laut.de-Kritik
Ein mechanisches Orchester mit lebendiger Seele.
Review von Tobias LitterstMit flinken Läufen jagen Klavier und Xylophon durch die Tonlandschaft, derweil Bass und Schlagzeug raffiniert groovend für die nötige Erdung sorgen. Die Begleitband, die Pat Metheny auf "Orchestrion" an den Start bringt, klingt nach einem eingespielten Team virtuoser Instrumentalisten. Dieser Schein trügt jedoch gewaltig. Der Jazz-Gitarrist höchst selbst ruft den herrlichen Ensemble-Sound ins Leben.
Eine ausgeklügelte Mechanik erlaubt es Metheny sein reichhaltiges Instrumentarium via Gitarre oder Keyboard im Alleingang zu bedienen. "Dieses Projekt repräsentiert eine konzeptionelle Richtung, die eine Idee des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit der heutigen Technologie vermischt, um eine neue, offene Plattform für Komposition, Improvisation und musikalische Darbietung zu schaffen", schreibt der Musiker euphorisch auf seiner Website.
Diese Plattform nutzt Metheny vorzüglich. Seine fünf Kompositionen tönen angenehm entspannt. Mit versiertem Gitarreneinsatz und überraschenden Wendungen hält er die Stücke stets jenseits des Kalkulierbaren. So flirtet die Ballade "Entry Point" inspiriert mit einem lässigen Bossa-Rhythmus. Das ebenfalls balladeske "Soul Search" gerät hingegen in lockeres Swingen.
Metheny verleiht der mechanischen Band, dem sogenannten Orchestrion, eine lebendige Seele. Seine Begeisterung für diesen ungewöhnlichen Klangkörper ist stets hörbar. Diese Faszination erweckte bereits in Kindertagen ein altes Klavier seines Großvaters, das Lieder nach gelochten Papierstreifen spielen konnte. "Ich verbrachte Stunden mit meinen Cousins davor, in denen wir jede Papierrolle ausprobierten, bis wir vom Pedale-Treten völlig erschöpft waren", erzählt der Musiker.
Natürlich interessierte er sich bald für die Ensemble-Variante der Musikmaschinen. Die Durchlebte seit ihrer Erfindung im frühen neunzehnten Jahrhundert eine beachtliche Entwicklung. Wo früher noch bloße Druckluft für die Tonerzeugung verantwortlich war, dominiert heute Elektromagnet-Technik. Damit setzt das Orchestrion nun auch dynamische Feinheiten tadellos um.
Pat Metheny verbindet die technischen Möglichkeiten mit spannenden Kompositionen und Virtuosität. Auf diese Weise schafft er einen der ersten Glanzpunkte des noch jungen Jazzjahres.
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