laut.de-Kritik
Von Realitätsflucht, Alkoholexzessen und rachsüchtigen Katern.
Review von Toni HennigDass gute Musik auch in einer 700-Seelen-Gemeinde in Bayern entstehen kann, hat das Sextett Pam Pam Ida 2017 mit seinem Debüt "Optimist" bewiesen. Der Mundart-Pop der Band aus Sandersdorf in Schambachtal, der in der Tradition Hans Söllners und LaBrassBandas steht, aber doch sehr eigen klingt, stößt über die regionalen Grenzen hinaus zunehmend auf offene Ohren. Nun erscheint mit "Sauber" ein äußerst abwechslungsreicher und mehr als überzeugender Nachfolger.
In einem Interview erklärt Sänger, Texter und Multiinstrumentalist Andreas Eckert, der durchgängig in seinem niederbayerischen Dialekt singt, das Konzept der Platte wie folgt: "Man wäscht seine Seele rein oder man macht sich mal wieder so richtig nackert und befasst sich mit den Problemen, die einen schlicht umgeben, die man nicht weg leugnen kann." Es geht also letzten Endes darum, "dass wir einfach viel zu viel konsumieren, viel zu wenig auf die Umwelt achten - und dass das sicherlich spätere Generationen ausbaden müssen."
Dementsprechend geizt das Album nicht mit gesellschaftskritischen Tönen ("Kaff Den Scheiß!", "I Fahr An Diesl"), mit einer gehörige Prise Derbheit versehen. Außerdem findet die Formation immer noch genug Raum für das Alltägliche und Zwischenmenschliche. So handeln die Lyrics etwa von exzessiven Alkoholräuschen ("Komplett Ignorieren") oder vom Zusammenhalten und Loslassen ("I Hoit An Dir Fest").
Zum Glück begehen Pam Pam Ida nicht den Fehler, auf der Befindlichkeitswelle AnnenMayKantereits zu reiten oder sich der aufgesetzten Edgyness Bilderbuchs anzunähern. Mit ihren Geschichten kann man sich gerade deshalb identifizieren, weil sie das Leben so abbilden, wie man es als Hörer schon selbst einige Male durchlebt hat. Konkrete Kritik an den jetzigen Zuständigen scheuen sie dabei genauso wenig. Dadurch gelingt ihnen der Spagat zwischen bayerischer Bodenständigkeit und unverbrauchter Leichtigkeit.
Ebenso vielfältig gestaltet sich die Musik. Egal ob kantiger Indie-Rock mit Disco-Einschlag ("Anna"), nostalgischer 80er-Jahre-Schlager-meets-Soul irgendwo zwischen Münchener Freiheit und Blood Orange (Ja, das geht- man höre "Gin Ins Gsicht") oder erdiger Folk, garniert mit opulenten orchestralen Passagen, die vom Silberfischorchester stammen, bestehend aus einem Streichquartett und mehreren Bläsern, das die Sandersdorfer auf der Bühne und zum Teil im Studio verstärkt ("Da Gwohnte Gang"): auf einem bestimmten Stil lässt sich die Band nicht festlegen.
Obwohl sie häufig Gebrauch von exotischen Instrumenten wie Euphonium, Djembe oder Alphorn macht, schießt sie nie über das Ziel hinaus, sondern unterstreicht mit ihren detailverliebten Arrangements die Seele ihrer Songs.
Nach etwas holprigem Start mit deplatzierter Saxofon-Einlage ("Komm Her!") gewinnt "Sauber" mit voranschreitender Spieldauer immer mehr an Qualität. Schon "Komplett Ignorieren", durchzogen von kunstvollen Streichern, fährt gegenüber den ersten beiden Nummern das Tempo ein wenig zurück und pendelt mit Wandergitarren-Einschüben und der kraftvollen Drum-Arbeit von Julian Menz gelungen zwischen melancholischer Schwere und ungezügeltem Sturm und Drang. "Kaff Den Scheiß!" dringt dann mit dynamischem Songwriting und geschickt platzierten elektronischen Spielereien in Radiohead-Gefilde vor, wodurch sich die konsumkritische Botschaft des Textes noch klarer herausschält.
