammlung. Während er zufrieden auf seine sicher hinter Glas verstaute Lego-Star Wars-Sammlung schaut, lauscht er den nuschelnden Klängen.
Geschickt stellt der Film die Fragen, die man zu Barbie ohnehin stellen würde, attackiert die Figur sogar und macht sich so fast unangreifbar. Die Welt mag einem noch so sehr die Laune verderben, "Barbie" hellt sie wieder auf. Wegen dem Abstrusen. Dem Durchgeknallten. Wegen Kate McKinnon, Margot Robbie, Ncuti Gatwa, Michael Cera, America Ferrera, Rhea Perlman, Will Ferrell und Emma Mackey. Der Film macht gute Laune und bleibt dabei bei weitem kein flaches Promotool. Daher: Team Barbie.
In diesem Umfeld funktionieren die Songs von "Barbie: The Album" exzellent. Getrennt vom Film sieht dies schnell anders aus. Gerwig mischt in ihre Barbie-Version vielleicht kein Schwarz, aber eine ordentliche Portion Dunkelblau. Produzent Mark Ronson dagegen bleibt beim pursten Pink. Seine Puppe wirkt leblos. Die Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Ironie und Abfeiern gelingt nicht. Zu viele der auf knackige Spotify-Länge gebrachten Tracks kommen nicht über die Qualität eines Jingles hinaus. Zu viel bleibt Auftragsarbeit.
Oft liegt das Problem sogar tiefer, widerspricht das Album der Message des Films komplett. Wo der Streifen Barbie einen Charakter und eine Entwicklung abseits ihres Aussehens schenkt, wo er uns sagt, dass wir alle Barbie sein können, reduzieren viele der Künstler:innen die Figur wieder auf das Klischee, für das sie über Jahrzehnte kritisiert wurde. Ihr bleibt nur ihr Aussehen, ihre tollen Klamotten und das hübsche Haus. Mehr hat Barbie in den Stücken oft nicht zu bieten.
Lizzos "Pink" zeigt den Unterschied zwischen Film und Album sehr deutlich. Sich musikalisch stark an Lionel Richies "All Night Long" orientierend, ohne dieses schlicht zu kopieren, lautet die Hauptaussage des Songs: "Hey, Barbie, she's so cool." Alles Party, alles schön, alles gut und unterhaltsam. Den zweiten, deutlich düsterer ausgefallenen Teil des Stücks lässt der Soundtrack einfach unter den Tisch fallen. Den Hörer:innen des Albums soll es nicht wie der stereotypischen Barbie im Film ergehen. Lasst sie bloß nicht ins Grübeln kommen!
Wenn sich in der Disco-Hymne "Man I Am" Sam Smith als Retter:in der echten Männer ausgibt, birgt das nicht nur eine herrlich mehrschichtige Ironie. Vielmehr gehört Smith wohl auch zu den wenigen Menschen, die vorher das Drehbuch gelesen, den Film gesehen oder sich sonstwie Gedanken zu der Handlung gemacht haben. Das Lied spiegelt Kens Wandlung vom Sidekick zum missglückten Alphatier: "I'm the groove catcha, hottest thing / six pack and tight G-string", gnarzt Smith. "No, I'm not gay, bro / but I've been on that lay low."
Obwohl sich nur wenige Songs direkt um Ken drehen, nimmt sich "Barbie: The Album" viel mehr Zeit für seine Entwicklung. Ryan Gosslings ausuferndes "I'm Just Ken" (3:43 Minuten) zeigt nach "Man I Am" den verzweifelten Ken, der aus einer Welt ausbrechen möchte, in der er nur dann einen guten Tag hat, wenn Barbie ihn sieht. Den verletzten Ken, der sich wegen seiner Unsicherheit ins Patriarchat stürzt. Obwohl er eigentlich nur die Pferde mag. Hier gibt es Gefühle, wenn auch stark ironisch gebrochen. Irgendwo zwischen Queen-Rockoper und "Starlight Express" singt Gosling von Slash und Wolfgang Van Halen begleitet: "I'm just Ken / Anywhere else I'd be a 10."
Letztlich muss wieder einmal Billie Eilish das Plastik aus dem Feuer holen. Sie schenkt Barbie in der seelenvollen Pianoballade ein Herz, indem sie ihres mit ihr teilt. Nachdem sich "I used to float / now I just fall down / I used to know / but I'm not sure now" noch auf den Film bezieht, lässt sie Puppe und Sängerin zu einer Person verschmelzen. "Takin' a drive / I was an ideal / Looked so alive, turns out I'm not real / Just somethin' you paid for / What was I made for?", haucht sie, nahe am Mikro. Der emotionale Höhepunkt des Longplayers.
Wie viel sich im Hause Mattel gewandelt hat, zeigt sich in Ice Spices und Nicki Minajs "Barbie World"-Schnipsel. Verklagte das Unternehmen in den 1990ern Aqua noch für das hier gesampelte "Barbie Girl", rappen Spice und Minaj heute munter: "I told Tae bring the Bob Dylan out / That pussy so cold, we just chillin' out / They be yellin', yellin', ye-yellin' out / It's Barbie, bitch, if you still in doubt." So ändern sich die Zeiten.
Dua Lipas Disco-Track "Dance The Night" wirkt wie eine uninspirierte Verlängerung ihres "Future Nostalgia"-Albums. Charli XCXs deutlich Richtung Toni Basils "Mickey" schielendes "Speed Drive" fällt da weitaus gelungener aus, macht seinem Namen alle Ehre. Dennoch bleibt genug Zeit, um Barbie neben Voltaire, Van Gogh und Devon Lee Carlson zu setzen. Tame Impalas "Journey To The Real World" badet im "The Never Ending Story" von Giorgio Moroder, ohne wirklich einen Eindruck zu hinterlassen.
Einen gelungenen Ausreißer stellt Karol Gs mit Aldo Ranks aufgenommener Reggaeton-Track "Watiti" dar. In "Butterfly" greift Gayle tatsächlich zu Basslauf und Refrain des vor über zwanzig Jahren schon schlimmen Crazy Town-Hits, bastelt daraus irgendwas, das wohl nach Punk klingen soll. Ein Track, so gruselig wie eh und je. Kann das bitte weg?
Die Pop-Illusion auf "Barbie: The Album" versteckt ihren Glamour hinter Satire. Ein Barbie-Album, das Barbie nur selten an sich heranlässt, das die Figur vielmehr meist mit hektischer Ironie und Satire von sich wegdrückt. Bis auf Eilishs "What Was I Made For?" ähnelt die Halbwertszeit der Stücke in etwa der eines laut.de-Textes. Dennoch kann man ihnen nicht absprechen, immer dann, wenn es nicht (wie etwa in Ava Max' "Choose Your Figther") entsetzlich nervt, Spaß zu machen. Außerdem ist es fraglos pink.
3 Kommentare mit 74 Antworten
Hage, de Barbe!
Ich wünschte, in all den Frontendiskussionen, die kaum etwas mit dem Film zu tun haben, wäre Platz dafür, mal ganz dramaturgisch auf den Film zu gucken. Und da sehe ich in den ersten 20 Minuten einen ganz bezaubernd eingerichteten, charmanten Gute-Laune-Streifen. Danach interessiert sich das Drehbuch einen Scheiß für seine Figuren. Sie tun das, was das Drehbuch von ihnen verlangt - eigene Motivationen haben sie nicht mehr. Und weil wir die Figuren nicht kennenlernen, habe ich keine Sympathien für sie, und kann weder mit noch über sie lachen. Eigentlich das kleine Einmaleins der Comedy.
Geschnitten und geschrieben ist der Film ab dann wie ein Nachmittags-TV-Film von Disney. Komplett unmotivierter, lustloser Durchschnitt. Ich gehe davon aus, in ein paar Wochen wird man sich um das Bohei drumherum, aber gar nicht mehr an den Film erinnert haben.
Insofern ist der Soundtrack der Passende für einen komplett durchschnittlichen Film. Nicht gut, nicht schlecht - er ist einfach da.
Genau wie du!
Tut mir Leid, Ragi, war nicht ernst gemeint. Ich bin sicher, du kannst verstehen, dass ich diese Steilvorlage nicht ungenutzt lassen konnte.
Diesmal hab ich nicht damit gerechnet. Chapeau, und no harm done
Figuren machen, was das Drehbuch von ihnen verlangt?
sven, literaturstudierende der sorte "ambitioniert, aber nichts zu erzählen habend und daher zu ewgiem epigonentum verdammt" glauben gerne, dass geschichten aus den motivationen und überzeugungen der darin vorkommenden figuren erwachsen sollten.
Die sind ja ulkig.
