laut.de-Kritik

Prickelnder Song-Cocktail aus Jazz, Blues, Swing und Pop.

Review von

Ein aufregendes Jahr liegt hinter Roger Cicero: Nahezu aus dem Nichts katapultierte sein Debüt-Album "Männersachen" den Künstler in höchste Charts-Regionen. Ausverkaufte Konzerte begeisterten die Besucher, beim European Song Contest vertrat Roger die deutschen Farben. Auch bei der ECHO-Verleihung und "Goldener Stimmgabel" räumte der Berliner ab.

Nun liegt mit "Beziehungsweise" der zweite Longplayer des Sängers vor. Und dokumentiert beeindruckend seine persönliche Weiterentwicklung und ganz eigene Note, was den Transport klassischer Musik- und Stilelemente in die Jetztzeit angeht.

Bereits mit der Single "Die Liste" legt Cicero ordentliche Musik-Scheite ins prasselnde Swing-Feuer. Der Titel überzeugt mit Druck, Tempo, Spielwitz - und natürlich einem charmant-ironischen Text. Der Berliner hält die Liebes-Zügel fest in seiner Hand: "Ich hab' dich ganz groß auf dem Zettel / Du bist der Lichtblick meiner Wahl / Ich leg' dich ab in meinem Register / Und dann würd' ich gerne mal / Du bist eine, mit der man mal müsste / Man müsste sich nur mal trau'n / Du stehst ganz oben auf meiner Liste / Der noch zu küssenden Frau'n". Im von der Story her originellen "Nimm deinen Kerl zurück" glänzt Cicero besonders mit seiner stimmlichen Wandlungsfähigkeit.

"Sie will es nun mal" ist nur vordergründig in Text-Anzüglichkeit gewandet, musikalisch schillert ein lateinamerikanisches Sound-Kostüm. In "Ich hab' das Gefühl für dich verlor'n" springt Roger mit Verve ins Musik-Balladenfach der fünfziger Jahre mitsamt kräftigem Blues-Anstrich, schwellender Orgel und messerscharfen Bläser-Sätzen. Langeweile hat keine Chance auf "Beziehungsweise" - immer wieder legt Cicero mit großem Abwechslungsreichtum nach.

So in "Das Experiment", einem Cool-Jazz-Swing mit einer erneut ausgefeilt formulierten, spannenden Story um die Flüchtigkeit von vermeintlichen Liebes-Gefühlen. Frei von jeglichen Text-Klischees und mit hochspannendem Story-Aufbau versehen - ein klarer Note 1-Song! Das Pop-lastige "Alle Möbel verrückt" erinnert an eine zu Unrecht vergessene Udo-Jürgens-Komposition aus den siebziger Jahren.

Doch Cicero versteht sich auch auf die leisen Töne. "Ich hätt' so gern noch Tschüss gesagt" zeigt sich als sehr persönlicher, anrührender Titel, den Roger seinem verstorbenen Vater widmet. Hier zeichnet Cicero als Text-Co-Autor zusammen mit Frank Ramond verantwortlich. Entspannt lässig verabschiedet Cicero die Fans mit dem charmanten, leichtfüßigen "Bin heute Abend bei Dir".

Im Unterschied zum ohnehin bereits glänzend eingespielten "Männersachen" klingen die Songs auf "Beziehungsweise" noch gelöster, luftiger, mit noch mehr Drive und Dynamik ausgestattet. Sauber herausgespielte, feine Details und Finessen sowie der Einsatz von Blues, Salsa- und Samba-Elementen garantieren Vielfältigkeit und Abwechslung

Cicero und sein Team gehen nicht den bequemen Weg, überstrapazierte Classics lediglich hip und frisch einzufärben. Keine Spur von nostalgisch-verklärten Blicken ins Gestern: Sämtliche 13 Tracks präsentieren sich als brandneue Kompositionen, wobei das Erfolgs-Produzentengespann Frank Ramond/Matthias Haß erneut den Löwenanteil beisteuerte. Willkommen also in Roger Ciceros hell erleuchtetem Ballsaal. Das Interieur ist erlesen, die Band exzellent, und im Ambiente überschäumender Song-Champagner-Seligkeit lässt sich feiern. Pop, Jazz, Blues, Swing - der Cicero-Cocktail mundet einfach prächtig mitsamt all seinen erlesenen Zutaten; von Meisterhand zusammengestellt und liebevoll-einfallsreich garniert. Zum Wohle!

