laut.de-Kritik
Kleinodien von Kleinasien bis Bad Kleinen.
Review von Alexander CordasZum ersten Mal war ich bei Shantel skeptisch: Der Klops "Anarchy + Romance" lag mir noch zu sehr im Magen. Um es aber gleich vorweg zu nehmen: Auf "Viva Diaspora" fliegt wieder ordentlich die Kuh.
Auf siebzehn Songs breitet Stefan Hantel seinen Hörer einen schön fluffigen Teppich aus reichlich Offbeat, Dub, Reggae und Balkan-Quetschereien, die in zahlreichen Sprachen untermalt wurden.
Die üppige Tracklist mag den Anschein erwecken, man bekomme hier auch Füllmaterial vorgesetzt. Aber irgendwie bekommt Hantel es hin, dass "Viva Diaspora" am Stück hörbar bleibt, ohne dass man viele Gedanken an die Skip-Taste verschwenden möchte.
Woher all die Ideen für die Songs stammen, verschwindet im Crossover der Kulturen, Sprachen und Stile. Man findet sich in einem polyglotten Konglomerat wieder, bei dem man vergeblich versucht, die Wurzeln der Tracks zu bestimmen. Aber wer ein offenes Ohr für Songs hat, die nicht primär aus dem Formatradio stammen, stößt hier auf eine erstaunlich vielfältig gefüllte Fundgrube, in der es sich zu stöbern lohnt.
Dass Shantel eine ausgewiesene Vorliebe für den Offbeat pflegt, kommt auf "Viva Diaspora" immer wieder zum Vorschein. Das schiebt, das drückt, das rummst immer wieder recht vorzüglich. Lediglich zwei Dinge stören: zum einen die Verwurstung von "Chase The Devil" bzw. "Disco Devil" Max Romeo respektive Lee Scratch Perry, zum anderen die wiederholt durchblitzende Autotunisierung der Vocal-Lines. Kann man über die Verjaulung des Gesangs hinwegsehen, darf man sich an einigen Kleinodien erfreuen, die auch gerne in Kleinasien über das Kleinwalsertal bis nach Bad Kleinen gehört werden.
Ein Paradebeispiel dafür, wie Shantel 2015 seinen Sound definiert, bietet "The Streets Where The Kids Have Fun". Den Anfang macht eine unwiderstehliche dubbige Bassline, die den Roots-Rhythmus begleitet. Im weiteren Verlauf gesellen sich orientalisch klingende Gitarrenläufe hinzu, die den Track hervorragend ergänzen. Das hat Hand und Fuß und wummert gar köstlich vor sich hin. Der eingestreute Rap-Part toppt das Sammelsurium dann noch mit einer hübschen Kirsche. Shantel gönnt dem Song nach vier Minuten einen erholsamen Breakdown, um dann noch eine Ehrenrunde zu drehen. Sehr fein.
Das darauf folgende "Oriental Chacha" klingt wie ein Bastard aus leftfieldscher Sound-Konstruktion und Sindbad, dem Seefahrer. Hin und her wummert der Bass, da wird einem ganz schwummrig. Leider dauert die Bass-Massage nur etwas mehr als zweieinhalb Minuten. Daraus hätte man gut und gerne einen zwölfminütiges Monstrum züchten können.
Shantel sammelt seine Einflüsse aus der Diaspora. Da darf man gerne mitfeiern und ebenjene hochleben lassen!
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