Ja. Eine Figur bewegt sich nicht von A nach B, weil sie eine klare innere Motivation hat, sondern weil das Drehbuch sagt: Figur ist jetzt in Situation B.
Beispiel im Film: Barbie möchte ein Mensch werden. Wir sahen, wie sie ausschließlich grausame Erfahrungen in der Menschenwelt machte, und sie bekam keinen Moment, in dem sie von irgendeinen Vorzug des Menschseins erfährt. Barbie möchte also ein Mensch werden, weil das Drehbuch das so sagt.
Kann sein, daß ich zu dem Zeitpunkt schon was verpasst hatte. Aber es gab vorher zahlreiche solche Momente von solchem lahmen Storytelling, wegen derer ich allmählich innerlich abschaltete
Schwingli, Schätzchen, das trifft tatsächlich auf die meisten bekannten und geschätzten Geschichten seit Jahrtausenden zu. Ist nun wirklich ein alter Hut, und nicht Literaturstudenten vorbehalten.
Sie hat die Freundschaft zu Gloria und ihrer Tochter erfahren. Die alte Frau an der Bushaltestelle. Ja, auch viel schlechtes. Aber in das alte zweidimensionale Leben mag sie eben auch nicht mehr zurück. Das ist ihr nach all dem nicht mehr genug. Abenteuer!
Ich hatte viel Spaß, du nicht so. Vollkommen legitim. Aber wenn er mir nicht gefallen hätte, würde das auch da oben stehen. Ganz ohne Fronten.
Hab den Film nicht gesehen, aber deine Kritik weist einige Parallelen zu Wolfgang M. Schmitts Analyse auf.
Wolfi, bist du's, Junge?
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Oh, richtig. Hatte das fast vergessen. Vielleicht, weil Barbie kein Moment vergönnt war, das innerlich zu realisieren, oder wem davon mitzuteilen. Vielleicht war es so geplant wie Du es interpretierst, aber ist halt kacke erzählt.
Ein anderes Beispiel wäre das kleine Mädchen, das Barbie zuerst hasst, und dann ganz plötzlich liebt. Der Film ist voll von sowas. Es gibt auch kaum Interaktionen, kaum Dialoge, sondern vor allem Exposition, Monologe, Erklärungen. Als jemand, der gerne mit irgendetwas oder jemandem mitfühlt, der zumindest einen Hauch von Träumen, Wünschen, Wollen sehen will, fühlte ich mich hier innerlich ähnlich tot wie bei den Star-Wars-Prequels.
Neeee, ich will auch nicht das Faß aufmachen, der Film habe Dir gefallen, weil Du auf einer Seite der Front stehst. Meine ich null. Es ist wie Du sagst: Dir hat er gefallen, mir gar nicht. Alles gut!
Tooli, ne Wolfgang mag ich oft gar nicht. Hier lag er ganz richtig, aber mich interessieren Dramaturgie und Erzählung viel mehr als das Politisch-Analytische
Ja, same, also was das übergeordnete Interesse an Dramaturgie und Erzählung betrifft. Finde seinen (bisweilen etwas kleinlich wirkenden) Analyse-Ansatz trotzdem meistens ziemlich erfrischend, gerade, wenn es um solche vermeintlich unantastbaren Kindheitsglorien wie "König der Löwen" geht; kann gar nicht intensiv genug ausdrücken, wie sehr mir sein rant ggü diesem Scheißfilm reingeht.
Musste halt auch in der Grundschule, als einziger Schwarzkopf, immer "Scar" spielen.
Der Klassenkamerad, der damals immer "Simba" war, blonder Aaron Carter-Verschnitt mit Topffrisur und Lehrerliebling, ist heute Polizist.
Da hat sich einiges aufgestaut, und Wolfi hat mir irgednwie zum ersten Mal diese Art von kartoffeliger Absolution gegeben, von wegen, "siehste: du lagst die ganze Zeit gar nicht so falsch mit deinen diffusen Abgrenzungsgedanken, jetzt kommt der Akademiker und bestätigt dir das wohlausgedrückt!"
"Beispiel im Film: Barbie möchte ein Mensch werden. Wir sahen, wie sie ausschließlich grausame Erfahrungen in der Menschenwelt machte, und sie bekam keinen Moment, in dem sie von irgendeinen Vorzug des Menschseins erfährt. Barbie möchte also ein Mensch werden, weil das Drehbuch das so sagt."
Das Motivationen immer hundert Prozent logisch nachvollziehbar und frei von Widersprüchen sein müssen ist eine sehr sterile Sichtweise.
Ach, danke für den Tipp! Ich meine, ich hänge nicht besonders am Film, aber mag den König der Löwen schon ganz gerne. Bin neugierig, wie Wolfgang den zerlegt! Ich gehe zwar nicht immer mit bei ihm (zuletzt z.B. Indiana Jones, wo er seine Perspektive bis zur Sinnlosigkeit überdehnte), aber oft sind wirklich gute Nuggets dabei!
Wurdeste gezwungen, den Scar zu spielen?! Brutalst. Muß auch schon ne Genugtuung sein, wenn dieser Simba-Penner jetzt so nen typischen Vorzeigebürger-Loserjob wie Polizist verrichtet.
Caps: Logisch oder frei von Widersprüchen meine ich gar nicht. Ich will miterleben, sehen können, wie sie entstehen. Ein kurzer Moment zwischendurch, gerade vor einer großen Entscheidung. Sonst wird es halt random. Wenn ich nicht involviert sein soll, dann bin ichs auch nicht.
Glaube, das wäre weniger ein Problem, wenn es wirklich mehr ein Film aus der Kinderperspektive wäre. Kleine Kinder erzählen halt so: "Und dann..., und dann..., und dann...". So charmant und bezaubernd ist der Film aber nur am Anfang erzählt, und wird dann ganz schnell ein Erwachsenenfilm. Der halt leider ein Niveau von so nem typischen TV-Film bekommt. Wirklich gut bleibt am Ende nur das Set-Design, mMn.
Was heißt "gezwungen"... in der peer group, zu der ich mich damals zugehörig fühlen wollte, hat sich das halt "naturalisiert".
Weil, wer soll auch sonst der Outcast sein, wenn nicht der mit den eh herausstehenden wie abzugrenzenden Merkmalen, der Migrant aus dem Scheidungshaushalt und der mit der Mutter geteilten Einzimmerbude, dessen Mutter immer erstmal in gebrochenem Deutsch fragen muss, was eigentlich "festes Schuhwerk" als Bedingung für den Klassenausflug bedeutet, etc.
Hat für genug Spott und Häme gesorgt, und ich war zwar in dem Haufen der "beliebten Kids" am Start, aber immer als Wurmfortsatz stisend.
Das ist zwar eine oft bemühte Boomerfloskel, aber Kinder können grausam sein, ist wirklich so.
tl;dr: ich wurde zu nix im eigentlichen Sinne "gezwungen", aber es gibt auch ne Menge Definitionen von "Zwang".
Das mit den Definitionen ist obv BS, aber es gibt ne Menge Arten, wie Zwang ausgeübt/ausgelebt werden kann, das wollte ich eig sagen.
Sophie Passmann feiert den Film als Meilenstein der Emanzipation.
(lass ich mal so stehen)
Finde es btw stark (ja, ich refreshe den Faden im Minutentakt), wie du dich gemausert hast, @Karsten/AirBaeron/Scientologe etc.
Hab dich bei deiner Ankunft hier wirklich krass gehated, aber glaube mittlerweile, dass du eigentlich ein ziemlich okayer Dude bist. Und das klassistische Busfahrerding war damals auch von meiner Seite aus eigentlich ein krasses No-Go, dafür würde ich mich gerne bei dir entschuldigen.
Ach, scheiße, so auf die Art ist das gelaufen. Props und danke, daß Du davon erzahlst, Tooli! Zwang ist vielleicht nicht ganz treffend, aber sowas ergibt sich natürlich. Manche Kinder spielen immer Gefangener, andere die Polizisten. Ist zwar n Boomer-Spruch, aber er ist eben auch wegen der Boomer wahr. Kinder wiederholen und interpretieren das, was sie bei ihren Eltern und im Umfeld sehen, auf eine viel direktere Weise. Zumindest einer der Faktoren. Also ja, Kinder können grausam sein. Unsereins wird immerhin unwahrscheinlicher Polizist
Sophie Passmann... Wer war das noch gleich...? Ja, lassen wir das besser mal so stehen, und seufzen einfach.
