laut.de-Kritik
Mehr Pop, mehr Synthies, mehr Style.
Review von Andrea Topinka"Whatchya wanna be when you're big enough to see? / It's all shit". So eröffnet eine heisere, verzerrte Männerstimme "United Crushers". Unzufriedenheit, düstere Zukunftsperspektiven, Verzweiflung und Gesellschaftskritik – die Themen, die diese ersten Zeilen andeuten, beschäftigen Poliça auf dem dritten Album. Die Ereignisse der letzten beiden Jahre bestimmen Sängerin Channy Leaneaghs lyrische Schwerpunkte. Zentraler Anlass ist aber auch ihre zweite Schwangerschaft während der Aufnahmen und die damit verbundene Frage, wie ihre Kinder in dieser Welt heranwachsen werden.
"United Crushers" trägt deswegen weniger die Züge einer starken politischen Positionierung. Leaneagh prangert zwar Missstände an, am deutlichsten in "Wedding", das von Polizeigewalt in den USA handelt. Kritik an und Enttäuschung über Rassismus, Sexismus oder soziales Ungleichgewicht fassen andere Songzeilen in Worte. Es geht auf der anderen Seite aber um brüchige Beziehungen ("Lose You") und Selbstzweifel ("Lime Habit").
Musikalisch zeichnet sich eine ähnliche Tendenz ab: "United Crushers" basiert auf Poliças Erfolgsrezept, einer Melange aus Indierock, Electronica, Trip Hop und R'n'B-Vocals. Der Unterschied: Es geht insgesamt poppiger zu, weniger verkopft. Hausproduzent Ryan Olson versorgt die Band aus Minneapolis mit durchgestylten Synthesizern und Beats, die sich in ruhigen Momenten dem Downbeat-Pop von London Grammar annähern ("Fish", "Lately"). In "Baby Sucks", das die Trennung des ehemaligen Managers bejubelt, ergänzen Bläser als Zeichen der Wende die treibenden Percussions.
Dass die beiden Drummer Drew Christopherson und Ben Ivascu sowie der Bassist Chris Beirden dieses Mal stärker an den Aufnahmen beteiligt sein sollen, fällt leider kaum auf. Dafür bleiben die elektronischen Sounds in Songs wie "Summer Please", das dem thematischen Ernst zum Trotz als verschwitzte Clubnummer durchgeht, zu dominant. Stücke wie "Berlin" profitieren dagegen definitiv von der Studiopräsenz des Trios: Die knochentrockenen Drum-Muster und Percussions, gepaart mit grummelndem Bass, intensivieren die Gefühle von Verwirrung und Rastlosigkeit, die Leaneagh mit diesem "drug song" ausdrückt.
Einen großen Gefallen hat sich die Band mit der Entscheidung getan, den unsäglich gewordenen Hall auf dem Gesang fast durchgängig auszusparen. In Tracks wie "Melting Block" spielt Leaneagh mit Dynamik, wie es die stetig unterbrochenen Beats fordern. Dennoch kann "United Crushers" auf Albumlänge nicht darüber hinweg täuschen, dass der Poliça-Klang nun etwas arg geglättet daherkommt. Das geht sicher besser ins Ohr, dafür ist es nicht mehr so spannend wie früher.
1 Kommentar
Andrea Topinka ist wieder da.