laut.de-Kritik
Echsen tanzen den Electro-Funk.
Review von Maximilian FritzElectro hat Hochkonjunktur wie lange nicht mehr. Und überraschenderweise besteht die junge, nachrückende Szene, die sich um das Subgenre formiert hat, kaum aus epigonalen Trittbrettfahrer*innen, sondern spült gefühlt einen interessanten Act nach dem nächsten an die Oberfläche.
Zu jener Sorte gehört ohne Zweifel Reptant, der sich in feinster Electro-Tradition eine Bilderwelt aufgebaut hat, die seine Musik gewinnbringend stützt. Um Echsenwesen geht es, die auf charmante pseudowissenschaftliche Art nicht nur fein säuberlich klassifiziert werden, sondern obendrein noch einen ganzen Planeten für sich gepachtet haben.
Dorthin kehrt Reptant, der auch als Lou Karsh veröffentlicht, auf "Return To Planet X'trapolis" triumphal zurück. Dabei setzt der Producer aus Melbourne auf eine Mischung aus Acid, Techno und Electro, in der es auch nach mehreren Durchläufen noch vieles zu entdecken gibt. Zunächst aber, die Tradition will es so, ein Ambient-Opener, der mit kristallinem Synth-Geblubber in die Atmosphäre einführt.
Anschließend dann mit "Planet X'trapolis" ein gerader Vierviertel-Track, der szenisch anmutet und die Ankunft in der Echsen-Hochburg angemessen untermalt. Spätestens hier drängt sich der unabdingbare Drexciya-Vergleich auf, allerdings weniger auf musikalischer denn auf programmatischer Ebene. Reptant entwickelt über die zehn Tracks ein Narrativ, führt Heiligtümer, Landschaften und Unterarten, meist militärischer Natur, seiner Parallelwelt ein.
Das geht glücklicherweise derart liebenswürdig vonstatten, dass von Respektlosigkeit nicht die Rede sein kann. "Forrest Of Squamata" führt in einen perkussiven Urwald, in dem es an allen Ecken von Reptilen und Kriechtieren nur so wimmelt, unterlegt mit einem rituellen Beat, der dem wilden Treiben Halt gibt.
"Native Mushrooms" im Anschluss fährt groovenden Electro-Funk im Sinne Dopplereffekts auf, klingt luftig produziert und führt nach zwei Minuten eine unwiderstehlich schuppige Synth-Melodie ein. "The Outcast" ist eine Electro-Nummer im konventionellen Sinn, was die ikonischen Snares nur bestätigen, klettert aber in immer intensiveren Acid-Spiralen von Höhepunkt zu Höhepunkt.
In "Temple Of Reptilius" hingegen transformiert sich das Zusammenspiel aus Kick und Snare relativ unerwartet zu einem dumpfen Kick-Gewitter, um in der zweiten Hälfte das Tempo zumindest vorgeblich wieder anzuziehen. Die Variationen liegen im Detail, sind aber gerade deshalb so attraktiv, weil Reptant sie nicht mit dem Holzhammer in den Gehörgang prügelt.
Die eigentliche Action spielt sich oftmals gar abseits der stabilen Beatkonstrukte ab. Sounds mit mal feiner, mal grobkörniger Textur wuseln ums Drumming wie allzu wendige Echsen um Gebäude, Baumstämme, Ruinen, die sie sich aneignen. Den stärksten Groove entwickelt wohl "Dilapidated Environment", das mit feister Klangpalette, ausschweifenden Pads und Spielereien in der Dynamik in puncto Abwechslungsreichtum seinesgleichen sucht.
"Gecko Force" als wabernder Downtempo-Exkurs und "Outermission" bringen "Return To Planet X'trapolis" souverän zu Ende. Reptant legt damit nach einigen EPs ein Debütalbum auf seinem eigenen Label vor, das vor Ideenreichtum nur so strotzt - und, man mag es kaum glauben, Electro nicht nur wertkonservativ interpretiert.
1 Kommentar
Besser geht kaum! ♡