Team Barbie. Als Barbie die Mutter und Tochter kennenlernt, wurde die Erzählung dann etwas offensichtlicher und der Intepretationsspielraum schrumpfte etwas, dennoch ein fantastischer Film mit toller Produktion und insbesondere Gosling hat so abgeliefert, dass man sich dann auch nicht wundern muss, wenn dafür die Nominierungen reinkommen.
Vllt. möchte man insgesammt ein wenig zu viel Zeitgeist reinstecken, es ist trotzdem einfach beeindruckend, was letztlich aus der Themaktik Barbie rausgeholt wurde.
"Und das klassistische Busfahrerding war damals auch von meiner Seite aus eigentlich ein krasses No-Go, dafür würde ich mich gerne bei dir entschuldigen."
Oh bester tooli, wie tief bist Du gefallen...
Das sagst du jetzt, aber käme endlich mal DIE ENTSCHULDIGUNG für die ganze Spätzlesprüche hättest du mindestens ne Träne im Knopfloch
Gosling hing mir eigentlich längst zum Hals heraus mit seinen ewig gleichen Blicken, seinem stoischen, fats ausdruckslosen Schauspiel. Bei Blade Runner 2049 hatte das noch blendend gepasst, aber sonst langweilte er mich nur.
"The Nice Guys" ist einer meiner Lieblingsfilme mit ihm. Eine wirklich exzellente Komödie, die erzählerisch in einer ganz anderen Galaxie spielt als jetzt Barbie. Weil er jetzt aber zur Abwechslung wieder eine Komödie gemacht hat, hat er sowieso Gummipunkte bei mir.
Ja, er war sehr gut in Barbie. Natürlich kommt aber ein ABER: Eine gute Performance in einem Film ist für mich wie Sahne auf dem Eiskaffee. Sie veredelt, machts besser - aber tragen kann sie den Rest nicht. Tragen kann einen Film für mich nur ein gutes Drehbuch mit starken Dialogen, inspirierte Einstellungen, gutes Timing bei den Schnitten und Plot Points, einfühlsame Entscheidungen bei Sound und Musik. So erst fühle ich Charme, Witz, Liebe - all die unbestimmbare Magie von Filmen.
"Barbie" ist mir ganz schnell zu meta, zu unpersönlich, zu ungeduldig, zu schludrig, um Charme zu versprühen. Aber hab ich schon längst erzählt. Für all das kann Gosling überhaupt nix - er hats sehr gut gemacht. Nominierungen sehe ich aber wirklich nicht. Vielleicht Publikums-Awards. Das Drehbuch gab seiner Rolle aber wahrscheinlich nicht genug Facetten, um Jurys zu beeindrucken.
Ich hatte Spaß mit Barbie, kann aber Ragis Kritik daran nachvollziehen. Aber vielleicht ist der Film als popkulturelles Statement, das auch 13-Jährige mitschreien können, wichtiger als wenn er wirklich subversiv geworden wäre.
Ich picke mir hier mal einen Punkt raus, der mich wirklich interessiert und auch stört. Auch auf die Gefahr hin, da dann vielleicht sehr alleine mit dazustehen, aber:
Warum dieser Polizisten-Hate? Was macht diesen Beruf zum "Loser-Job"?
Ist mir aus verschiedenen Gründen wichtig. Einer ist, dass ich es drastisch anders sehe: Ich halte diesen Beruf (neben vielen anderen) für ganz essentiell für unsere / eine Gesellschaft, finde, dass er drastisch unterbezahlt ist und es viel zu wenige und zu wenig unterschiedliche Menschen gibt, die ihn ausüben.
Ich würde mich also freuen, wenn "ihr" Polizisten wärt. UND der Aaron Carter auch!
Sorry, komplett off topic, aber ist mir ein Anliegen.
@Duri: Da halte ich es sehr widersprüchlich. Ich sehe Deinen Punkt, und hatte auch gute Erfahrungen mit Polizisten gemacht. Für viele ihrer Aufgaben bin ich ihnen dankbar. Und ich finde auch, sie werden mies bezahlt, haben furchtbare Arbeitsbedingungen usw. Wäre extrem inkonsequent als Linker, das nicht anzuerkennen.
Und andererseits zieht dieser Job halt rücksichtslose Schlägertypen an, die in der BRD fast null Konsequenzen für ihre Handlungen befürchten müssen. Nazis werden gedeckt, auf Linke wird Jagd gemacht, Menschen anderer Hautfarbe werden verfolgt oder sterben mysteriöserweise in Polizeigewahrsam... Die Liste ist ewig lang. Und in der Hinsicht kann ich nur meinen ganzen Haß für den Berufsstand ausdrücken, bis sich hier ENDLICH mal etwas ändert. Kritik darf und muß gerne überzogen sein, denn im Allgemeinen sind die Menschen obrigkeitshörige Stiefellecker, die Polizisten für unfehlbare Heilge halten. Leider sehen das die meisten Richter ebenfalls so.
Polizei als Institution zum Erhalt der Machtverhältnisse durch die Ausübung mythischer Gewalt ist etwas grundsätzlich Problematisches. Nun kann mensch abhängig davon, ob er die Motivation oder die Wirkung als den die ethischen Implikationen konstituierenden Faktor sieht oder wie er diese gegeneinander Gewicht, auch durchaus Polizisten grundsätzlich haten.
Duri, das fällt mir jetzt nicht leicht, aber einer muss es wohl thematisieren:
Du wurdest erfolgreich indoktriniert und kompromittierst dich gerade selbst mit einem Schreibstil wie ein angepasstes Schlaf- und Systemschaf der Prä-Corona-Kategorie. Das ist wahrscheinlich nicht deine Schuld und das geht leider auch sehr vielen Psychotherapeut*innen (in Ausbildung) genauso wie dir. Es ist ein schleichender Prozess und irgendwann drischt mensch plötzlich Phrasen wie du in deinem letzten Beitrag. Die vielfältigen Gründe hierfür zusammenzutragen würde den Rahmen dieser Intervention sprengen, aber für den Moment ist erst mal wichtig, dass du verstehst, dass du nicht alleine in dieser Situation bist, dass es Möglichkeiten gibt, die eigenen zu unkritischen Fehlansichten bzgl. der Polizei in der Form, wie sie (in Deutschland) existiert, und ihrem Beitrag zur Funktion einer gegebenen Gesellschaft kognitiv umzustrukturieren, respektive zu korrigieren und schließlich, dass es niemals zu spät dafür ist ebendiesen Prozess erstmals bei sich selbst zu initiieren.
Da gefällt mir ja eine Antwort besser, als die andere!
Glaube schon, dass wir jeweils in Dyaden, evtl. sogar alle 4 zumindest auf einen kleinen gemeinsamen Nenner kommen könnten, aber verstehe schon auch, dass es wahrscheinlich jeden Rahmen sprengen würde.
Für den Moment reicht mir absolut aus, dass bereits eine Einschränkung, bzw. Spezifizierung vorgenommen wurde in Polizei als Institution und Polizistinnen und Polizisten, die den Job atm teils auf gruselige bis menschenverachtende Art fehlinterpretieren und dann aber auch die Macht haben, ihn entsprechend auszuüben.
Die Alternativen zur Polizei in Schland in ihrer aktuellen Form (Soul), bzw. zur verhassten Polizei im Allgemeinen (CAPS), die euch so vorschweben, würden mich allerdings schon brennend interessieren.
Das theoretische Faß wollte ich nicht aufmachen, aber Pseudinund Caps habens schon sehr gut umrissen ♥
Um mal konkret zu benennen, was sich z.B. schleunigst ändern muß: Es DARF der Polizei grundsätzlich nicht überlassen werden, gegen sich selbst zu ermitteln. "Internal Affairs" haben sich ja schon im Ausland als nicht ausreichend erwiesen, aber hierzulande gibt es nicht mal in der Hinsicht eine halbwegs ähnlich starke Ermittlungsbehörde. Die MUSS schleunigst geschaffen werden, damit der Rechtsstaat auch für Polizisten gilt.
Gibt's in deiner Gegend keinen politischen Lese- und Diskussionskreis für solche Fragestellungen?
Eine Exekutive, die weder Bremsspuren noch fertig geschissene Haufen stolz und schützend in der eigenen Unterhose mit sich trägt, wäre aus meiner Sicht ein Anfang. Sich wissenschaftlich-analytisch der Fragestellung zu nähern, warum die Exekutive (nicht nur in Deutschland) so viele Menschen beruflich anzieht, die nicht so viel von Pohygiene und täglichem Unterwäschewechsel halten, ist eher Feld meines Bruders. Aufbauend auf solchen Untersuchungen die Exekutive in absoluten Zahlen attraktiver für Menschen machen, die richtig was vom Arsch abwischen und Wäschekreislauf verstehen, ebenfalls. Um sie mir nacheinander zu schicken und sie in 60-90 Sitzungen von dieser Analfixation zu lösen praktiziere ich nicht mehr lange genug auf diesem Kontinent oder Planet.