Von schunkelnder Bierzeltstimmung kaum eine Spur, und wenn, dann kommt sie im Interlude "Rehragout" nur kurz als ironisches Mittel zum Tragen.
Wenn Kater "Tommy" vom Rasenmäher der Nachbarin erfasst wird, um anschließend nach dem Prinzip "Aug um Aug, Zahn um Zahn" eine süße Rache zu begehen, bleibt abwegiger Humor trotzdem nicht auf der Strecke. Die rücksichtslose Auseinandersetzung bezahlt er schlussendlich mit seinem Leben. A bisserl deppert, das Ganze.
Ganz anders die Musik. Der Track hat nicht nur zu erdigen Country-meets-Rock-Klängen den kraftvollsten Refrain der gesamten Platte zu bieten, sondern wartet außerdem mit einem krachigen Gitarren- und brüllenden Mundharmonika-Solo auf, nachdem sich der Sänger von dem Vierbeiner endgültig verabschiedet. Übrigens existierte Tommy tatsächlich. Der war nämlich das Haustier von Andreas und hatte nur eine Woche vor der Aufnahme des Songs mit fünfzehn Jahren auf friedlichem Wege seine Augen für immer geschlossen.
Zum Schluss legen Pam Pam Ida wieder etwas mehr Ernsthaftigkeit an den Tag, wenn es zu getragenen, nachdenklichen Saiten- und Streicherklängen in "Oiwei Scho So" unmissverständlich heißt: "Woanders herrscht as wahre Leid, doch d'Leit, da denga ned so weit." Recht hat der Sänger.
In "Flug Zum Mond" warnt er dann davor, dass man in einer Beziehung nicht zu sehr in die Bequemlichkeit flüchten sollte, da man sonst Gefahr läuft, die Realität nicht mehr wahrhaben zu wollen. Dazu steigert die Nummer, ausgehend von einprägsamen Klavier- und Gitarren-Harmonien, mit wirbelnden Crescendi und der sich nach oben schraubenden Stimme Eckerts, kontinuierlich die Intensität, was seinen intelligenten Alltagsbeobachtungen noch mehr Schärfe verleiht.
Pam Pam Ida wissen letztlich genau, was sie sagen wollen. Dass ihre Songs dabei noch ausgefeilter als in der Vergangenheit ausfallen, ohne das Aufregende und Leidenschaftliche zu vernachlässigen, spricht für ihr besonderes Talent, Text und Musik zu einem homogenen Ganzen zu verbinden, das sowohl Aussage als auch Charme besitzt. Ins Fußballerdeutsch übersetzt heißt das: "Sauber", weiter so!
2 Kommentare
Ich finde das Album deshalb schon so gelungen, weil Niederbayerisch im Klischee immer so nach Alt-Konservativ-Inzest-Hinterland klingt und das Album aber (meiner Ansicht nach) volle Möhre den Zeitgeist trifft - sowohl thematisch als auch musikalisch (ja - 80er Anleihen sind noch im Trend).
Zudem fiel mir keine Stelle auf, wo ich gesagt hätte: "Oha - Wiederholung!" oder das es langweilig geworden wäre, durchweg dynamisch.
Kurz: Erster Favorit des neuen Jahres.
Bandname, Albumtitel und Albumcover sorgten dafür, dass das Album unbekannterweise gehört wurde. Die Erwartungshaltung, die durch die Kombi Name+Titel+Cover entstand wurde leider nur in wenigen Songs erfüllt (z.B. I Fahr An Diesl + Bis Auf Die Knochen). Mehr Songs dieser Art und für mich wären es sogar 4 oder 5 Sterne. Die volkstümlich anmutenden Balladen sagen mir leider nicht so zu.