laut.de-Kritik
Es gibt kein wahres Ich.
Review von Sven KabelitzOhne Imitation keine Musik. Sie stellt die DNA der Klänge dar. Wenn wir uns zum ersten Mal mit einem Kamm vor den Spiegel stellen, eifern wir unseren Idolen nach. Auch die ersten Griffe auf der Gitarre schauen wir von unseren Vorbildern ab.
Erst mit der Zeit entwickeln wir unser eigenes Ich, unseren eigenen Stil, in dem jedoch unweigerlich auch das Erbe unserer Vorgänger miteinfließt. "Imitationen von dir / Verbünden sich mit mir / Berühren und begleiten mich / Sagen: 'Es gibt kein wahres Ich'."
Auch Pet, ganz ohne Shop Boys, Sounds oder Sematary, stellen aus solchen Anleihen ihr eigenes Konterfei zusammen. Auf "Imitation Of Life" finden sich unter anderem Anlehnungen an My Bloody Valentine, Zoot Woman, The Horrors, David Bowie, Air, Blondie und The Byrds, ohne das Album Nummer drei zu einer reinen Ansammlung von Fotokopien verkommt. An jeder Ecke finden sich Querverweise. Nichts ist wirklich neu. Trotzdem gelingt es den Berlinern, die bereits auf John Peels Unterstützung zählen konnten, ihre eigene Handschrift zu hinterlassen.
"Everytime I Turn My Head" spielt geschickt mit Robert Fripps Gitarrenspiel aus Bowies "Heroes", ohne zum simplen Abklatsch zu verkommen. Es dient nur als Ausgangspunkt, bewegt sich im weiteren Verlauf mit weit verzweigtem Harmoniegesang in eine gänzlich andere Richtung. "Kiss Me", mit verträumtem Glockenspiel und melancholischen 1960er-Akkorden ausgestattet, entwickelt sich zum ebenso einfachen wie entwaffnenden Ohrwurm.
Aus dem psychedelischen "I Won't Hurt You" der West Coast Pop Art Experimental Band, entsteht ein elektronischer Drift mit echolastigem Gesang. Über den Versuch, in "Miss Brown" eine harte Bassline zu rocken, decken wir jedoch lieber den Mantel des Schweigens.
Ihr Glanzlicht heben sich Pet bis zum Ende auf. Wenn im Titelsong die ersten leiernden Gitarrenakkorde einsetzen, fühlt man sich ins Jahr 1991 zurückversetzt. Ein vermisster "Loveless"-Track, voller disharmonischer Eleganz und unterkühlter Lethargie. Elektronische Möwen zwitschern, bis ein vor sich hin klimperndes Klavier das Ende einleitet.
Pet haben aus der Geschichte gelernt. Im Zickzack durch die Zeit bieten ihre Imitationen des Lebens glücklicherweise mehr Zimt als Hollywood. Trotz der vielen Einflüsse lässt sich ihre Berliner Herkunft, so dreckig und grau, nie verleugnen. Zwar verliert sich "Imitation Of Life" in seiner Mitte kurzfristig, doch alleine schon der Titeltrack rechtfertigt manchen Ausrutscher.
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