@Tooli… danke nehm ich gerne an.
Aber nix für ungut, habe ja genug Angriffsflächen geboten.
Craze hat mich einfach viel zu hart defloriert damals.
Meine Reaktionen darauf waren dann natürlich dankbares Futter
Heute, 6 (7? gar 8?) Jahre später schaut man fassungslos auf soziale mediale Auswüchse und sehnt sich fast schon danach mal wieder richtig mies von ein paar Altvorderen auf einer Online Musikseite beleidigt zu werden.
Über Alternativen können und sollten wir natürlich reden, aber das lenkt vorerst vom eigentlichen Thema ab. Jede Polizei dieser Welt ist mit der Aufgabe betraut die Gesetzes des eigenen Staates durchzusetzen und jeder Staat dieser Welt wurde durch die Ausübung von Gewalt erschaffen. Manche mögen mehr Partizipation erlauben oder ihren Bürgern glauben machen, dass sie das täten, aber schlussendlich liegt im Fundament immer ein mit Gewalt oktroyiertes System, zu dem keiner der von jenem beherrschten Menschen eine Wahlmöglichkeit hatte.
Und selbst für den Fall, dass wir eine radikaldemokratisch ausgehandelte Gesellschaft mit perfekten Gesetzen hätten und eine perfekte Durchsetzung dieser Gesetze garantieren könnten, würde das dennoch nicht den Einsatz von Gewalt moralisch legitimieren. Denn es bleibt fraglich, ob Gewalt an sich überhaupt moralisch gut sein kann.
Schon alleine deshalb könnte jeder Mensch die bloße Existenz von Polizei kritisch sehen. Und das machen ja auch viele Menschen zu allen Zeiten der Menschheit (vor der institionalisierung als Polizei waren es natürlich andere Gruppen oder Individuen wie Heere, Millizen, Steuereintreiber und weitere. Aber stets wird vor der Gesetzlosigkeit gewarnt, die es ohne Polizei gäbe, vor der Gewalt, vor dem Recht des Stärkeren. Dabei kommen diese Warnungen fast immer vom Stärkeren, der die Macht hat. Nicht beherrschte Gemeinschaften in der Gesellschaft sind selten, bzw es gibt verschiedene Grade von Beherrschung und Machtakkumulation. Ein Interessantes Beispiel ist Island, dass sehr demokratisch und sehr frei war und erst sehr spät Polizei etablierte. Tatsächlich wurde die Polizei dort erst ab 1933 staatlich organisiert, aus Angst vor einem kommunistischen Umsturz. Die ersten kommunal eingesetzten Polizisten gab es erst ende des 19. Jahrhunderts. Vorher ist das Land nicht in Verbrechen und Gewalt erstickt.
Ich persönlich jedenfalls brauche keine Polizei um mich davon abzuhalten, anderen Menschen aktiv zu schaden. Und solange jeder genug zum angenehm Leben hat, brauchen 99,9% aller Menschen die Polizei nicht dafür.
Mensch Pseudo, ich lese und diskutiere halt gern mal hier und fast am liebsten von und mit dir!
Und da sehe ich: Du hast jetzt andere Worte gewählt, als ich, aber im Kern doch wohl dasselbe gemeint, als Du schriebst, der Job müsse attraktiver (für bestimmte Menschen) gemacht werden. Oder reden wir da jetzt aneinander vorbei?
Und Rage: Auch mit den Punkten, die Du jetzt inhaltlich so vorbringst, stimme ich auf jeden Fall überein. Sie richten sich aber ja gegen die Institution in ihrer aktuellen Form, bzw. gegen einzelne Aspekte, die tatsächlich dringend zu verbessern sind.
Es kann ja auch sein, dass ich von Anfang an was falsch verstanden habe, daher fasse ich nochmal zusammen, wie es sich für mich darstellt:
Es gibt das Konstrukt "Polizei" im Ganzen, dass in vielen Aspekten verbessert gehört.
Es gibt Menschen, die dort arbeiten und sich scheiße verhalten.
Und es gibt Menschen (davon bin ich tatsächlich noch immer überzeugt ), die dort arbeiten und sich so gut verhalten, wie es eben in diesem Rahmen geht, die möglicherweise sogar selbst ähnliche Kritikpunkte sehen, wie wir gerade.
Wenn man nun sowas schreibt wie "Vorzeigebürger-Loserjob wie Polizist", dann wird man letzteren einerseits nicht gerecht.
Andererseits trägt das auch nicht so sehr dazu bei, dass der Job für Leute attraktiver wird, von denen wir uns wünschen, dass mehr von ihnen dort arbeiten (auch wenn das jetzt natürlich Pseudos und mein Punkt war und ich nicht sicher sagen kann, ob Du dem zustimmst, Rage).
Caps, Du hast geschrieben, während ich schrieb, allerdings (natürlich ) schneller!
Die grundsätzlichen Überlegungen, die Du darstellst, plus das Island-Beispiel, finde ich äußerst ansprechend. Ich möchte gar sagen utopisch
Allerdings fehlt mir zu Island da ganz offenbar Wissen, das ich mir gern draufpacken würde beizeiten.
Bis dahin kann ich nur sagen: Ich würde ebenfalls davon ausgehen, dass ich es irgendwie ganz gut eigenständig hinkriegen würde, keinen Mitmenschen zu schaden.
Gleichzeitig freue ich mich doch sehr, die 110 wählen zu können, wenn andere Menschen sich, naja, anders verhalten
Das "eigentliche Thema" war im Übrigen aus meiner Sicht von Beginn an zunächst mal die pauschale Abwertung von Personen, die bei der Polizei arbeiten, die mit der von mir oben zitierten Aussage von Rage einher geht / gehen kann (bin mir gerade nicht mehr so sicher, wie er es ursprünglich gemeint hat).
Allerdings habe ich das zu Anfang wahrscheinlich auch nicht klar genug ausformuliert, sorry.
Ah geh, Duri.
Welpenschutz ist halt vorbei, du bist mitten im Trainingsprogramm vom Stufe 0-Fake zum vollwertigen laut.de Kommentarspalten-muppet mit ganz eigenem character! Bin echt gespannt, ob dir ein ähnlicher Durchmarsch gelingen wird wie seinerzeit dem seligen rnorpho, für den der Großkahn der Kähne, lautuser himself, das geflügelte Wort mit dem "ganz eigenen character" überhaupt erst aus der Taufe hob - dabei wie immer legendär firstmovend und locker shit lässig weiter durch die Hose geatmet, sollte klar sein.
Na, das werte ich doch mal als ein sehr ausführliches und bisschen verklausuliertes "stimmt schon, Bro"
"Das "eigentliche Thema" war im Übrigen aus meiner Sicht von Beginn an zunächst mal die pauschale Abwertung von Personen, die bei der Polizei arbeiten, die mit der von mir oben zitierten Aussage von Rage einher geht / gehen kann (bin mir gerade nicht mehr so sicher, wie er es ursprünglich gemeint hat)."
Nun gut, da passt Loserjob aber auch irgendwie. Denn entweder fängt mensch das an, weil mensch für Menschen und Gesellschaft "Freund und Helfer" sein will und dann ob dieser utopischen Vorstellung mindestens etwas Desillusionierung ertragen muss und diese hehre Ziel nie erreichen kann (=Loser), oder weil mensch geil auf Macht ist (=Loser). Aber gut, das ist weit hergeholt und persönlich hasse ich auch nur die Uniform und nicht den Menschen darin aus Prinzip.
"Die grundsätzlichen Überlegungen, die Du darstellst, plus das Island-Beispiel, finde ich äußerst ansprechend. Ich möchte gar sagen utopisch
Allerdings fehlt mir zu Island da ganz offenbar Wissen, das ich mir gern draufpacken würde beizeiten."
Können wir das noch utopisch nennen, wenn es doch einfach die Realität war? Polizei ist eine moderne Idee, und vor dieser modernen Idee gab es bereits Zivilisation und Rechtsprechung.
"Gleichzeitig freue ich mich doch sehr, die 110 wählen zu können, wenn andere Menschen sich, naja, anders verhalten "
Zugegebenermaßen ist das recht praktisch, allerdings nur wenn du die richtige Hautfarbe hast. Oder das richtige Geschlecht. Oder den richtigen Kontostand. Oder die richtige Religion. (Nicht alles nur auf Deutschland bezogen)
Und über welches Fehlverhalten reden wir hier im speziellen?
