laut.de-Kritik
From rub-a-dub to ska, from reggae to dancehall.
Review von Dani FrommEigentlich fühle ich mich ganz wohl, als Veranstalter auf dem Altenteil. Doch machen wir uns nichts vor: einmal besessen, immer besessen. Das stelle ich fest, als ich mich nach dem Genuss des Debüts der River Gang doch schwer bremsen muss, um eben nicht einfach zum Hörer zu greifen, um die Herren einzuladen. Derart live-kompatibel und vergnüglich erscheint der Sound, dass man ihn sich am liebsten sofort im Club um die Ecke zu Gemüte führen möchte statt aus der Konserve.
Kein Wunder. Obgleich die Gang mit "Bumm Tunes Radio" ihren ersten Longplayer präsentiert, handelt es sich doch im Grunde um alte Bühnenhasen. Hervorgegangen aus der Besetzung des Big River Soundsystems, die immerhin bereits 2001 im Rhein-Main-Gebiet die rot-gelb-grüne Fahne aufgepflanzt hat, wissen Scharade, Finga und Mr. Winter sehr genau, wie man die Hintern in jeder beliebigen Dancehall zum Wackeln bringt. Dieses Wissen präsentieren sie uns im Rahmen einer fiktiven Radio-Show. Keine ganz neue Idee zwar, aber letztlich kommt es darauf gar nicht an.
"From rub-a-dub to ska, from reggae to dancehall" führt das Trio seine Crowd quer durch den Garten und zurück und verbreitet dabei "guuude Laune" in einer Dosierung, die jedem Miesepeter den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Bereits der Opener "Try Test" groovt in einer Weise ausgelassen daher, dass ich mich frage, ob ich mich nicht gerade eben noch über irgendetwas geärgert habe. Hab' ich doch. Oder? Egal, ich hab's vergessen - und noch mal egal, denn wer könnte schon eine Flunsch ziehen, wenn er ganz unverhofft Dr. Ring-Ding über den Weg läuft? Ich nicht.
Das Spiel der großen Jungs lässt sich ausgesprochen heiter an und geht lustig weiter. "Hier spielt die Musik, und wir sind erst am Anfang." "Run Come" entpuppt sich als nicht unerheblich krachender Dancehall-Tune. Am Mic: Die zwei mit den unikaten Stimmen heißen hier zur Abwechslung nicht Jan Delay und D-Flame: An Originalität stehen die Vocals von Scharade und Finga denen des Chefstylers und der Flamme kein bisschen nach. Ein kratziges Reibeisen, Toasting und Gesang, deutsche Zeilen und solche in Patois purzeln hemmungslos durcheinander und ergeben ein farbenfrohes Bild, dem Mr. Winter an den Reglern den passenden Rahmen zimmert.
Der nimmt vielerlei Formen an: Vom klassisch-sommerlichen Reggae-Groove mit Orgelklängen über den erdigen Roots-Tune und die unvermeidliche Lovers Rock-Hymne hin zum wuchtigen, nur auf Bass und Synthies reduzierten Tanzbodenbrett ist alles dabei. Zuweilen tönt es ein wenig harmlos, gar zu sehr auf den Spaß an der Freude fokussiert und nicht gerade innovativ. Ausgiebig wird den Mädels beim Tanzen zugesehen ("Keine"). Liebeserklärungen an die Musik ("Hör Ma Zu") und die Damenwelt ("Top A Top") habe ich auch bereits die eine oder andere gehört, und das "Was wäre wenn ..."-Spielchen, mit dem in "Imagine" mit Unterstützung Nattyflos eine bessere Welt zusammenphantasiert wird, mutet mittlerweile schon recht ausgelutscht an.
Scharade und Finga können aber auch anders - und zeigen dies glücklicherweise oft genug. So lässt mich "Du Ganz Allein" schon ein wenig sinnierend zurück. "Willst du etwas nicht, dann lass es sein." Sollte es wirklich so einfach sein? Sollte wirklich alles gut werden, wenn man nur fest genug darauf vertraut? Für die Dauer von "Follow My Road" bin ich gewillt, das zu glauben. Und wofür würde ich wohl meine "Drei Wünsche" verbraten?
Ich wünschte, ich hätte nicht vergessen, Mr. Winter spätestens für den Bass in "Lass Es Raus" die Hände zu küssen. Ich wünschte, deutscher Hip Hop hätte mehr Material des Frischegrades zu bieten, wie ihn einheimischer Reggae aktuell auffährt. Ich wünschte, ich würde noch veranstalten. Vielleicht überleg' ich mir das noch mal mit dem Ruhestand. Wo ist mein Telefon?
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