laut.de-Kritik
Nur für Reamonn-Liebhaber zu empfehlen.
Review von Erich Renz"Wenn ich einen guten Text schreibe, dann flippe ich aus", posaunt Rea Garvey, Sänger der noch nicht-aufgelösten, Pause-nehmenden Reamonn, heraus. Das Englische nennt diesen Zustand 'hiatus', im Deutschen wird dafür das Wortungetüm 'kreative Pause' aus der Erklärungsnot vorgeschoben. So eine Auszeit tut gut, alle gehen getrennte Wege, wandern wohlgemut auf Solopfaden, probieren etwas Neues.
Halt, was Neues? Reamonn-(Ex?)-Kollege und Gitarrero Uwe Bossert bereitet mit seinem aktuellen Rezept "DrahtSeilAkt" weiterhin poppige Schmalzkringel zu. "Ich finde, ein Album ohne Tränen ist keines", spricht er, als ob er sich gerade selbst eine verdrücken müsste. Und Garvey bemüht die Binsenweisheit des Marktes, die ersten zwei Singles flott zu halten, die dritte dann aber doch in Balladenform zu gießen. Ein Vorwissen ist nicht nötig, um diese Veröffentlichungspolitik schon im Voraus zu erahnen.
Jetzt gibt es ihn also vorerst allein. Ein Unterschied zu seiner Stammesgruppe ist nur marginal zu vernehmen, da er, und das muss man ihm zugestehen, ein Charakterkopf ist, dessen eigentümliche Stimme darauf drängt, alles einzunehmen, was von ihr umgeben wird. Ob das Jam & Spoon, Nelly Furtado oder Paul van Dyk waren, denen er sie bisher lieh - was da draußen von Mitmusikern und Radio-Airplay so sehnsüchtig gesucht wird, bietet Garvey herzlichst an: Das Markante und Unverwechselbare, häufig betitelt und mit Ausrufezeichen versehen als 'der Wiedererkennungswert'.
AC/DC spielen seit fast 40 Jahren die gleichen Riffs. Keiner nimmt ihnen das übel, keiner will was anderes hören. Warum auch nicht bei diesem grundsympathischen Kerl, der zwar oft bierernst schaut, aber doch zu mehr in der Lage ist, als zum Karaoke-Favoriten "Supergirl"?
Die gute Nachricht zuerst: Es beginnt ganz passabel. Schwermütig auf einer spanischen Grundstimmung errichtet, klammert sich die knappe Einführung "Take Your Best Shot" nur an Garveys kernige Bruststimme und an ein Gitarren-Paar. Die schlechte: Es geht nicht so weiter. Er erkennt in "Save A Life": "This life's too short for retrospect".
Trauer um das Dagewesene, ach wo! Volle Kraft voraus, mit Synthieschießereien quer durch alle wahrnehmbaren Klangfelder, wie im Titelstück "Can't Stand The Silence". Dieses und das nachfolgende "Sorry Days" reklamieren für sich die offizielle Werbemusik einer Casting-Sendung im Privatfernsehen, der Rea Garvey demnächst als Juror vor, und die uns noch bevor steht. "Auftragskomposition!", könnten da böse Zungen schimpfen. Garvey war wohl einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Es folgt ein pathetisches, Cello-beladenes "Colour Me In", bei der er in Bonos Höhen aufsteigt und feierlich kredenzt: "You colour me in / Turn me round when I'm wrong / You make me strong / You colour me in / You're the blue skies above / You're so easy to love / You colour me in." Bei dem chorischen Ba-Ba-Ba-Ba in "Hole In My Heart" dachte der fleißige Ire wohl doch noch zurück, an die gute alte Zeit von "Alive And Swinging", als er mit Michael Mittermeier, Sasha und Xavier Naidoo Gassenhauer des Rat Packs zum Besten gab. Ist doch Ehrensache, dass Naidoo jetzt mit von der Partie ist. Im Duett mit ihm lässt es sich besser um die Wette weltschmerzen und nölen, wie "My Child" beweist.
Mit den Zeilen zum letzten Lied "End Of The Show" gehen auch die letzten Lichter aus: "Disconnect the batteries, pull the sockets from the wall / Flip the kill switch cause this is the end of the show / It's time to go home." Ende nicht gut, gar nichts gut? Nein, nein. Ganz so schlimm ist es nicht, da wird sich schon für jeden was finden. Und wer Reamonn mag, dem wächst auch Rea Garvey solo schnell ans Herz.
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