Es fällt mir zugegebenmaßen wirklich schwer, da ohne Emotionen in das Thema einzusteigen. Kann ich auch nicht. Alles (semi-)analytische wurde ja auch von meinen Vorrednern schon gesagt, deshalb anekdotisches: als (linker) Migrant in Sachsen habe ich, und das meine ich so, AUSSCHLIESZLICH schlechte Erfahrungen mit Team Green gemacht. Das geht von Hausdurchsuchung an meinem elften Geburtstag (die nicht zufällig an diesem Datum stattfand, da bleibe ich Schwurbler), über alltägliche Schikanen wie ständige "verdachtsunabhängige" Personenkontrollen über straight up Bedrohungen im Nazijargon ("Euch Zecken kriegen wir sowieso noch!") bis hin zu beobachteten willkürlichen Gewalttaten. Einmal hat ein Twelvepack voller BFEs am Connewitzer Kreuz, dem damaligen hotspot der linken Szene in Leipzig, einen besoffen-herumpöbelnden Punker ins Auto gezogen, so richtig geheimdienstmäßig, ihm während der Fahrt paar Zähne rausgeschlagen und dann nen Kilometer weiter aus dem fahrenden Auto geworfen.
Und sowas alles wurde von uns NIE angezeigt, weil, wofür auch. Schneidest du dir eh nur ins eigene Fleisch mit, verurteilt wird sowieso niemand von den Pigs.
Ein guter Freund von mir, Iraker, damals U17 Nationalmannschaft im Rugby, der sich wirklich wehren konnte, wurde monatelang von Nazis bedroht. Schon als seine Familie ihr Haus gebaut hat, in Meusdorf, Endhaltestellenstadtteil und faschoverseucht ohne Ende, wurden da ständig Hakenkreuze etc. an die Baustelle geschmiert. Als ihm eines Tages nach der Schule, er ist gerade aus der Bahn ausgestiegen, zwei Faschos, mit Zaunlatten bewaffnet, aufgelauert sind, hat er sie mit Pfeffer und seinem Teleskopschlagstock abgewehren können, bevor er den halben Kilometer nachhause sprinten konnte. Als seine Mutter, die liebe, Gott hab sie selig, dann leider die scheiß Bullen angerufen hat, weil sie völlig aufgelöst und ratlos war, kam dann mal nach ner Dreiviertelstunde so ein Schnauzbärtiger Walrossalman vorbei, und hat als allererstes eine Anzeige gegen meinen Homes aufgenommen, weil "an Totschläger?! Nah, sie wissen aber schon, dass der illegal ist???"
Für uns kam es, auch davor schon, überhaupt NIE in Frage, die 110 zu wählen, egal, wegen was.
Kommen, wenn überhaupt, zu spät, und wenn, dann dürfen wir uns erstmal rechtfertigen. So war es und so ist es für meine kleinen Geschwister, die leider zT immer noch im Sachsensumpf leben müssen, immer noch.
In dem Zusammenhang empfehle ich diese beiden Tracks, die fassen meinen etwas virulenten Rant pointierter zusammen:
Audio88 - Cottbus
https://www.youtube.com/watch?v=yVgj8nSmIuE
Ilhan44 - Schwarz
https://www.youtube.com/watch?v=DYkK8-SfE6c
@CAPS:
Also diese "Loserjob"-Wortwahl jetzt mit anderen Bedeutungsebenen zu retten halte ich wahrlich nicht für legitim an dieser Stelle. Bezeichnest Du ja auch selbst schon als weit hergeholt, daher warte ich einfach mal ab, ob Rage dazu noch was erwidert (würde mich freuen!).
Ad "Utopie": Ich kann nicht so recht glauben, dass das wirklich so gewesen sein soll, lasse mich aber gern (!) belehren, falls Du eine Quelle hast.
Habe jetzt kurz Wiki quer gelesen und dort gesehen, dass es durchaus zumindest in Reykjavik schon 1780 oder so paar Jungs gab, die nachts mit Morgenstern für Ordnung sorgen sollten.
Dass in den anderen Teilen der Insel, in denen wahrscheinlich unglaublich wenige Menschen in landwirtschaftlichem Settings gelebt haben, deshalb keine "Polizei" existiert hat, weil alle genug hatten und deshalb stets friedlich waren (so habe ich oben deine 99Prozentvermutung gelesen) - davon gehst Du nicht wirklich aus, oder? Die werden einander genau so Gewalt angetan haben, wie es Menschen seit jeher tun. Nur eben ganz ohne oder mit Selbstjustiz, meinst Du nicht?
Bei welchem Verhalten ich die 110 rufen möchte? Na zB bei genau dem, was metoolica beschreibt.
Dass dort die Polizei offenbar aber genau so sehr Täter ist, wie andere Verbrecher, das ist wirklich schockierend und schrecklich und da tut es mir sehr, sehr leid, wenn ich irgendwo den Eindruck erweckt haben sollte, ich wolle sowas in irgendeiner Form gutheißen oder wegdiskutieren
Ich fände es btw naise, wenn solche Ereignisse, wie das von mir geschilderte, nicht ständig als "schockierend" wahrgenommen werden würden.
Also für Unbedarfte wirkt das vllt schockierend, aber das impliziert für mich irgendwie auch immer, dass das sowas "außergewöhnliches" sei, das ja *sonst* so nicht passiert- und das stimmt halt nicht, solche Ereignisse sind für sehr sehr viele Menschen in diesem Land täglich die Realität.
Ok, für die eigene Wahrnehmung kann mensch oft nicht so viel - ich fände es gut, wenn solche Ereignisse nicht als "schockierend" rezipiert werden. Das hat für mich diesen BILD-Vibe, a la, "HASSverbrechen in Sonneberg - wie konnte es nur so weit kommen?" Bitch, jede*r, wo die letzten 30 Jahre nicht unter einem Stein verbracht hat, wird dir in sehr einfachen Worten erklären können, wie es dazu kommen konnte, und wieso das überhaupt die finale Konsequenz aus einer absehbaren Entwicklung ist. Und außerdem schreibst du für die BILD und hast diese Entwicklung damit doch selbst über Jahrzehnte befeuert, hier ist übrigens mein Kofferraum, beug' dich doch mal vor und schau genau rein...
Da kann ich sehr gut mitgehen und danke dir für das genaue lesen, wo ich ungenau geschrieben habe!
Selbstverständlich ist "schockierend" ein schlechter Begriff und beschreibt zwar die Intensität meines Gefühls (stark), aber nicht so richtig gut die Qualität.
Die wäre eher so eine Mischung aus wütend und traurig.
Danke ♥
"Ad "Utopie": Ich kann nicht so recht glauben, dass das wirklich so gewesen sein soll, lasse mich aber gern (!) belehren, falls Du eine Quelle hast.
Habe jetzt kurz Wiki quer gelesen und dort gesehen, dass es durchaus zumindest in Reykjavik schon 1780 oder so paar Jungs gab, die nachts mit Morgenstern für Ordnung sorgen sollten.
Dass in den anderen Teilen der Insel, in denen wahrscheinlich unglaublich wenige Menschen in landwirtschaftlichem Settings gelebt haben, deshalb keine "Polizei" existiert hat, weil alle genug hatten und deshalb stets friedlich waren (so habe ich oben deine 99Prozentvermutung gelesen) - davon gehst Du nicht wirklich aus, oder? Die werden einander genau so Gewalt angetan haben, wie es Menschen seit jeher tun. Nur eben ganz ohne oder mit Selbstjustiz, meinst Du nicht?"
Naja, bei Wikipedia steht auch, dass die in erster Linie damit betraut waren, das Gefängnis zu bewachen. Das gab es schon vor der Polizei, was auch einen entscheidenen Punkt mit sich trägt, den ich bereits angeschnitten hatte und der sich in deiner Antwort auch wiederfinden lässt. Ohne Polizei kommt es zu "Selbstjustiz". Aber die Polizei ist eben keine Justiz. Justiz und einen Rechtsstaat kann es auch ohne Polizei geben. Oder kannst du mir eine Funktion der Polizei nennen, die zwingend notwendig ist, um Justiz zu haben?
Und andernorts, wo es erst später Polizei gab, gab es sicherlich auch Menschen, die anderen "Gewalt angetan haben, wie es Menschen seit jeher tun". Und genau das ist der auch ein wichtiger Punkt. Glaubst du, dass diese Gewalt nicht geschehen wäre, wenn es dort in 5km Entfernung eine Polizeidienststelle gegeben hätte? Heutzutage gibt es immer noch Verbrechen und viele Untersuchungen zeigen, das weder mehr Polizei noch härtere Strafen dafür sorgen, dass das weniger wird.
