laut.de-Kritik
Auch Yuppies haben manchmal den Blues.
Review von Sven KabelitzDer Blues von Robert Cray steckt fest im feinen Zwirn. Oft wirkt alles zu adrett um wirklich zu berühren. Seine Karriere startete in den Yuppie-Jahren der 1980er, und bis heute fischt der Sänger und Gitarrist oft nur an der Oberfläche.
Selbst sein Gitarrensound schließt sich dem Gesamtbild an. Seine klare Klangfarbe wurde von Albert Collins und B.B. King beeinflusst, bleibt dabei aber immer weich und leicht zu verdauen. Stets etwas zu unterkühlt, kann man auf die großen Gefühlsausbrüche lange warten. Ein IKEA-Billy-Bausatz des Blues. Selbst Weißbrot-Kopien wie Clapton und Gary Moore klingen zum Teil ursprünglicher.
Das Vorgängeralbum "Cookin In' Mobile" war hierzulande nur als Import erhältlich. Nun reicht wieder ein einfacher Besuch beim Plattenhändler, um "Nothing But Love" zu erwerben. Produziert wurde es von Kevin Shirley, der bereits mit Aerosmith, Europe, Journey und den Black Crowes gearbeitet hat.
Doch der Cray hat schon lange seine Nische gefunden, und in der macht er es sich mit "Nothing But Love" schön kuschelig. Ein plötzlicher Ausbruch scheint undenkbar. So ist das Album solide, aber niemals auch nur im Ansatz überraschend.
Dabei hält sein mittlerweile fünfzehnter Longplayer wirklich packende Momente parat. Die Vorabsingle "(Won't Be) Coming Home" erklärt dem Cray-Laien den Musiker und seine Band innerhalb von fünf Minuten punktgenau. Eine Art Pop-Blues, der Gesang und das Spiel der Gitarren-Legende ins rechte Licht rückt. Zusammen mit dem vom Latin-Rock angehauchten "Worry" gelingt ein furioser Start.
Das musikalische Tragwerk von "Nothing But Love" wird durch Soul, Jazz und R'n'B gestützt. "I'll Allwas Remeber You" spielt mit Big-Band-Jazz Elementen, wirkt aber anbiedernd und überladen.
"Side Dish" tönt wie eine Zusammenarbeit mit den altehrwürdigen Stones. Fast bleibt man enttäuscht zurück, wenn am Ende der Einsatz von Jaggers Stimme ausbleibt. Trotzdem ein ordentlicher Blues-Rocker.
Danach geht es leider abwärts in austauschbare Gefilde. "A Memo", ein Song der laut Cray "so tut, als ob Präsident Obama dir erklären würde, was läuft", kippt schnell in seelenlosen Soul. Das Cover des Bobby Parker-Stücks "I'm Done Crying" wirkt langweilig und uninspiriert.
Die Talsohle erreicht "Sadder Days". Ein "Kokomo" des Blues, zu dem in beige gekleidete Menschen an einem vom Sonnenuntergang geschmückten Sandstand eine behagliche Partie Boule spielen können. Zuschauer der Partie schunkeln verträumt im ZDF-Fernsehgarten-Takt.
Im neun-minütigen "I'm Done Cryin'" macht Cray doch noch einmal alles richtig. Minimalistisch und sachte von einer Schweineorgel in Szene gesetzt, bleibt unendlicher Raum, den der Sänger auch endlich mit seiner Präsenz zu füllen weiß. Ein Spotlight auf die Fähigkeiten des Musikers. Mehr davon wäre schön und nötig gewesen.
So aber klingt "Nothin But Love" in schlechten Momenten wie nette Hintergrundmusik für ein teures 5-Sterne-Restaurant, will niemanden wirklich stören und keinesfalls Aufmerksamkeit. Die Menschen sind schließlich zum Essen da. Nur in der Spiegelhalle wird etwas lauter gedreht. Aber wollen wir das Album deswegen abwatschen? Nicht nur arme Menschen aus dem Mississippi-Delta, auch Yuppies haben manchmal den Blues.
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