laut.de-Kritik
Das aktuelle Album um Zusatzmaterial erweitert.
Review von Toni HennigErst im letzten Jahr veröffentlichten Saltatio Mortis ihr aktuelles Album "Für Immer Frei". Auf dem gingen die Karlsruher zwar musikalisch zu sehr auf Nummer sicher und schossen hier und da auch textlich mitunter übers Ziel hinaus, ließen aber durch die enorme Hitdichte die Konkurrenz im Deutschrock- meets Mittelalter-Sektor größtenteils hinter sich.
Seitdem hat sich bei Saltatio Mortis Einiges getan. Lasterbalk gab nämlich Anfang dieses Jahres seinen Abschied von der Bühne bekannt. Als frischgewordener Vater möchte der Drummer seine Tochter beim Aufwachsen begleiten, bleibt aber der Band als Songwriter und Manager treu. Seine Drumsticks hat er an Jean abgegeben.
Ein erstes Resultat dieser Veränderungen bildet die Unsere Zeit Edition von "Für Immer Frei", die neben der Hauptplatte mit einer zweiten CD aufwartet, auf der man neue Eigenkompositionen, Coverversionen und alternative Versionen von Albumsongs findet.
Die neuen Stücke aus der Feder der Karlsruher dürften jeden Anhänger wunschlos zufrieden stellen. "Nie Allein" erweist sich mit schunkeligen Rhythmen, mitsingbarem Refrain sowie unbeschwerten Sackpfeifentönen als gelungene Hommage an Gerry And The Pacemakers' "You'll Never Walk Alone". Mit "Unsere Zeit" und "Funkenregen" bekommt man zwei treibend rockige Tracks, die über eine rotzige Punk-Schlagseite verfügen und so auch auf der Hauptplatte hätten landen können.
Die Coverversionen hinterlassen hingegen einen weniger zufriedenstellenden Eindruck. Zumindest kommt in der Neueinspielung von Nathan Evans' TikTok Sea Shanty "Wellerman" durch die dominanten Folk-Einflüsse und dem markanten Reibeisengesang Aleas gute Laune nicht zu kurz.
Dagegen fragt man sich, welcher Schnapsidee es geschuldet war, sich "My Mother Told Me" aus der "Vikings"-Serie zu Eigen zu machen. Wenn jedenfalls NDH-Gitarren aus der tiefsten 90er-Jahre-Mottenkiste auf klischeehaft instrumentierte Nordic-Folk-Rhythmen treffen und Alea den Refrain auf Englisch und den eigentlichen Text in den Strophen in traditionell nordischer Sprache zum Besten gibt, stellt das nicht unbedingt einen interessanten Spagat zwischen Tradition und Moderne dar, sondern wirkt reichlich aufgesetzt und konstruiert. Da bilden Wardruna eine deutlich traditionellere und authentischere Alternative, die alles andere als unmodern wirkt.
Noch schlimmer fällt die Coverversion von Eskimo Callboys "Hypa Hypa" aus, die Saltatio Mortis schon im Frühjahr veröffentlicht haben. Aus einer Party-Nummer zum Fremdschämen erwächst nämlich nicht automatisch ein Juwel, nur weil man sie mit peitschenden Schlagzeug- und treibenden Gitarren-Klängen sowie ausgelassenen Sackpfeifentönen darbietet.
Die Neueinspielungen von Songs des Hauptalbums bieten da schon etwas Mehrwert. In der alternativen Version von "Geboren Um Frei Zu Sein" tauscht die Band die ursprünglichen Dudelsackklänge gegen muntere und harmonische Gitarrentöne aus, was dem Stück ein wenig mehr Melodiösität verleiht. "Nie Allein" kommt in der Proberaum Session im rein akustischen Gewand daher und erweist sich als nette Dreingabe.
Alles in allem lässt es sich sicherlich darüber streiten, warum man ein Album nach einem Jahr noch einmal auf den Markt werfen muss. Dafür zeugt das zusätzliche Material, wenn man von ein paar Ausrutschern absieht, durchaus von Qualität.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Ist diese ganze Pseudo-Mittelalterkacke mit Stromgitarren eigentlich ein rein deutsches Phänomen, oder gibt es solchen Rotz auch in anderen Ländern? Subgenre aus der Hölle.
Das gibt es in anderen Ländern auch, allerdings abgeschwächter. Möglicherweise auch deshalb, weil sich kaum Anbiederungsmöglichkeiten bieten, was hierzulande anders ist. Viele der deutschen Vertreter sind ja auch erst dann so erfolgreich geworden, als sie sich Deutschrock und -pop, der kommerziell betrachtet einfach bestens funktioniert, geöffnet haben. Und das ist ja das eigentliche Phänomen daran. Bei Saltatio Mortis ist dieser vermeintliche Aufstieg besonders auffällig, weil er sich mit der Hinzunahme von massentauglichem Mitsing-Stadionrock inklusive Woho-Chöre und Allgemeinplatzlyrik manifestierte. Fans werden das Weiterentwicklung nennen, was gewissermaßen auch stimmt, allerdings ist das kein künstlerischer Fortschritt, sondern ein rein kommerzieller. Ob man Mittelalterrock nun mag oder nicht: Saltatio Mortis und auch andere Interpreten dieses Subgenres haben früher durchaus passable, eigenständige Musik geschrieben.
Man höre sich nur "Aus der Asche" an und dann den Müll der letzten Jahre.
Die Praktik, roundabout ein Jahr nach dem Release eines Albums nochmal dasselbe Album mit Bonusmaterial zu veröffentlichen, geht mir derbe auf den Keks.
Dass so ein Mummenschanz überhaupt mehr als zwei Punkte kriegt…