Meine 99,9%-Vermutung beinhaltete noch einen wichtigen Teil, nämlich das alle frei von sozialen und materiellen Existenzsorgen sind, das heißt auch Obdach haben, Gesundheitsversorgung, Nahrung und Hygiene. Denke du wirst auch wohl kaum abstreiten, wie sehr soziale Benachteiligung und Verbrechen zusammenhängen, zumindest gibt es dazu auch genug Untersuchungsergebnisse, dass dem eigentlich kein vernünftiger und ehrlicher Mensch widerspricht. Und ja, ich denke, dass wenn das sich ändert, das aufhört, dann sind 99,9% der Menschen keine Gefahr.
Die restlichen 0,1% können wir, wenn sie Gewalt ausüben, natürlich nicht davonkommen lassen. Aber brauchen wir dafür Polizei? Wir brauchen Gerichte, und in manchen Fällen brauchen wir Ermittler, aber die müssen nicht bewaffnet und omnipotent sein. Die müssen für das Gericht herausfinden, wer ein Verbrechen begangen hat. Und wir brauchen als letzten Notanker eine Vollzugsbehörde, die Angeklagte dem Gericht zuführt, wenn sie nicht freiwillig kommen und Verurteilte bewacht, während im Gefängnis versucht wird zu verhindern, dass sich der Gewaltakt, der die Täter reinbrachte, sich wiederholt. Der ganze Rest hat meiner Meinung nach höchstens geringe Vorteile für das Allgemeinwohl und nicht geringe Nachteile.
"Bei welchem Verhalten ich die 110 rufen möchte? Na zB bei genau dem, was metoolica beschreibt."
Selbst wenn die Polizei in dem Fall das richtige getan hätte und perfekt gewesen wäre, wäre zu keinem Zeitpunkt notwendig gewesen, dass diese Menschen bewaffnet und mit Gewaltmonopol rumlaufen dürfen.
... und es hätte auch, weder davor, noch danach, irgendwas geholfen, davon mal ab.
Wurde an anderer Stelle schon beantwortet in der Zwischenzeit, und da scheinen sich alle erfreulich einig zu sein. Wie schon angedeutet, schmähe ich den Beruf "Polizist" vor allem deswegen, weil erfahrungsgemäß die erschlagende Mehrheit eben diese Götzenanbetung für den Berufsstand betreibt. Ist vielleicht Trotz an der Stelle, aber daß es auch darüberliegende theoretische Gründe gibt, den Job zu verachten, wurde hier ebenfalls angerissen.
An der Stelle lebe ich sehr gerne mit den Widersprüchen. Ich verachte Polizisten, wenn ich sie sehe, weil ich mit potenziell gewalttätigen, unberechenbaren Schlägertrupps nichts anfangen kann. Und wenn mir ein hilfsbereiter Beamter begegnet, werde ich ihm grundsätzlich so freundlich begegnen wie jedem anderen Zeitgenossen auch. Nach meiner Erfahrung erspart man sich so nicht nur eine Menge Ärger (berufsbedingt wird ihnen oft nicht freundlich begegnet, und da wirkt ein halbwegs menschliches Wort oft schon Wunder), sondern als Linker will ich auch anerkennen, daß da vor allem im Streifendienst oft überarbeitete, schlecht bezahlte Zeitgenossen stehen.
Habe das schon mal erwähnt, aber ich habe eine enorme Bewunderung für Pasolini. Bei den Studentenprotesten von Bologna in den 70ern wurde er gefragt, auf welcher Seite er stehe. Er antwortete schnell und typisch provokant, er sei selbstverständlich auf der Seite der Polizisten. Er könne wenig mit Kindern reicher Eltern anfangen, die sich ein paar zusätzliche Privilegien erkämpfen wollen. Dafür habe er ein Herz für Polizisten, denn er kam aus einer sehr armen Stadt, in der man nur entweder arm und kriminell oder arm und Polizist werden konnte. Sie verdienten kaum Geld, und als Linker fühlte er sich stets solidarisch mit denen, die systematisch benachteiligt werden.
Mit anderen Worten: Ihn interessierte der Mensch unter der Uniform, der auf gewisse Weise ebenso um seine Existenz zu kämpfen habe wie z.B. heute ein Paketbote.
Leute, dieser Austausch von Ideen, Haltungen und Gedanken zu einem wirklich schwierigen Thema erfreut mich sehr, das möchte ich an dieser Stelle erstmal sagen.
Strengt mich auch sehr an, das kann ich nicht verhehlen, aber das bewerte ich erstmal positiv.
Von daher erstmal Danke dafür - finde ich ganz bemerkenswert, dass wir in der Art hier diskutieren können, ohne dass gleich wer die (Internet-) Polizei rufen muss
Ich würde gerne mindestens einmal noch ausführlicher inhaltlich auf die letzten beiden Kommentare antworten, aber jetzt ist der Tag erstmal zu voll.
Hoffe, das am Abend oder im Laufe des Wochenendes hinzukriegen!
Das ist nur fair. Insbesondere muss ich eingestehen, dass ich sehr lange gebraucht habe, um zu diesem punkt in der entwicklung meiner Einstellung zu dem Thema zu kommen. Früher glaubte ich auch an das von Kleinkindheit eingetrichterte Bild von Polizei, den Verbrechensbekämpfern, den Freunden und den Helfern, den inhärent Guten. Und auch wenn dieses Bild früh anfing zu bröckeln, war ich doch noch lange im Team schlechte Äpfel, gute Äpfel. Erst als ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt habe, um für mich zu entscheiden, was ich von 1312 halten soll, bin ich auf dieser sehr radikalen Position gelandet. Eine Leseempfehlung zu dem Thema möchte ich dir noch an die Hand geben: Walter Benjamin - Zur Kritik der Gewalt
Alternativ auch Jacques Derrida - Gesetzeskraft, der "mystische Grund der Autorität"
Heiße Luft, so flüssig wie Kristall. Ich lese Proust, Camus und Derrida. Mein Schwanz so lang wie ein Aal, deine Mudda so dick wie ein...
Nur kurz zum "theoretischen" Teil (braucht es Polizei?), über den ich sicherlich nicht genug nachgedacht habe: spontan würde ich sagen, dass es mir schon sinnvoll erscheint, Macht bzw. deren Ausübung (demokratisch/rechtsstaatlich) zu legitimieren, sprich: unabhängige Gerichte statt Selbstjustiz, demokratisch gewählte Parlamente statt irgendwer-macht-die Regeln, wie das bei der Exekutive ist, weiß ich gerade nicht so genau. Bei sich selbst kontrollierenden Bürgern denke ich schnell an Bürgerwehren. Da ist mir die Polizei vermutlich lieber. Vielleicht kaue ich bei "der Theorie" aber gerade auch nur das nach, was ich gelernt habe.
Aber eins scheint mir auch klar: Waffenträger scheinen mir insoweit im Alltag entbehrlich. Die Autorität sollte bei der Polizei schon woanders herkommen als von der Kanone. Dazu fällt mir ein, wie schlimm ich es fand, als bei einem Prag-Besuch vor vielen, vielen Jahren überall Polizisten mit Maschinenpistolen rumliefen. Echt gruselig. Mein Sicherheitsgefühl vermindert sich durch so etwas extrem.
Aus der Justizpraxis: gibt halt solche und solche, wie immer. Es gibt Polizisten, die so etwas wie Beschuldigtenrechte (Schweigerecht, Recht, Anwalt hinzuzuziehen etc.) echt verinnerlicht haben und hoch halten, mögen diese Rechte auch die Ermittlungen "behindern". Und es gibt (wenige) solche, die absolut einseitig ermitteln, täuschen, drohen, Akten fälschen etc. Alles schon erlebt.
Ein ganz großes Problem ist der fehlgeleite Zusammengehörigkeitsgedanke, der falsche Korpsgeist bei der Polizei: Fehlverhalten wird gedeckt, wer es meldet, ist der böse Verräter, der ab dann gemieden wird usw. Das ist sehr ausgeprägt und negativer Ausfluss der Tatsache, dass die nachvollziehbarerweise im Team arbeiten und es schwierig ist, ein Teammitglied im anderen Kontext anzugehen. Gearbeitet wird an diesem Problem, indem andere Dienststellen mit den Ermittlungen betraut werden. Da ist aber noch sehr viel Luft nach oben.
Rechtswissenschaftlich befasst sich damit vor allem Singelnstein. Da gibt es im bösen Netz durchaus interessante Beiträge.
Z-Z-Z-Zu viel Hitze im Tiefkühlfach! Zu viel Hitze hält dich in Schach...
Der Korpsgeist ist ein guter Punkt.
