laut.de-Kritik
Charmante Swing-Schmankerl mit kleinen Schönheitsfehlern.
Review von Artur SchulzSmart steht er da auf dem Album-Cover herum, aber nicht zu vordergründig lässig; in klassischer Crooner-Pose mit Hut, ohne Jackett und locker gebundener Krawatte. Eine geradezu typische Rat-Pack-Szenerie, und man erwartet, dass sich im nächsten Moment Frank Sinatra und Dean Martin hinzugesellen. Aus naheliegenden Gründen ist das natürlich nicht machbar. Und auch nicht notwendig: Denn das Solodebüt von Roger Cicero steht absolut für sich selbst.
Die süffigen und einfallsreich getexteten Songs mit ihrem Mix aus leichtfüßigem Swing, dezentem Pop-Appeal und atmosphärischen, angejazzt-verrauchten Balladen gefallen und unterhalten prächtig. Das beginnt bereits mit dem Opener "Zieh Die Schuh Aus": Zunächst scheint da ein selbstverliebter Schnösel am Werke zu sein – im Refrain hingegen entpuppt der sich allerdings rasch als der bedauernswerte Hauspuschen-Spielball des dominanten, weiblichen Parts der Song-Story.
Aber Roger lässt nicht locker: Als "Kein Mann Für Eine Frau" schlendert er, amouröse Abenteuer suchend, beschwingt über den Song-Boulevard. Doch nur das Ego allein im Vordergrund, das funktioniert nicht. Der Sänger erkennt: Mit etwas gutem Willen findet schließlich jede/r seine gut funktionierenden "Kompromisse". Wenn trotzdem überhaupt nichts mehr geht, bietet Roger "Schieß Mich Doch Zum Mond" an – das einzige Cover unter den sonst sämtlich eigens komponierten Songs des Albums: Das Original "Fly Me To The Moon" zählt zu den Standards des klassischen amerikanischen Entertainments.
Den "Fachmann In Sachen Anna" trifft es hart in einer elegant komponierten, zurückgenommenen Ballade:
Glaubhaft-melancholisch irrt Roger in der nächtlichen Finsternis seiner verlorenen Liebe hinterher. "Ich Idiot Ließ Sie Gehen" lässt mit leichter Song- und Texthand weitere Risse im Herzen des scheinbaren Machos durchschimmern. Amüsant und mit viel Wortwitz lärmt die Tier- und Menschen-Menagerie in "Das Ganze Leben Ist Ein Zoo" samt launiger Dixiland-Anleihen. Zu "Du Willst Es Doch Auch" kann in weiten Teilen fröhlich Billy Pauls "Me And Mrs. Jones" mitgesungen werden. Ach, ich bezeichne es mal nicht als Klau, sondern als liebevoll-gelungene Referenz.
Hinter dem Debüt des Mittdreißigers stehen zwei in den letzten Jahren äußerst erfolgreiche Namen: Komponist Matthias Hass und Texter Frank Ramond führten mit ihrem Teamwork bereits Annett Louisan in höchste Charts-Regionen. Sie schneidern auch Roger Cicero ein ganz individuelles, überzeugendes musikalisches Profil auf den Leib. Ramond beweist nachhaltig, dass er zu den derzeit besten Textern im Lande gehört: Seine amüsanten Wortspiele und nur ganz selten in ausgetretenen Pfaden wandelnden Lyrics illustrieren punktgenau alltäglich-männliche Befindlichkeiten.
Die Arrangement-Arbeit zeigt sich angenehm Old-Fashioned, aber niemals verstaubt oder angejahrt. Im Gegenteil: Witz, Frische und Pfiff stehen eindeutig im Vordergrund. Bestnoten verdient sich neben dem gut aufgelegten, elfköpfigen Begleitorchester die Abmischung des Albums: Lebendig und mitreißend animiert das musikalische Treiben in Rogers Tanzclub den Zuhörer zum mitschnippen. Ciceros Stimme ist sauber in den Vordergrund gelegt und muss sich nie gegen zu laute Bläsersätze durchsetzen – der gut austarierte Sound-Rahmen sorgt für ungetrübten Hörgenuss.
Ciceros variable, klare Stimme legt sich mit Verve in jede Aufgabe – doch dann und wann fallen Überbetonungen in der Akzentuierung etwas negativ auf: Etwa wenn aus "Gesetz" ein "Gesäätz" und aus "schlecht" ein "schläächt" entsteht. Etwas mehr Zurückgenommenheit käme besser. In "Mein Guter Stern Auf Allen Wegen" wackelt es mitunter in den stimmlichen Höhen. Nervig: Der Gebrauch des abgenutzten Wörtchens "Geil". Besonders, weil es ziemlich oft auftaucht:
Es gibt da etwa den "Geilen", oder mal Reminiszenzen an eine "Geile Zeit." Das passt zu den JuliSilbermonden – aber nicht auf eine beschwingt-mondäne Swing-Scheibe! Das negative Sahnehäubchen darauf ist der abschließende Bonus-Track: "So Geil Berlin". Igitt! Nicht nur, weil bereits genügend Berlin-Songs in einem altbekannten Koffer vor sich hin modern. Berlin klingt also geil, küsst geil und so weiter und so weiter. Kein Wunder, dass für nicht wenige Mitbürger unsere überpräsente Hauptstadt oft heftigst stinkt – und dies mit Recht.
Das Schönste an Berlin bleibt unzweifelhaft die atemberaubende Büste der Nofretete im ägyptischen Museum, doch dann ist auch schon ziemlich Schicht im Kudamm-Schacht. Schade um den Song, denn in Sachen Komposition und Arrangement zählt er zu den stärksten Alben-Tracks. Vielleicht einfach umtexten. "So Schön Schwerin" klänge doch auch phonetisch viel angenehmer.
Roger Ciceros "Männersachen" sind ohne Frage auch für die Vertreterinnen des zarten Geschlechts mehr als nur eine flüchtige Eroberung wert. Interpretiert mit Stil, Können und Witz samt Unterstützung eines blendend aufgelegten Orchesters sind Roger Ciceros Songs willkommene Begleiter für duftige, heitere Sommertage oder den verliebten, abendlichen Engtanz. Willkommen im Club!