laut.de-Kritik
Zeitloser Signature-Sound mit Blick über den Drum'n'Bass-Tellerrand.
Review von Toni HennigRupert Parkes alias Photek hat Mitte der 90er-Jahre auf Metalheadz oder Op-ART sowie in Eigenregie schon einige wegweisende Drum'n'Bass-Tracks veröffentlicht. Mit seinem Debüt "Modus Operandi" zementierte der Brite seinen Legendenstatus in der Szene. "Modus Operandi" erschien am 09. September 1997 auf dem Virgin-Sublabel Science, was für die Popularisierung des Genres von enormer Bedeutung war, und verkaufte sich schon im ersten Jahr über 100.000 mal.
Jeden Break auf der Scheibe hat Photek sorgsam konstruiert, so dass jeder einzelne Ton genau an der richtigen Stelle sitzt. Dabei bildet "Modus Operandi" keine Aneinanderreihung von Singletracks, sondern ein Album durch und durch. Die einzelnen Stücke gehen nämlich nahtlos ineinander über. Mit den atmosphärischen Nummern auf der Platte, die zumeist kühle, hochkomplexe Drums durchziehen, teilweise unterlegt mit spärlichen Synthesizermelodien und Fender Rhodes- sowie Kontrabassklängen, hat Parkes seinen ganz eigenen, persönlichen Signature-Sound geprägt.
Davon zeugt schon "The Hidden Camera", das von verschachtelten Drum-Sounds, einem loungigen Fender Rhodes-Motiv und flächigen Synthies lebt. Vor allem in der Jazz-Szene stieß der Track auf euphorischen Anklang. Jazz dient auch als einer der größten Einflüsse für die Scheibe. Als reine Jazz-Step- oder gar Nu Jazz-Platte lässt sich "Modus Operandi" aber trotzdem nicht bezeichnen. Dafür verarbeitet Photek viel zu unterschiedliche Einflüsse.
"Smoke Rings" und "Minotaur" verschreiben sich ganz der kühlen Präzision und einer minimalistischen Klangästhetik, so dass sich die beiden Nummern eher an den harten, technischen Sound von Ed Rush anlehnen denn an John Coltrane. Im letztgenannten Stück hört man zu rohen Drumschlägen und bedrohlichen Synthesizermelodien den Bass herrlich vor sich hinwummern. Mit "Aleph 1" streckt Photek mit komplexen Breaks, bleepiger Elektronik und sphärischen, düsteren Keyboards, die seine späteren Arbeiten im Soundtrackbereich schon erahnen lassen, seine Fühler in Richtung IDM aus, während die warmen, deepen Dancefloortöne in "124" auf die zunehmende Hinwendung zum Deep House auf dem 2000er-Album "Solaris" hindeuten.
In "Axiom" war es das aber wieder mit der Euphorie, wenn rollende Breaks auf dubbige Zwischentöne und artifizielle Synthies im Detroit Techno-Stil treffen, die auch das anschließende "Trans 7" prägen, das mit seinen kraftvoll metallischen Sounds eine Menge Punch besitzt. Den Titeltrack hält ein funkiges Fender Rhodes-Motiv zusammen, dem sich Hip Hop-artige Beats, flächige Streicher, gezupfte Kontrabassklänge und eine entspannte Klaviermelodie anschließen, so dass die Nummer das einprägsamste Stück auf der Scheibe bildet.
In "KJZ" verbinden sich verkopfte Drum- mit ambienten Keyboardtönen, während der Bass schon beinahe tiefenentspannt wirkt. In "The Fifth Column" setzen wilde Breaks im Zusammenspiel mit klingenden Schwertern und japanischen Kodo-Drums einen tribalesken Schlusspunkt unter ein Album, das immer noch so taufrisch wie am Erscheinungstag klingt.
Nach "Modus Operandi" bildeten sich zwar im Drum'n'Bass modernere Formen wie Neurofunk oder Dancefloor Drum and Bass heraus. Jedoch war nach der Jahrtausendwende mit dem Aufkommen von Dubstep und Grime in UK die Geschichte des Genres, das mehr eine hermetische, in sich geschlossenen Szene denn ein globales Phänomen darstellt, so langsam auserzählt, auch wenn es mit Acts wie Pendulum oder zuletzt PinkPantheress noch ein paar kurze kommerzielle Höhenflüge gab.
Konsequent, dass sich Photek auf dem recht gelungenen "Solaris" und dem nicht ganz gelungenen, in Richtung UK Bass und Dubstep schielenden "KU:PALM" von 2012 vom Drum'n'Bass nach und nach verabschiedete und sich heute so gut wie ausschließlich auf Soundtrackarbeiten konzentriert.
Insgesamt stellt "Modus Operandi" das wohl bemerkenswerteste Beispiel dafür dar, dass Drum'n'Bass nicht nur im Single- und Compilationformat, sondern auch auf Albumlänge funktionieren kann.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
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