laut.de-Kritik
Swing-Klassiker mit mädchenhaftem Charme.
Review von Klaus HardtRenee Olstead kommt mit einer Swing-Platte, auf der sie zum was-weiß-ich-wievielten Mal Klassiker des amerikanischen Songbooks mit viel Gefühl ins Mikro haucht. "Summertime", "Taking A Chance On Love", "Someone To Watch Over Me", "What A Difference A Day Makes" und sogar "Sentimental Journey" spielt eine Combo mit etwas Streichern und gelegentlich einem Bläsersatz. Darüber singt eine Frau mit Einfühlungsvermögen und guter Stimme.
Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass diese Frau ja noch fast ein Kind ist! Renee Olstead ist 15 Jahre alt und in den USA ein Kinderstar. Sie ist eigentlich beim Film und Fernsehen "groß" geworden. Neben zahlreichen Teilnahmen an Fernseh- und Werbeproduktionen, darunter die Hauptrolle in der Doku-Soap "The Making of a Child Star", spielte sie in den Hollywoodproduktionen "The Insider", "End of Days" und "2000's Space Cowboys" mit. Nebenbei schaffte sie es, auch noch zwei CDs im Country-Style beim eigenen Label aufzunehmen, ehe der Produzent David Foster auf ihre Swinginterpretationen aufmerksam wurde. Der Macher von Celine Dion besorgte ihr einen Vertrag bei Warnermusic, auf dass sie Männerherzen auf der ganzen Welt mit ihrem smoothen Gesang begeistere.
Ihre Interpretationen der Jazz- und Swing-Standards sind durchaus ordentlich geraten. Olstead variiert die Dynamik und deutet mit unterschiedlichen Klangfarben den Text aus. Mittels Phrasierungen baut sie Spannungsbögen auf, ab und zu kommt eine Koloratur hinzu. Bei "Summertime" zum Beispiel beginnt sie langsam ohne Begleitung mit freiem Timing. Die Stimme ist leise, zart und ein wenig hauchig. Technisch macht sie das schon sehr gut.
Nur beim schnellen Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme ist ein zu harter Bruch zu vernehmen. Ab der zweiten Hälfte der Strophe setzt das Klavier sparsam mit gebrochenen Akkorden ein. Gemächlich baut sich die Metrik auf. Ab der zweiten Strophe begleitet Bass und Schlagzeug. Die erste Strophe wiederholt sie dann noch einmal mit einer eigenen Variation der Melodie und dazu abgestimmten staccato Bläsereinwürfen. Gegen Ende des Stückes ist somit eine komplette Bigband zu hören. Entsprechend laut singt Olstead, und bei manchen tiefen Tönen lässt sie ihre Stimme absichtlich rau und kratzig klingen. Die letzte Phrase gehört ihr wieder fast alleine. Dabei wechselt sie noch einmal stark in der Lautstärke, während sie das Tempo rapide verzögert.
"What A Difference A Day Makes" beginnt nach dem gleichen Schema. Wieder flüstert sie mit mädchenhaftem Charme und freiem Metrum ins Mikrophon. Etwas später setzt eine Gitarre ein, ehe der Schlagzeuger sein Instrument fegt und gepflegte Bläser mit Dämpfersound und Klaviertriller die Gesangsmelodie umspielen. Ja, so macht man das. Für eine Teenagerin beweist sie erstaunliches Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Songklassiker. Die anderen Stücke laufen in ähnlicher Weise ab. Mal singt sie im Duett mit Peter Cincotti, mal sind mehr Streicher dabei, dann wieder mehr Bläser, oder andere Parameter sind leicht verändert, doch das nimmt sich alles nicht viel.
Allerdings gibt es diese Art der Song-Interpretation, die jeder feineren Hotelbar gut zu Gesicht steht, schon zuhauf. Würde eine erwachsene Frau die Stücke singen, interessierte sich kaum jemand für diese CD. Doch angesichts des zarten Alters von Olstead lassen ihre Künste natürlich aufhorchen. Ihre Fähigkeiten sind außergewöhnlich. Erstaunlich reif klingt das, was da auf CD gepresst wurde. Ihr fehlt noch Volumen in der Stimme, und die Technik kann sie ebenfalls noch verfeinern.
Auch mangelt es ihr selbstverständlich noch an Lebenserfahrung bei der Ausdeutung mancher Textstellen über die verflossene Liebe im speziellen und den Sinn des Lebens im allgemeinen. Das ist aber gar nicht schlimm. Um diese Dinge zu lernen, hat sie noch viel Zeit. Die spannende Frage ist, was Renee Olstead in Zukunft aus ihrem Talent macht? Wird sie sich unter den Fittichen des Celine Dion-Produzenten David Foster auf das Singen von weichgespültem Jazz und Pop beschränken. Dann entwickelt sich aus dem viel beachteten Wunderkind eine mehr oder weniger unbedeutende Sängerin. Oder schafft sie es, einen eigenständigen musikalischen Stil mit frischen Ideen heranzubilden? Damit würde sie sich einen bedeutenden Platz in den Musikszene verschaffen.
2 Kommentare
Hallo,
ja, der Artikel beschreibt die Sängerin überwiegend richtig, ist mir aber doch zu distanziert. Spätestens dann, wenn man einmal die Fassung von "Sumertime" bei "YouTupe", hier eine Aufzeichnung von VIVA gehört u. gesehen hat und eine Gänsehaut bekommen hat, wenn Renee Olstead, an Intensität zunehmend durch drei Tonarten aufwärts diesen Song interpretiert, der hat keine Zweifel mehr, dass wir es hier mit einem Ausnahmetalent zu tun haben, deren Stimme einem nahezu Leben einzuhauchen und zu "schreien " scheint. Unglaublich gut!!! Klaus Jakobi
Lieber Himmel, ich besitze das Album seit Sommer 2005. Es wurde in Deutschland im Mai 2005 veröffentlich, die Rezension kommt -wenn das Datum oben stimmt- aus Juni 2007. Hallo?
Ansonsten: das Mädchen kann was. Es gibt ganz ganz selten Jungstars, die sich als echte Rohdiamanten entpuppen. Renee Olstead gehört zu dieser seltenen Spezies.
Schade nur, daß man danach nichts mehr von ihr hörte, jedenfalls auf dieser Seite des großen Teiches nicht.