Ich war ja früher auch so ein "snitches geht stitches" lOyAliTäT üBeR aLlEs-Trottel. Aber dann wurde ich 20 und hab gemerkt, dass man manche Taten lieber verurteilen sollte, als zwingend einem Freiersohn den Rücken zu decken.
Naja, ist bei der Bullerey sicher nochmal schwieriger, aber ist ja auch nicht so, als würde man sich diese Probleme mit Anheften der Dienstmarke nicht selbst aussuchen.
Potzblitz, ihr seid aber auch echt so fucking belesen, gebildet und schlau, dass ich euch am liebsten gleich adoptieren oder zumindest heiraten möchte!
Zudem komme ich mir dann im Umkehrschluss natürlich tendenziell auch eher bisschen dumm, naiv und sonstwas vor
Welches der genannten Werke, bzw. welchen Autor (sind alles Männer, nehme ich an?) sollte ich denn nun in jedem Fall lesen, um die hier vertretenen, radikalen Standpunkte gegen eine Institution "Polizei" per se theoretisch besser verstehen zu können? Das von Benjamin?
So oder so wird mir im Verlauf der Diskussion immer klarer, dass ihr schon sehr gute Gründe habt / vorbringen könnt, um "die Polizei" ziemlich scheiße zu finden.
Bei den theoretischen seid ihr mir meilenweit voraus, eh schon klar.
Was die anekdotischen (ich denke vor allem an metoolicas furchtbare Ausführungen) angeht, habe ich offenbar bislang einfach großes Glück gehabt, was meine eigenen Kontakte mit den Beamtinnen und Beamten angeht.
Ich möchte trotzdem zunächst und zumindest auf die (rhetorischen) Fragen antworten, die Du mir gestellt hast, CAPS - Allein schon aus Respekt (und auch aus einer mir sicher eigenen Zwanghaftigkeit, das nicht "unvollständig" lassen zu wollen ):
"Ohne Polizei kommt es zu "Selbstjustiz". Aber die Polizei ist eben keine Justiz. Justiz und einen Rechtsstaat kann es auch ohne Polizei geben. Oder kannst du mir eine Funktion der Polizei nennen, die zwingend notwendig ist, um Justiz zu haben?"
Die Unterscheidung von Justiz und Polizei, also Exekutive erscheint mir sehr wichtig und ist vielleicht auch von mir selbst nicht konsequent genug mitgedacht worden von Beginn an. Das ist ja nun auch das, was ich (natürlich in der Schule und später woanders gelernt) als "Gewaltenteilung" kenne. Und die erschien und erscheint mir als Konzept halt erstmal sinnvoll und nicht verkehrt. Ob das jetzt dringend als "Indoktrination" zu bezeichnen ist, möchte ich mal zumindest anzweifeln
Von daher wäre die generelle Funktion, die mir als erstes einfällt, die Entscheidungen der Justiz einerseits auszuführen, andererseits aber auch einen Kontrollmechanismus für eben jene Justiz darzustellen, damit diese nicht eigenmächtig allein handeln kann. Also dem vielbemühten "Richter und Henker"-Prinzip vorbeugen.
Nun ist das alles ziemlich kalter Kaffee für dich und andere hier, vermute ich mal, und leicht zu "widerlegen". Ich wäre dabei gespannt auf das "wie" (es widerlegt wird), vor allem aber auf die besseren Alternativen. Gerne sehr konkret, denn verhuscht hat ja zwischenzeitlich schon eine schaurige Assoziation genannt, die ich durchaus auch direkt hatte ("Bürgerwehr").
"Und andernorts, wo es erst später Polizei gab, gab es sicherlich auch Menschen, die anderen "Gewalt angetan haben, wie es Menschen seit jeher tun". Und genau das ist der auch ein wichtiger Punkt. Glaubst du, dass diese Gewalt nicht geschehen wäre, wenn es dort in 5km Entfernung eine Polizeidienststelle gegeben hätte?"
Ja, also... Das glaube ich selbstverständlich tatsächlich, ja. Bestimmt nicht in 100 Prozent der Fälle, klar, aber die personelle "Präsenz des Gesetzes", wenn ich das mal so reißerisch formulieren darf, erscheint mir schon geeignet, Leute mehr darüber nachdenken zu lassen, ob sie dieses Gesetz nun gedenken zu brechen oder nicht.
Ein Beispiel, das zeitlich, örtlich und auch sonst nicht so weit weg ist, wie Island 1780:
Viele Menschen in Schland fahren gern Auto. Viele trinken auch gern Alkohol. Das zu kombinieren ist sau gefährlich und daher per Gesetz zumindest deutlich eingeschränkt (ich hätte lieber: komplett verboten ). Finden aber viele Quatsch, überschätzen sich da und sind also geneigt, es trotzdem zu tun. Der Umstand, dass es paar Polizisten hier und da gibt, die das kontrollieren, hält einen gewissen Teil davon ab. Glaube ich. Auch wenn ich keine wissenschaftliche Untersuchung dazu kenne.
"Heutzutage gibt es immer noch Verbrechen und viele Untersuchungen zeigen, das weder mehr Polizei noch härtere Strafen dafür sorgen, dass das weniger wird."
Das war keine Frage, die Du mir gestellt hast, aber ich fühle mich dennoch irgendwie genötigt, darauf zu reagieren:
Ich habe nie härtere Strafen überhaupt nur benannt als (sinnvolle) Maßnahme. Finde ich nämlich nicht. Also nicht sinnvoll.
Mehr Polizei habe ich durchaus geschrieben, meinte damit aber nicht unbedingt mehr Präsenz, sondern vor allem mehr Diversität bei den Beschäftigten. Allerdings durchaus auch mehr Personal an sich, weil ich denke, dass die aktuell schon hart viele Überstunden machen und ich generell auch der Meinung bin, dass in Teilzeit zu arbeiten (auch) Polizisten und Polizistinnen gut tun würde.
"Meine 99,9%-Vermutung beinhaltete noch einen wichtigen Teil, nämlich das alle frei von sozialen und materiellen Existenzsorgen sind, das heißt auch Obdach haben, Gesundheitsversorgung, Nahrung und Hygiene. Denke du wirst auch wohl kaum abstreiten, wie sehr soziale Benachteiligung und Verbrechen zusammenhängen..."
Volle Zustimmung bzgl. des Zusammenhangs sozialer Benachteiligung und Verbrechen. Das sollte wirklich unstrittig sein.
Ebenso, falls ich das wirklich einmal konkret schreiben muss, volle Zustimmung, dass die beschriebene Freiheit das Ziel der Menschheit sein sollte. Erreicht mit Werkzeugen, die den Planeten bestenfalls auch überleben lassen.
"Und ja, ich denke, dass wenn das sich ändert, das aufhört, dann sind 99,9% der Menschen keine Gefahr."
Denke ich wiederum nicht. Ich glaube schon, dass die Menge an Verbrechen, wie wir sie so definieren, stark (!) zurück gehen würde, keine Frage. Damit würde auch der Bedarf an Polizei deutlich zurückgehen, logisch.
Nur noch 0,1 Prozent der Menschen dann eine Gefahr für andere? Kann ich mir trotzdem schwer vorstellen. Hebst Du damit irgendwie auf die geschätzten Prävalenzen von Psychopath:innen ab? Allein die wären schon deutlich höher.
Und dann würde ich auch ganz allgemein sagen: Schon jetzt gibt es doch durchaus Leute, die entsprechend materiell und sozial sicher sind und trotzdem gegenüber anderen zB gewalttätig werden. Aus welchen Motiven auch immer. Ein prominenter Fall ging vor kurzem durch diese Medien, wer war es noch... Egal, auf jeden Fall gilt die Unschuldsvermutung!!!
So, das war jetzt sehr kleinteilig irgendwie. Im Gesamtbild, so muss ich gestehen, ist mir aber auch noch gar nicht so richtig klar geworden, was Du wirklich konkret vorschlägst. Oder die Autoren, die Du empfiehlst, vorschlagen.
Soll es tatsächlich darum gehen, die Gewaltenteilung (partiell) aufzugeben, also die Exekutive wegzunehmen? Oder zu ersetzen? Durch was?
Oder geht es eigentlich eher darum, das Ding einfach anders zu nennen, es personell drastisch zu reduzieren und in seiner Macht deutlich zu beschneiden? Immerhin hast Du die Notwendigkeit von Leuten herausgestellt, die ermitteln und vollziehen.
