laut.de-Kritik
Bei Brasiliens James Last findet Herr Rossi sein Glück.
Review von Sven KabelitzFür ihre Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien haben sich die "schwindligen FIFA-Flöten" (Matthias Opdenhövel) etwas ganz Besonderes ausgedacht. Auf dem Sampler "The 2014 Fifa World Cup Official Album: One Love, One Rhythm" lassen sie Pitbull, Jennifer Lopez, Wyclef Jean, Avicii und andere Universaldilettanten die für die FIFA wichtigste Einnahmequelle der Welt besingen. Selbst Carlos Santana und Aloe Blacc mit "The World Is Ours (Coca-Cola 2014 World's Cup Anthem)" schrecken vor einem Auftritt nicht zurück. Der Vuvuzuela-Lärm, der die WM in Südafrika begleitete, hatte mehr Rhythmus, Herz und Magie.
Mitten drin im Getümmel: Sérgio "Mas Que Nada" Mendes, der James Last Brasiliens. Wer in diesem Vergleich nur Negatives sieht, sollte sich noch einmal bewusst mit unserem Hansi befassen ("James Last In Los Angeles"). Bei beiden handelt es sich um exzellente Arrangeure, doch haben sie vor langer Zeit für sich beschlossen, ihr Glück in seichteren Gewässern zu finden. Dafür scheint aber selbst in Butzbach die Sonne, sobald Sérgios Bossa Nova ertönt.
Den Medienrummel um die Weltmeisterschaft nutzt der gewitzte Mendes natürlich, um im Fahrwasser seines mit Carlinhos Brown aufgenommen WM-Songs "One Nation" noch während des Turniers mit "Magic" einen neuen Longplayer zu präsentieren.
Statt wie die brasilianische Nationalmannschaft mit einem Eigentor in den Wettkampf zu starten, haut Mendes zu Beginn gleich zwei Bälle ins eigene Netz. Während "One Nation" alle dämlichen Klischees, die einem Fußball-Song inne wohnen, vereint, lebt im darauf folgenden "My My My My Love" die grauenhafte Zusammenarbeit mit Will.I.Am auf. Gemeinsam hatten die beiden auf "Timeless" schon manchen Mendes-Klassiker verstümmelt. Nach diesem fürchterlichen Auftakt müffelt es für "Magic" stark nach Vorrunden-Aus.
Ein klarer Fall von denkste! Hat man diesen Fehlstart erst einmal verdaut, sammelt sich der "King of Bossa Nova". Gemeinsam mit John Legend geht in "Don't Say Goodbye" endlich die Sonne auf, und "Magic" erblüht in all seiner kitschigen Pracht. Mendes startet zur entspannten Sommernachtsparty, die um so besser funktioniert, je näher er sich seinen Wurzeln im Samba und Bossa Nova nähert.
Herrlich gestrig klingend, entspannt sich das Album von seinem anbiedernden Beginn. Die Eiswürfel klimpern im Glas, während Scott Maxos Saxophon im Titelstück in all seinem 1980er-Pomp glänzt. Mika Muttis Mundharmonika verzuckert die vor schmackhaftem Schmalz triefende Ballade "Atlantica". Die Flöten (nicht die von der FIFA) trällern genüsslich durch "When I Fell In Love". Im Hintergrund tanzt Hella von Sinnen seit fünfundzwanzig Jahren in ihrem Haifischkostüm den Tschaka-Tschaka-Tanz. Hier findet Herr Rossi sein Glück.
Fröhlich, romantisch und stets Mainstream-kompatibel zelebriert Sérgio Mendes das Leben. Während die Füße kaum mehr still stehen wollen, durchziehen das von der Nachwuchskünstlerin Maria Gadu gesungene "Meu Rio" honigsüße Streicher. "Meine primäre Motivation ist es, schöne Songs aufzunehmen", erklärt Mendes. In diesem traumverlorenen Moment gelingt es ihm.
Wars der Mondenschein? Oder wars der Wein? Egal. "Magic" schwankt nach zwei Schandtaten zwischen leichtfüßiger Unterhaltung, entspannter Hintergrundmusik und romantischer Schnulze. Ganz nah am Kitsch und drüber hinaus zaubert Sérgio Mendes selbst in das griesgrämigste aller Gesichter noch ein Lächeln.
Noch keine Kommentare