laut.de-Kritik
Der Druck nagt mehr an Sabrina, als man erwartet hätte.
Review von Yannik GölzDas zweite Album ist immer das schwerste. Vor allem, wenn es eigentlich das siebte ist. Sabrina Carpenters "Short & Sweet" ging 2024 so fundamental durch die Decke, dass es ihre ganze Geschichte, ein schon gescheitert geglaubter Disney-B-Lister zu sein, quasi ausgelöscht hat. Sie war wieder Debütantin, sie stand neben Chappell Roan und Charli XCX als Speerspitze der neuen Pop-Exzellenz, sie war das It-Girl der Stunde. Sie war plötzlich wieder Newcomer. Und solange die Stunde günstig ist, sollte sie wahrscheinlich baldestmöglich nachlegen.
"Man's Best Friend" ist ein solides Album, das von der Wucht der Erwartungen ein wenig eingeschüchtert scheint. Sabrinas ganzer Durchbruch kam ja erst, nachdem sie nach Jahren der harten Arbeit und durchwachsener Resultate gefühlt anfing, den Fick nicht mehr zu geben. Songs wie "Nonsense" verknüpften ihre klaren Pop-Einflüsse mit einer gehörigen Portion Brainrot. Und in einer Ära, in der jeder Pop-Artist gefühlt aus dem Pop fliehen wollte (Olivia in den Rock, Taylor in den Indie und Billie in alle Richtungen gleichzeitig), war sie die eine moderne Stimme, die Pop wirklich als Genre in Ehren hielt. Sabrina war nicht wichtig, sie war nicht highbrow, sie war nicht die Stimme einer Generation. Aber sie war ein charmanter Charakter, wahnsinnig fashionable und unwiderstehlich fun.
"Man's Best Friend" wurde zuerst via Cover mit einem kleinen Outrage-Marketing-Stunt beworben (der wirklich nicht auf diesem Level hätte funktionieren dürfen, kommt schon). Und als die Diskurs-Maschine tobte, ob Sabrina jetzt feministisch oder ein Pick-Me-Girl sei, legte sie die Lead-Single "Manchild" nach, die in vielerlei Hinsicht einen Mikrokosmos für das ganze Album vorzeichnete.
"Manchild" wird von einem fantastischen, briesigen Refrain getragen und kombiniert clever den Country-Trend der letzten Jahre mit souveränem, eingängigen Synth-Pop. Dazwischen haben wir zwei Parts, auf denen Sabrina mit aller Kraft versucht, Catchphrases zu generieren.
Sabrina ist der witzigste Popstar, den wir haben. Ihr Humor ist es, der "Short & Sweet" von einer soliden Pastiche zu einem wirklichen Starmaker gemacht hat. Aber der Humor auf dem Follow-Up hat zwei Probleme: Erstens hasst Humor den Druck. Und zweitens lebt Humor von der Subversion von Erwartungen. Dieses Album unterbricht quasi jede zweite Zeile den Flow der Verses, um noch eine kleine Hook extra, noch ein klein bisschen mehr Betonung, noch ein bisschen mehr Highlight einzubauen. Aber wenn alles Highlight ist, ist nichts Highlight.
"Manchild" ist ein Beispiel dafür, vielleicht sogar das Schlimmste. Die Parts fühlen sich an, als wären sie aus Hit-Tweets und alten Witzen zusammengeschustert. Man merkt, dass sie die Gefühle der Girlies zu ihren toxischen Beziehungen wieder kanalisieren möchte, doch was ihr zuvor so natürlich gelang, fühlt sich hier seltsam Lizzo-esk an. "Why so sexy if so dumb?", singt sie, oder "and I like my men all incompetent / And I swear they choose me, I'm not choosing them".
Im Grunde ist "Man's Best Friend" ein Album, das auf einen großen Witz aufbaut. Nämlich, dass Sabrina ein riesengroßer Simp ist, der es besser wissen sollte. Und das ist keine schlechte Prämisse. Mehrere Tracks knien in die Niederungen dessen hinein, wie absurd es sein muss, straighte Männer zu daten. Bonus-Pathos von der Tatsache, dass nicht einmal einer Frau so reich, wunderschön, sympathisch und lustig wie Sabrina Carpenter es vergönnt scheint, dass Typen jenseits des ersten Vögelns noch Interesse an ihr zeigen würden.
In ihren Country- und Vintage-Pop-orchestrierten Fuckboy-Hymnen wie "Never Getting Laid" oder "Sugar Talking" kommt sie in der Galligkeit fast an eine Lily Allen heran. Und gerade auf diesen Tracks funktioniert das Albumkonzept eigentlich ziemlich gut. Das Genre des Fuckboy-Blues wird ja gerade nicht zu knapp bespielt - und ich glaube, Sabrina hat ihren Zeitgenossinnen darin viel voraus, dass sie diese Frustrationen nicht anklagend und verzweifelt in die Nacht schreit, sondern über Männer redet, als wären sie kleine, dämliche Hunde, die es nicht besser wissen. So klingt das ganze Album wie ein Running Gag auf ihre eigenen Kosten, der dann erst in zweiter Instanz auf Kosten der Kerle geht. So zum Beispiel auf der zweiten Single "Tears", wo sie launig der Reihe nach durchgeht, wie absolute Minimal-Konsens-Eigenschaften und Nicht-Soziopathie für sie die größten Turn-Ons wären. Der Joke hier in erster Ebene, dass sie sehr leicht zu beeindrucken ist. Der Relay-Joke ist, dass der aktuelle Dating-Markt sie wohl gelehrt hat, von diesen Dingen beeindruckt zu sein.
