laut.de-Kritik
Intimer Pop an der Grenze zur Eintönigkeit.
Review von Maximilian FritzZweite Alben sind immer eine komplizierte Angelegenheit, insbesondere nach gefeierten Debüts. 2013 legte das dänisch-kanadische Duo Rhye seinen Erstling "Woman" vor, der mit reduziertem Soundgewand und Mike Miloshs einnehmendem Gesang überzeugte. Nach über vier Jahren Pause und einem Bonobo-Feature setzt "Blood" den eingeschlagenen Weg konsequent fort, wie schon das Artwork andeutet.
Rhye servieren also angenehmen, mit elektronischen Ornamenten aufgehübschten Pop in der Nähe von The XX und Sohn, der für den Mainstream schon fast eine Spur zu ruhig daherkommt. Über allem schwebt Mike Miloshs androgyne Singstimme. Die bleibt auch auf "Blood" das Alleinstellungsmerkmal Rhyes, mit dem die Songs weitestgehend stehen und fallen.
So erscheint nur natürlich, dass sich auf dem zweiten Longplayer über die volle Dauer einige Abnutzungserscheinungen offenbaren. Zu oft steht die liebevoll arrangierte Musik, die auch auf klassische Instrumente zurückgreift, nur Spalier für die raumgreifenden Lyrics, die selbst für frisch verliebte Pärchen eine Spur zu schmalzig klingen: "Oh, baby, please. Oh, my heart's on the pavement. Oh, baby, please. Oh, my heart's on the pavement. Where we're building you and me. Don't cry that way."
Exemplarisch für beide Kritikpunkte stehen das eben zitierte "Please", "Stay Safe" und "Softly", wobei sich Letzteres schon fast unverschämt nach besagten The XX anhört.
Apropos Vergleiche: Die Vorabsingle "Taste" beweist mit funkigen "Get Lucky"-Gitarren, dass Rhye ein gewisser Drive in ihren Songs überhaupt nicht schadet. In diesem Fall steht die Melodie für sich und trägt genug zum Song bei, um nicht nur Steigbügelhalter zu sein.
"Feel Your Weight" im Anschluss konserviert diesen Ansatz erfolgreich, und besonders "Count To Five" entwickelt regelrechte Uptempo-Ambitionen. Der absolut gelungene Einsatz von Klavier und Streichern in Verbindung mit einem roh klingenden Synthesizer gegen Ende macht die Nummer sicherlich zu einem Highlight."Song For You" und "Blood Knows" glückt im Zentrum des Albums ebenfalls die Balance zwischen Rhye'scher Gravität und ansprechender Melodie.
Aufhorchen lässt auch "Phoenix", das mit tanzbarem Bass und dominierender E-Gitarre vor sich hingroovt und einmal mehr untermauert, dass Rhye ihre stärksten Momente haben, wenn sie sich aus bekannten Mustern hinaus auf unerforschtes Terrain wagen. Auf diese Weise bliebe auch nicht mehr allzu viel vom immer wieder bemühten Easy Listening-Etikett übrig.
"Sinful", das mit einer Akustikgitarre im Stil José González' eröffnet, beschließt "Blood" und unterstreicht die Variabilität, die Rhye durchaus zu bieten hätte, mit einer kontinuierlich aufgebauten, reichhaltigen Songstruktur nochmals.
So bleibt ein solides Album, das definitiv kein Reinfall ist, bei mehreren Durchgängen aber schnell Überdruss erzeugt. Das liegt ironischerweise zu großen Teilen am eigentlich so einzigartigen Gesang, der manchmal eine Spur zu anschmiegsam wirkt und eine nicht zu leugnende Eintönigkeit provoziert.
2 Kommentare
Musikalisch gesehen ist die Grenze zur Eintönigkeit aber deutlich überschritten und 3 Sterne sind dafür aber schon eine sehr wohlwollende Bewertung...
ich halte "blood" für ein rundherum höchst gelungenes popalbum. zustimmung zur treffenden beschreibung der uptempo-tracks.
die arrangements sind ausnahmslos weltklasse in ihrer balance aus klassiktupfern, nachtpop und r&b-schlagseite. in der tat ähnlich einnehmend wie sohn und aus meiner sicht in vielen momenten sogar intensiver als xx. insofern kann zumindest ich keinerlei abnutzungserscheinungen erkennen.
"Zu oft steht die liebevoll arrangierte Musik, die auch auf klassische Instrumente zurückgreift, nur Spalier für die raumgreifenden Lyrics, die selbst für frisch verliebte Pärchen eine Spur zu schmalzig klingen."
findste echt? empfinde ich genau gegenteilig. die filigranen arrangements geben der stimme gerade die chance, hier vor allem lautmalerisch zu klingen und die worte vor allem als klangkörper zu nutzen. was er da konkret singt, tritt hingegen auf eine sekundäre, eher hintergründige ebene zurück. und genau diese lediglich rahmende ebene kann man im gesamtkontext ebenso gut als stimmige romantik, als überbordendes gefühl betrachten, statt als kitsch. kitsch ist doch der feind echten gefühls und nur aufgesetzt. milosh kommt dagegen höchst authentisch rüber.