laut.de-Kritik
Vom Zeitgeist entkoppelt: einer der besten House-Producer unserer Zeit.
Review von Maximilian FritzSieben Tracks, karg benannt, spielerisch und dennoch durchdacht produziert, 46 Minuten Spielzeit. Das sind die harten Fakten zu Shinichi Atobes fünftem Album "Yes". Darauf webt der japanische Klang-Eremit abermals engmaschige Teppiche aus Deep House, Dub und einfühlsamen Techno-Loops in routinierter Fasson - die vom Experimental-Techno-Duo Demdike Stare durch ihr Label DDS dankenswerter Weise zugänglich gemacht werden.
Der Opener "Ocean 7" verzückt dabei ohne den Atobe-typischen gedämpften Beat, und ist ein überraschend greller Synthesizer-Jam, der sich über fünf Minuten erstreckt und den absoluten Trademark-Track "Lake 2" vorbereitet. Dumpfe Kicks, vielschichtige Snares, fast haptische Ornamente im Beat und im Hintergrund ein dezentes Piano-Sample. Das sind gemeinhin die Zutaten, die Atobes Tracks ausmachen. Schon hier sollte übrigens das grandiose Mixing Rashad Beckers nicht unerwähnt bleiben, der jede Spur so klar herausarbeitet, dass sie über Bluetooth-Box, Kopfhörer oder Soundsystem ähnlich viel Spaß macht.
Das gilt selbstredend auch für den Titeltrack, der nach einer Minute schlagartig zum Leben erwacht und das Piano dieses Mal in einen beinahe gleichberechtigten Dialog mit den elektronischen Klangerzeugern treten lässt. Wieder stellt sich eine sorglose, absolut harmonische Stimmung ein, durch die eine beinahe kindliche Naivität schimmert.
"Lake 3" hingegen fällt perkussiver und epischer aus, schwingt sich mit organischem Drumming und hallenden Chords, die mit der Zeit klarer erscheinen, in die Lüfte, nur um von massiven Kicks geerdet zu werden. Nach etwa fünf Minuten drängt sich noch ein leicht verstimmtes Klavier à la Larry Heard ins Bild, sorgt nuanciert für eine neue Facette im ohnehin schon optimalen Loop.
Uptempo-House-Avancen dann in "Rain 4", das Erfolgsrezept bleibt bei verändertem Tempo allerdings ähnlich. Samtene Beats, spürbare wie schrullig geklopfte Töne auf behutsam ausgebreiteten Synthesizer-Betten: Das formvollendete Ineinandergreifen sämtlicher Elemente, klandestin und doch zu jeder Zeit vernehmbar. Anders lässt es sich Atobes Arbeit nicht beschreiben.
Schlaue Produzent*innen erkennt man auch daran, dass sie wissen, wie viel sie ihren Hörer*innen zumuten können. Dass Atobe zu diesen gehört, zeigt "Loop 1" anschaulich. Über die Dauer der restlichen Tracks wäre dieses atonale, aufscheuchende Klangexperiment sicherlich zu viel des Guten. So aber bildet das Stück einen lohnenden Kontrast zum Rest des Albums.
"Ocean 1" wandert zum Abschluss mit leichter Drexciya-Note zwischen diesen beiden Polen und gibt dem traumhaften Album über etwa neun Minuten den epochalen Abschluss, den es verdient. "Yes" steht für sich, vom Zeitgeist entkoppelt, möglicherweise schon vor Jahren in Atobes Studio produziert. Und zeigt mühelos, dass sein Schöpfer zu den besten House-Musiker*innen unserer Zeit gehört.
1 Kommentar
Vielleicht bin ich nicht allzu stark in der House-Szene drin, aber wodurch ist die hohe Punktzahl gerechtfertigt? Ein paar gute Sounds sind tatsächlich dabei, aber zum einen klingt es auf eine Art minimalistisch, die eher auf einen Anfänger in Sachen DAW schließen lassen, und zum anderen ruiniert der Künstler seine eigentlich guten Loops mit irgendwelchen unnötigen Zwischentönen (s. Rain 3), die aus einem gechillten Song eine unhörbare Sache machen. Es wäre tatsächlich ein Minimal-Meisterwerk, würde er diese Störklänge einfach mal weglassen. Und das Intro ist sowieso Müll.
Wer wirklich gute, minimalistische elektronische Musik hören will, der ist besser bei Gesaffelstein aufgehoben.