Trackliste

  1. 1. Die Liste
  2. 2. Nimm Deinen Kerl Zurück
  3. 3. Kein Abendessen
  4. 4. Sie Will Es Nun Mal
  5. 5. Ich Hab Das Gefühl Für Dich Verlor'n
  6. 6. Das Experiment
  7. 7. Wovon Träumst Du Nachts
  8. 8. Der Anruf
  9. 9. Schöner War's Ohne
  10. 10. Alle Möbel Verrückt
  11. 11. Gute Freunde
  12. 12. Ich Hätt' So Gern Noch Tschüss Gesagt
  13. 13. Bin Heute Abend Bei Dir

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17 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Eine CD für einsame Frauen, die mittlerweile so weit sind, dass sie jeden nehmen würden. Wen macht denn an, wenn ein Kerl sing: "ich leg dich ab in meinem Register ..".

  • Vor 17 Jahren

    Tja, die Meinungen über Ciceros Texte scheinen recht geteilt zu sein.

    Der laut.de Autor nennt sie "charmant-ironisch" oder "frei von jeglichen Text-Klischees und mit hochspannendem Story-Aufbau versehen".

    Dagegen schimpft die Süddeutsche über "ideologisches, lyrisches und allgemein gedanklich-sprachliches Gerümpel. Die Ansammlung von Phrasen und abgehalfterten Sprüchen ist enorm, und auch sie tragen bestenfalls den Charme des Pubertären. (...) Sinnfrei oder zwangserotisiert.
    (http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeige…)

    Ansichtssache?

  • Vor 17 Jahren

    @Melissa17 (« Eine CD für einsame Frauen, die mittlerweile so weit sind, dass sie jeden nehmen würden. Wen macht denn an, wenn ein Kerl sing: "ich leg dich ab in meinem Register ..". »):

    Bierernst darf man so eine Zeile natürlich nicht nehmen - warum auch?

    Das einzige, was dieser SZ-Vernichter lobt, ist die Band-Arbeit, ansonsten wird nur kräftig dreingeschlagen. So etwa:

    "Auf der neuen CD ist das etwas besser abgestimmt, er hat seine Stimme ein wenig ausbauen können, aber die falsettierende Nähe zu Jürgen Drews ist nicht zu leugnen."

    "Und er wundere sich, dass neuerdings auch kreischende Teenies in seinen Konzerten auftauchten. Aber wo sollen die hin, wenn Howard Carpendale so selten auftritt?"

    (..) "ob als kalauernder Phrasendrescher oder als Jazz-Imitator, der insbesondere in den vorgeblich improvisatorischen Passagen kläglich versagt."

    So sollte der gute SZ-Mann mal die Live-DVD oder einen direkten Konzert-Besuch in Angriff nehmen. Und seine Alice Schwarzer hat er gut konsumiert, der Herr, sonst würde er nicht so grimmig gucken:

    (...) "altertümelnde Sozial- und Geschlechterromantik."

    Besonders gefährlich ist sicher Ciceros dort zitierte Aussage:

    "An Frauen liebe er die "Mischung aus mütterlicher Fürsorglichkeit und dann wieder so was Geheimnisvolles", sagt Roger Cicero".

    Allein MÜTTERLICHKEIT! Ein neuer Fall Eva Herman? Darf man so ein Wort überhaupt benutzen? Irgendwie schwingt dann beim Artikel-Lesen da so was mit.

    Aber was rege ich mich auf. Die Süddeutsche schreibt auch oft genügend Mist über Bayern München - und schließlich: "SZ. Was wissen die schon." [/homer] :D