laut.de-Kritik
Das wuchtige Comeback der Dubstep-Ikone.
Review von Johannes JimenoNeun lange Jahre kein Album ("Jack Ü" ausgeklammert), nur vereinzelte Singles und dann plötzlich zwei LPs auf einmal. Skrillex, die Dubstep-Ikone, feiert sein Comeback mit einem Paukenschlag. Äußerlich hat er sich schon mal verändert: Nerdbrille und der Sidecut sind passé, dafür einen generellen Undercut samt Man Bun, Bart und ohne Nasenfahrrad. Nach persönlich äußerst schwierigen Jahren fühlt er nun wieder inneren Frieden und fokussiert sich auf die Musik.
Chronologisch nach Erscheinungsdatum nehmen wir uns "Quest For Fire" als erstes vor die Brust mit einem hübschen Cover und dem etwas veränderten Logo. 45 Minuten und über 20 verschiedene Künstler sowie Featuregäste geben sich die Klinke in die Hand. Ein auf dem Papier wuchtiger Auftritt. Doch was steckt dahinter?
Sonny Moore nimmt sich ein Potpourri aus klassischem Dubstep, Two-Step Garage, Brostep sowie House und verwebt diese zu einem ansehnlichen Klanggewand. Futuristische Soundkollagen mit überraschenden Wendungen und Rhythmuswechseln zeugen von Skrillexs Fertigkeit als DJ und Produzent, der Einflüsse aus verschiedenen Regionen der Welt addiert. Ein wichtiger Schritt, möchte man den eigenen Erfolgen nicht hinterherhecheln und Relevanz in der Jetztzeit beweisen.
"Leave Me Like This" führt in seine Welt mit flottem Two-Step, klassischem Drop und bratzigen Dubstep-Bässen ein. Als Gegenpol fungiert die helle Stimme Bobby Raps. Hypnotisch und hektisch geht es in "Ratata" zu, wenn Missy Elliott feurig ein paar Lines spittet und dabei ihr Hit "Work It" interpoliert wird. Mr. Oizo hilft an den Reglern, die elektronischen Spielereien zusammenzuhalten.
Dystopische, rotierende Drone-Sounds ertönen in "Tears" mit flirrenden Hit-Hats und in sich einkippenden Drops. Distortion und gecrunchte Synthies gleiten harmonisch hinein. Ähnliches ertönt bei "Rumble", wenn sich die Bassdrum wie ein Hubschrauber durch den Gehörgang wummert. Wunderbar nerdiger Techstep. "Butterflies" kommt einem Sportwagen gleich als geradliniger und kompromissloser Two-Step-House. "Inhale Exhale" und "A Street I Know" bieten ebenfalls Liebe zum Detail mit etlichen Broken Beats und Ideen, drücken jedoch stellenweise leicht auf die Bremse.
Danach zeigt "Xeno" orientalische Rhythmen mit der palästinensischen Sängerin, Komponistin und Flötistin Nai Barghouti. Dank des traditionellen Gesangs vermengen sich euphorische Drops, stampfende Bässe und Drum'n'Bass-Einschübe zu einem auditiven Hochgenuss. Dazu zählt auch der Juked-Remix von "Too Bizarre", der mit für den Chicago Juke bekannten, superschnellen Kickdrums und schwindlig getakteten Snares durchrauscht, bei dem Swae Lees durch den Fleischwolf gehäckselte Stimme perfekt dazu passt.
Der Rest von der Suche nach dem Feuer gerät nicht mehr allzu spannend, liefert dennoch solide Qualität in diversen Subgenres: Reggae-Dub in "Hydrate", Liquid Drum'n'Bass in "Good Space" und melodisch-entspannter Garage-House als süßlichen Abschluss mit Label-Kollege Porter Robinson bei "Still Here (With The Ones That I Came With)". Einzig der Remix-Track "Supersonic (My Existence)" flext die Muskeln mit langsam kratzenden Synthies, als ob ein Transformer über den Metallboden gezogen wird. Ein wenig unfertig klingt er aber trotzdem.
Skrillex meldet sich stilsicher und experimentierfreudig zurück und behält dabei clever seinen Trademark-Sound. Trotz der zahlreichen Kollaborationen verkommt "Quest For Fire" nie zum Flickenteppich, sondern steht für ein interessantes und modernes Moodboard elektronischer Klänge. Mal sehen, was Album Nummer zwei, "Don't Get Too Close", für uns bereithält.
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Fun.