Wenn es so wäre, dann wären wir schon wieder gar nicht so unglaublich weit voneinander weg, glaube ich. Zumindest was umbenennen (inklusive wirklich anderem "Brand", womit ich nicht zuletzt Standing in der Bevölkerung meine) und beschneiden von Macht anbelangt. Ich denke halt immer noch, dass es (zumindest aktuell und am ehesten aus den o. g. Gründen des Überarbeitetseins und der mangelnden Diversität) vorerst sogar mehr Menschen in diesem, dann deutlich veränderten, Job bräuchte. Aber das könnte auf lange Sicht ja dann entsprechend runtergefahren werden, je näher wir als Weltgemeinschaft der allgemeinen materiellen und sozialen Sicherheit kommen
Womit ich aber nach wie vor echt zu kämpfen habe (und damit möchte ich endlich auch mal neben CAPS noch wen anders direkt ansprechen, nämlich dich, Ragism) ist die pauschal feindselige Haltung gegenüber den Menschen, die den Job machen, die nach meiner Wahrnehmung immer noch durchscheint.
Ich habe dabei schon verstanden, dass ihr das schwierige Kunststück meistern wollt, zwischen dem Beruf und dem Menschen, der ihn ausübt, möglichst sauber zu differenzieren.
Allerdings wird das für mich dann immer wieder recht unglaubwürdig, wenn relativ kurz danach dann doch wieder der "All Cops are Bastards"-Code eingestreut wird oder eine Formulierung kommt wie "Ich verachte Polizisten, wenn ich sie sehe...".
Das betrübt mich dann schon sehr, denn ich halte es echt für grundlegend falsch und sehr bedenklich, überhaupt wen zu verachten, vor allem wenn es pauschal geschieht aufgrund seines Berufs oder irgendwelcher anderer (zumindest zunächst) äußerlicher Merkmale.
Aber wahrscheinlich müsste ich bei dieser Formulierung dann einfach mental ein "den Beruf des" einbauen hinter "verachte", keine Ahnung
So, doch noch ein langer Text, dafür sorry, aber ich konnte vieles nicht kürzer fassen.
Und bitte, bitte: Ich will auch echt niemanden persönlich angreifen, auch wenn ich zuletzt nochmal persönlich adressiert habe - Aber das kommt an, wie ich es meine, oder?
"Welches der genannten Werke, bzw. welchen Autor (sind alles Männer, nehme ich an?) sollte ich denn nun in jedem Fall lesen, um die hier vertretenen, radikalen Standpunkte gegen eine Institution "Polizei" per se theoretisch besser verstehen zu können? Das von Benjamin?"
Nur ganz kurz, zum Rest mehr, wenn ich fitter bin: Derrida wurde stark von Benjamin beeinflusst und seine Gedanken zu Gewalt ähneln denen von Benjamin sehr. Hatte ihn noch angeführt, weil er vielleicht etwas differenzierter als Benjamin argumentiwrt aber vor allem wesentlich mehr Kredibilität in der Gesamtbevölkerung besitzt. Ich würde sagen, dass sich beide Sichtweisen in vielen Punkten überschneiden und von daher hast du quasi die freie Wahl. Wenn ich nur eines empfehlen könnte, danm Benjamin als Initiator.
https://criticaltheoryconsortium.org/wp-co…
OK, direkter kann man die gebratene Gans nicht ins Maul geflogen bekommen - Ganz herzlichen Dank dir!
Der Text ist aber, wie für philosophische üblich, nicht ohne.
Ich werd mir eh Zeit nehmen (müssen; viel zu viel los jetzt die kommenden 10 Tage).
Außerdem kann ich bei Bedarf ja sicher auch nochmal die ein oder andere Verständnisfrage hier reinwerfen
Ich werde auch weiterhin jeden Bullen als Schmutz ansehen, sollte klar sein. Wer sich für die Gesellschaft einsetzen will, wird in meiner Welt Sozialarbeiter*in oder Psychotherapeut*in, oderoderoder. Wer Bock auf Knüppeln hat, geht zu Team Green.
Die Piggies MÜSSEN btw auch in der Einsatzhundertschaft dienen, während ihrer Ausbildung, und da ist das Einknüppeln auf Linke quasi immanent. Gibt keine Bullen, die das nicht "durch"haben. Verachtenswerter Haufen, und auf diesem Hügel werde ich sterben.
Außerdem Knüppelgarde des Kapitals, und für solche Duckmäuser kann ich nur Verachtung empfinden.
Was Tooli sagt. Wobei es vllt ein bisschen wie mit der Politik ist: Manche starten mit hehren Zielen und werden erst so, wenn sie Teil des Apparats sind. Und positive Ausnahmen gibt es immer. En gros aber ein mindestens latent rassistischer (strukturell gedeckt bis gefördert) und seeeehr seltsamer Haufen. Bisschen wie der FC Bayern. Kleiner Jokus.
Hm, schwierig. Ich versuche, meine Sicht mal über einen Umweg darzustellen: Macht bzw. deren Ausübung birgt immer Missbrauchsgefahren in sich. Der Machtmissbrauch kann von Einzelpersonen ausgehen (wir sprachen darüber) und wird gefährlicher, wenn die Machtfülle steigt, zB wegen der Anzahl der Personen, wegen der Skrupellosigkeit, der Bewaffnung usw.
Machtgruppen sind m.E. grds. problematisch. Machtgruppen in Deutschland sind aus meiner Sicht zB rechte Schlägertrupps, Gruppen der Organisierten Kriminalität, Clans, eine Hundertschaft/ggf. auch "die Polizei", das Militär. (Die wahrscheinlich Mächtigsten, nenne wir sie "die Industrie" lasse ich hier außen vor, weil es ja um die Polizei geht, also eher handfeste Machtausübung). Und ich fürchte, dass die anderen Machtgruppen die Rolle der Polizei im jeweils eigenen Sinne - und zwar völlig skrupellos - übernehmen würden, gebe es die Polizei nicht. Strukturell würde ich daher sagen, dass die Polizei als legitimierter Akteur des staatlichen Gewaltmonopols das deutlich kleiner Übel im Verhältnis zu den anderen Machtgruppen ist. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Machtausübung der Polizei kontrolliert wird, falscher Korpsgeist benannt und bekämpft wird etc. Denn es ist auch klar, dass unrechtmäßige Machtausübung durch eine staatliche Machtgruppe deutlicher problematischer ist als unrechtmäßige Machtausübung durch den oder die Bürger.
Deshalb meine ich: wir brauchen eine bessere, selbstkritische Polizei (jedenfalls bis Mensch so weit ist, ohne Gewalt/Macht auszukommen - oder, wahrscheinlicher, vorher untergeht).
Gerade nicht genug Zeit und Muße, um vernünftig mitzumischen, aber ich wollte ein kleines Dankeschön für diese Diskussion dalassen.
Ich finde mich tendenziell eher als Mitspieler im hiesigen Team Duri/verhuscht wieder, empfinde die Argumente der Gegenseite aber als gut nachvollziehbar und besonders die jeweiligen Perspektiven bereichernd. So macht das Spaß
@verhuscht:
Okay, dann eher so:
Die Polizei ist wie die ÖR. Eigentlich nötig und wichtig, aber angebiedert an die völlig falsche Klientel und in dieser Form komplett renovierungsbedürftig, um weniger Mittäter und mehr Kontrollorgan, Aufklärer oder Hilfe zu sein.
Dennoch hab ich wirklich eine innere Grundabneigung oder Skepsis gegenüber fast jedem, der freiwillig zur Polizei geht. Bisschen wie bei Berufssoldaten. Wechselt man ein paar Worte, merkt man ja oft, dass die wirklich in einer komplett anderen Realität zuhause sind.
Und dennoch wären wir in bestimmten Momenten wahrscheinlich relativ gefickt ohne sie.
@chris: Zustimmung. Der Beruf käme für mich ebenfalls nicht in Betracht. Bei nem Bierchen nach dem Sport hat mir vor Jahren einer erzählt, er freue sich schon auf seine ersten Einsätze mit der Hundertschaft…Gruselig.
Wie ein Kollege im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen Hooligans vs. Pi-Pa-Polizei anmerkte: manchmal ist es reiner Zufall, wer auf welcher Seite steht.
Ich bin leider selbst zu beschäftigt, um zu vertiefen, was ich sagen möchte, aber ich habe gerade bei der Hausarbeit ein relevantes, gerade erschienenes Video gehört, dass teilweise auch erläutert, welche Probleme durch das polizeiliche Gewaltmonopol entstehen. Passt thematisch nicht hundertprozent, aber bestimmt für manche rin Reinschauen oder -hören wert:
https://www.youtube.com/watch?v=Vica_-UEg0Q
ich träume seit jahren von einem barbie girl ♥ ♥ schrei aus an meine death in rome atzen