Und trotzdem: Immer wieder versucht "Man's Best Friend" bemüht, diese Balance zu finden. Und noch bemühter klingt es danach, auf gar keinen Fall zu bemüht zu klingen. Dabei gerät es über manche Strecke gleichzeitig anbiedernd und verwirrend. "My Man On Willpower" ist eine komische Nummer, die das Nicht-mehr-Melden eines Typens so dreht, dass Sabrina denkt, er würde plötzlich eine große Wandlung zur Selbstbeherrschung durchmachen. Es ist eine clunky Prämisse, die sehr davon lebt, dass man schon irgendwie weiß, wo sie damit hinwill. Aber ein richtiger Selbstläufer ist es trotzdem nicht.
Das ist dann auch das Schicksal von ein paar anderen Tracks. "When Did You Get Hot?", "Go-Go-Juice" und "Never Getting Laid" klingen, als hätte man 2012-Disney-Film-Musicalnummern ein FSK 16-Rating verpasst. Sie arbeiten offensichtlich von einem komödischen Kern weg und haben ihre Momente, sind inhaltlich aber lange nicht so klar und konzise wie die ihres Vorgängers.
Gerettet werden sie allenfalls dadurch, dass Sabrina und Haupt-Produzent Jack Antonoff einmal mehr sehr souveränen Pop-Geschmack beweisen. Wenn ich sage, viele Songs klingen nach Disney, ist das nicht einmal negativ gemeint. Denn was diesen Sound hier vor dem Klischee schützt, ist die Pop-akademische Aufarbeitung der Wurzeln. Viele Songs nehmen Inspiration, von denen die Showtunes unserer Kindheit Inspiration nehmen. Es wirkt eben viel classier, wenn man nicht einfach nur nach Disney Channel klingt, sondern die Ideen des Brill Buildings, von Motown und aus Nashville nimmt, deren poppigste Aspekte dann wiederum Disney-Pop gefärbt haben. Das Outro "Goodbye" klingt von oben bis unten wie ein Schlager-Track, sogar die Lyrics.
Aber auch das ist etwas, das sich ein bisschen als Problem mit Sabrina herauskristallisiert. Die Frau hat fantastischen Geschmack - aber jeder Song, jede Produktions-Einlage, gar jeder ihrer großen Fashion-Momente lebt von einem augenzwinkernden Verwerten eines großen Netzes an Referenzen. Alles beweist Knowledge, alles beweist ein cheeky Gefühl dafür, wo man sich positionieren will. Aber man merkt, wie fragil dieses Gebilde ist. Wenn die Songs großartig sind, steht das alles für sich. Aber in den Momenten, in denen man Tweets statt originellen Lyrics zu hören glaubt - und der Song auh nur wie irgendetwas klingt, das man schon einmal gehört hat: Wer ist Sabrina Carpenter dann?
"Man's Best Friend" beantwortet diese Frage nicht abschließend. Ein Jahr nach dem großen Durchbruch legt man affirmativ nach. Aber während sich "Short & Sweet" anfühlt, als würde es inspiriert und neugierig in eine neue Persona stolpern, klingt Album, als versuche man, dem eigenen Pressetext gerecht werden. Weil Sabrina lustig ist, mussten eben lustige Lyrics geschrieben werden. Weil Sabrina für die Girls ist, muss man irgendwelche derer Erfahrungen verwursten. Es bleibt ein klanglich absolut solides Album voller Hooks und starker, individueller Performances. Aber es fehlt die Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit, die den Vorgänger so außergewöhnlich gemacht hat - und klingt eben mehr, als würde der Druck, den selben Moment fortzusetzen, mehr an Sabrina nagen, als wir erwartet hätten.
3 Kommentare mit 2 Antworten
"Sabrinas ganzer Durchbruch kam ja erst, nachdem sie nach Jahren der harten Arbeit und durchwachsener Resultate gefühlt anfing, den Fick nicht mehr zu geben." Es muss schon ein hartes Schicksal sein, als freiberuflicher Schreiberling für nen Hungerlohn regelmäßig irgendwelche Scheißalben zu besprechen. Anders sind solche verbalen Griffe ins Klo nicht zu erklären. Spätestens wenn man dann noch vier Sterne für so einen Plastikschrott vergibt, sollte man noch mal ganz von vorne anfangen.
Dann geh doch Gruftmetal hören oder Störgeräusche auf der Toilette vertont. Du weißt ja, wer mehr im Leben steht.
Oder Flatulenzenchöre. In einem hat er recht: ynk vergeudet immens Lebenszeit wie Talent an Kernschrott
Das Album wirkt am Ende einfach, als hätte sie versucht, das Prinzip ihres letzten Albums zu wiederholen, aber die wirklich guten Ideen waren leider schon verwendet. Zudem ist die erste Hälfte etwas sehr zäh und macht nicht wirklich Spaß. Da es das Prinzip eines absoluten Bangers wiederholt ist das Album immer noch in Ordnung, aber kommt dann doch bei weitem nicht an Short N Sweet heran.
Die Review liest sich eher wie eine 3/5 and das ist dieses Album dann auch.