laut.de-Kritik
Wenn Roberts über Rogers rocken.
Review von Manuel BergerDüsseldorf mal wieder. Schön, dass man sich nach Toten Hosen und Broilers nicht an einen neuen Sound gewöhnen muss. Die Rogers bedienen das Deutschpunk-Schema F bravourös. Mit ihrem dritten Album "Augen Auf" könnten sie sich endgültig zur nächsten Größe der Stadt aufschwingen.
Sound, Hitpotenzial und Livetauglichkeit des Materials spielen jedenfalls in der ersten Genreliga mit. Sänger Chri Hoffmeier verfügt definitiv über eine Stimme, die Massen unterhalten kann. Das raue, freche Straßenkind hat er genauso drauf wie voluminöse, stadiontaugliche Refrains. Songmäßig ist alles vorhanden, was ein solches Publikum hören möchte:
1. "Wohin geh ich? Und wo komm ich an? / Das sind Fragen, die uns niemand beantworten kann". Gelegentliche Zweifel gehören dazu, letztendlich sollte man frohen Mutes mit "Wohin" in die Zukunft schreiten. Sollte was nicht klappen, kann man zur Not auch nochmal von vorn anfangen.
2. Sollte wirklich mal etwas schief gehen, verordnen Dr. Roger und seine Assistenzärzte das tanzbare "Vorbei" als kollektivtaugliche Gangshout-Hymne zur Trennungstherapie. Lass dich nicht hängen, du bist nicht allein, alles wird wieder gut.
3. Irgendwann wird es eben Zeit, erwachsen zu werden. Vielleicht ist das Leben nicht mehr Dauerparty, aber immer das selbe wäre ja auch langweilig: denn jedes Ende bereitet "Platz für etwas Neues". "Die Nachbarn Von Oben" jedenfalls werden sich immer an uns erinnern.
4. Dennoch schwelgt man natürlich gerne in Erinnerung – egal in welchem Alter. Die beste Zeit war nämlich doch irgendwie, als man mit Rotznase und geflickter Hose mit den Kumpels vom "Helden Sein" träumte.
5. Trotz aller Träume kann man die Augen nicht vor der Realität verschließen. Denn weil ihr immer alle wegguckt, wundert ihr euch jetzt, dass die "Tagesschau" plötzlich von schrecklichen Dingen in deiner Nähe berichtet. Jaja, der "Mensch" ist eben ein Krebsgeschwür, der die Welt "vor die Hunde" gehen lässt.
Außerdem darf natürlich die Anti-Nazi-Hymne nicht fehlen. Damit eröffnen Rogers "Augen Auf" und brüllen "Denn ihr seid sowas von 1933". Die Distanzierung könnte in "Nie Euer Land" kaum klarer ausfallen. Nur warum muss man eigentlich immer mit pubertärer "Verpisst euch"-Lyrik zurückschlagen? Nur weil das die Besungenen genauso machen? Musikalisch sticht der Track aufgrund seiner vergleichsweise metallischen Ausrichtung heraus.
Insgesamt fahren Rogers aber eine fokussierte Linie, die sich in der Mitte zwischen Punk-Anleihen, Radio- und energischem Hard Rock einpendelt. Vom Gaspedal gehen sie selten, was dem Drive der Platte zugute kommt. Dabei besitzen sie durchaus Gespür dafür, ihre Power-Chord-getriebenen Songs vor der Langeweile zu bewahren. In der Regel ziehen Rogers im richtigen Moment eine Melodie- oder Epik-Karte, um die Stücke spannend zu halten. In den Refrains haben sie die Aufmerksamkeit ihrer Hörer dank knallender Hooks in beinahe jedem Song ohnehin sicher.
Ziemlich in die Hose geht allerdings "Helden Sein". Hier klingt der Refrain bestenfalls bemüht, den Todesstoß versetzt der Gastauftritt von Sebastian Madsen. Der fragt müde: "Wo sind sind all die wahren Helden hin?" und ist dabei ebenso Gefangener dröger Achtel-Palm-Mutes wie seiner eigenen stimmlichen Limitiertheit.
In Sachen Gastauftritten entschädigen Rogers allerdings, indem sie der Special Edition eine Bonus-EP ihrer Alter Ego-Band Die Roberts beilegen. Gemeinsam mit unter anderem Wölfi von den Kassierern und Feine Sahne Fischfilets Monchi covern sie "Es Gibt Kein Bier Auf Hawaii", "Lieb Ficken", "Ich Möcht' Der Knopf An Deiner Bluse Sein" und vier weitere Kalauer. Dabei reißen die Düsseldorfer ein schön garagiges Punk-Brett ab und legen nochmal eine gute schippe Energie im Vergleich zum Hauptalbum drauf. Laut und plärrend mausert sich das Zubrot zum eigentlichen Highlight.
Textlich und musikalisch bietet "Augen Auf" zwar wenig Unausgesprochenes, dafür bemüht sich die Band im Rahmen der Hörgewohnheiten der Fans von eingangs genannten Stadtverwandten genau wie von Frei.Wild und Co. (auch wenn sie das womöglich nicht gern hören: "Wohin" und "Früher" könnten sowohl lyrisch als auch instrumental von den Südtirolern stammen) um eine erfrischende Vortragsweise. Insgesamt zeigt der Daumen nach oben, etwaige Zweifel daran räumen Die Roberts aus.
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