laut.de-Kritik
Das Imperium singt zurück.
Review von Dani FrommIn der knappen verbleibenden Zeit, in der sich die Protagonisten von "Empire" nicht gerade gegenseitig mehr oder weniger metaphorische Messer in die Rücken, Knüppel zwischen die Beine oder Kugeln in die Stirnen jagen, halten sie unentwegt Mikrofone in der Hand. Kein Wunder, schließlich spielt der Plot der US-Erfolgsserie im Dunstkreis eines Hip Hop- und R'n'B-Labels.
Dass die illustren Gaststars, von Estelle über Anthony Hamilton bis zu Gladys Knight, ihre Gesangsparts selbst übernehmen, verwundert wenig. Doch sonst: Wer singt da eigentlich? Und wer rappt für Mr. Lyon, den Jüngsten, Hakeem? Das werden ja wohl kaum die Schauspieler selbst übernommen haben ...
... oh, haben sie wohl! Wer immer insbesondere die Figuren von Jamal und Hakeem Lyon besetzte, hat ein exzellentes musikalisches Händchen bewiesen: Jussie Smollett und Bryshere Yazshawn "Yazz" Gray verkörpern die beiden Rampenlicht-affinen Söhne von Patriarch Lucious Lyon nicht nur glaubwürdig. Sie liefern darüber hinaus eine für ihre Rollen nahezu perfekte stimmliche Leistung ab.
Um auch ohne die bewegten Bilder Spaß am Soundtrack der ersten "Empire"-Staffel zu haben, muss man Mainstream-R'n'B und Kommerz-Rap mit gelegentlicher Dirty South-Schlagseite schon etwas abgewinnen können. Timbaland und Jim Beanz, die den Großteil der Produktionen verantworten, erfinden das Genre nicht wirklich neu. Auf wahnsinnig horizonterweiternde Soundinnovationen kann man da lange warten.
Trotzdem: Die Nummern bringen sämtlich satten Wumms und teils erhebliches Ohrwurm-Potenzial mit, klingen aber eben - im Kontext der Geschichte ergibt das durchaus Sinn - allesamt wie eiskalt berechnet und scharf kalkuliert dem Geschmack der Massen auf den Leib geschneidert. Deswegen: Gut vorstellbar, dass sich dieses Material blendend verkaufen lässt.
Wenn eine Rihanna ihre Platten wie geschnitten Brot unters Volk bringt, wieso dann nicht auch ihre "Empire"-Entsprechung Tiana, will meinen: Serayah McNeill? Ihr völlig seelenloser Beitrag zu "Keep It Movin'" ging mir zwar in der Serie schon maximal auf den Sack, doch solche Trullas schaffen es allenthalben in die Charts. Warum also nicht diese?
Yazz klingt wie ein Frosch im Schraubstock, taugliche Rap-Skills bringt der Knabe aber allemal mit. Die Rolle des jugendlichen Großkotzes, von Beruf Sohn, füllt er hervorragend mit Leben. Entsprechend tönen auch seine Raps: teuer und aufwändig produziert, nach viel Hochglanz-Oberfläche mit wenig drunter. Auch nichts, das ich mir jeden Tag anhören müsste, aber auch für derlei gibt es, Verkaufszahlen sprechen eine recht unmissverständliche Sprache, reichlich Publikum.
Die größte Offenbarung dieses Soundtracks aber heißt Jussie Smollett. Nicht nur seinen Serien-Charakter hat die Muse geküsst, sondern ganz offenbar auch ihren Darsteller: Dieser Kerl kann mühelos in einer Liga mit Jaheim, Ne-Yo oder Usher mitsingen. Basslastige R'n'B-Tracks wie "Good Enough" oder "Nothing To Lose" bieten dem ausdrucksstarken Gesang den bestmöglichen Rahmen. In "No Apologies" reißt der Mann im Refrain seinem rappenden Serien-Bruder quasi im Vorübergehen die Krone vom Kopf.
Sehr schade, dass "Keep Your Money", die Nummer, mit der Jamal sich von seinem übermächtigen Vater freizuschwimmen versucht, auf dem Soundtrack fehlt. Die hätte wesentlich besser in den Album-Kontext gepasst als "Walk Out On Me" mit Courtney Love mit (im echten wie im falschen) vom Leben gezeichneter Stimme. Hier hat Raphael Saadiq die Hände mit im Spiel, bei "Shake Down" mischen Usher und The-Dream mit. Darin lässt sich Terrence "Lucious Lyon" von Mary J. Blige an die Wand singen. Neben einer solch dominanten Partnerin hätten aber vermutlich auch bessere Sänger blass ausgesehen. Weit ebenbürtiger wirkt Jussie Smollett neben Estelle im Duett "Conqueror".
Jennifer Hudson, seit "Dreamgirls" eine meiner Lieblings-singenden Schauspielerinnen überhaupt, darf gleich zweimal ran: alleine in "Remember The Music" und im abschließenden "Whatever Makes You Happy" zusammen mit Juicy J. Letzteres ein bisschen grell, Wucht geht hier offenbar über Harmonie, dessen ungeachtet aber ein ohne Zweifel funktionaler Party-Anheizer.
Hakeems Erfolgsnummer "Drip Drop" fehlt aus unerklärlichen Gründen wieder. Macht mir jetzt, ehrlich gesagt, weniger aus. Dafür bekommt V.Bozeman, die kahlgeschorene Diva aus der Pilotfolge, Platz für ihr leidendes "What Is Love". Dafür gilt ebenfalls: Nicht neu, nicht besonders aufregend - aber irgendeinen Nerv berührt das Ding trotzdem. Wenn so die "Power Of The Empire" klingt: Immer her mit dem Soundtrack zur nächsten Staffel!
1 Kommentar
Schön dass das Ding ne Review bekommen hat, danke Dani. Auch wenn der Soundtrack verzichtbar ist und die meisten Songs lahm, ist diese Serie sowas von genial, und in dem Kontext ist die Musik dann irgendwie wieder doch hörenswert. Selbst "Keep It Movin" löst ein kleines Grinsen aus, trotz der dünnen Stimme. Zu schade dass die Quoten hier im Lande so mies sind, ne deutsche zweite Staffel wird wohl leider nix...