laut.de-Kritik
So wunderbar kann Hip Hop sein.
Review von Dani FrommWenn das zweite Album den Zauber des Debüts nicht zerstört, sondern weiter ausbaut und um neue Facetten erweitert, dann hat jemand alles richtig gemacht. Das unsinnige Vorhaben, künftig ausschließlich Interludes zu produzieren, hatte Samon Kawamura glücklicherweise für "Translations" bereits in die Tonne getreten.
Sein Faible für die Kürze, in der der Mär nach die Würze liegen soll, zeigt sich auf "Unfold" ohnehin oft genug. Zahlreiche Zwischenspiele schlagen Brücken zwischen den einzelnen Tracks, umreißen musikalische Einfälle - und enden, ehe man ihre Komplexität ganz erfassen konnte.
So ist der Anfall von Latin-Fever ("Interlude") kuriert, ehe er richtig zum Ausbruch kommt. Ta'Raachs Einsatz im wunderbar verzerrten "Lovelude" scheint vorüber, kaum dass er das Mikrofon zu fassen bekommt. Glück für alle Beteiligten, dass dieser exzellente MC in "Get Down" noch einmal ausführlich gefordert wird.
Die Rüge an der enttäuschenden Kürze etlicher Nummern muss am Anfang stehen. Möglich nämlich, dass man beim Versuch, über alles andere zu berichten, unkontrolliert ins Schwärmen gerät. Dann ist es mit der Kritik vorbei. In etwa jetzt.
Seufz. Wie wundervoll darf Hip Hop bitte sein? Samon Kawamura gewährt neue Blicke in sein akustisches Kaleidoskop, gestaltet Collagen fürs Ohr und webt schillernde Klangteppiche. Flächige Sounds treffen auf knochentrockene Drums, Flötentöne, Cuts, Scratches, Geräusche, körperlos, ja, unwirklich scheinende Klänge - und, im Gegensatz zum rein instrumental gehaltenen Vorgänger, auf unterschiedlichste Vocals.
Einen Schritt in Richtung R'n'B geht Om'Mas' Gesang in "Sugar Hill". Kev Browns Worte fließen in "Still Significant" wie ein breiter, majestätischer Strom. Madlibs kleiner Bruder OH NO nimmt den Streichern in "Right Here" mit kompromisslosen Raps den Kitsch. Aloe Blacc, ebenfalls aus dem Stones Throw-Lager, räumt in "Try" die allerletzten Zweifel aus: "No, don't ever try to tell me that I'm trying again. I'm just doin' it."
Laura López Castro haucht "No Te Puedo Ver" den Bossa Nova ein. Der Hintergrund wirkt hier zunächst immer gleich. Die Wiederholungen erweisen sich jedoch als nur scheinbarer Natur. Ständig wechselnde Details erinnern an das Wellenmuster einer glitzernden Wasseroberfläche, das ebenfalls einem permanenten Wandel unterworfen ist.
"Unfold": ein überaus treffender Titel. Im Kopf entfalten sich bunte Bilder von in Sonnenstrahlen tanzenden Staubkörnern, Spaziergängen im Grünen, verheißungsvoll hereinbrechender Dunkelheit und Reisen durch die Nacht. Kawamura unternimmt in Gesellschaft Christian Prommers einen Abstecher in den House ("Cp2sk"). Mit Roberto Di Gioia als Verstärkung am Rhodes-Piano entsteht über Gebühr anspruchsvoll arrangierter Softpornosound.
Ein um seine Hörer besorgter Produzent sorgt nach den Abschweifungen, zu denen er verführt, selbstredend für eine sanfte Landung. Wie an einem Flughafen werden die Gedanken am Ende jedes Tracks mittels Stimmfetzen, Kommentaren und Geräuschen empfangen. Willkommen zurück auf dem Boden der Realität. Ja, danke. Ich hatte einen höchst angenehmen Flug.
9 Kommentare
Ja, tolles Album und schöne Review dessen; 4/5 Punkte sind dem auch angemessen.
"Unfold" ist im Vergleich zum doch eher mittelmäßigen Vorgänger ein großer Schritt nach vorn für Kawamura. Die recht überschwängliche (4/5)-Wertung für "Translations" sollte da vielleicht nochmal überdacht werden.
herrliches album und danke für die review!
katastrophal langweilig, aber gehyped wie das erste album. schlimm.
wenn da leute von stone-throw ihre finger im spiel haben, muss das schon was bedeuten. bin heute an son sticker vorbeigelaufen (wie ich jetz sehe das album cover) und dachte nur is viellei sido! ich find echt auf dem cover sieht der n bissl aus wie sido und wenn man an der laterne vorbeiläuft und nur kurz draufschaut, dann ers recht.
wie dem auch sei, hab bisher nochh nie was von dem gehört, aber binjetz ersma neugierig geworden. ma schaun.
peace
meiner meinung nach viel zu gut bewertet worden. ich würd dem album allerallerhöchstens 3/5 punkte geben. is einfach langweilig
Mir gefällt der Vorgänger auch besser. Unfold hat zweifelsohne seine Highlights (Still Significant, Try und No te puedo ver), allerdings sind einige Tracks auch relativ belanglos. 3,5/5 wäre wohl meine Wertung.