laut.de-Kritik
Bässe muss man nicht hören, Bässe muss man spüren ...
Review von Dani Fromm"Ich wollte nie wie ihr sein. / Es ist das Ende unserer Trilogie / Denn nichts ist umsonst. / Ich will nichts hören von dem, was war / Und nicht wissen, was kommt." Tefla und Jaleel ziehen mit ihrem dritten Album Bilanz; dass dies, mit Blick auf die heutige Rapszene, nicht ganz ohne Bitternis vonstatten geht, verwundert nicht. Überraschend kommt für mich allerdings das Ausmaß der Nachdenklichkeit und die leise Resignation, die sich durch weite Teile des Albums zieht. "Ich bin zu alt für eure unerfüllten feuchten Träume" - mit derartigen Einsichten war nach dem vor clubtauglichen Bouncern strotzenden Vorläufer "Direkt Neben Dir" nicht unbedingt zu rechnen. Sei's drum, die neue Besinnlichkeit steht den beiden Chemnitzern eigentlich ganz gut zu Gesicht.
Die Produktion, selbstverständlich weitgehend aus dem Hause Phlatline, gestaltet sich mehr als ordentlich; die Herren Shusta, Ron und Jaleel persönlich leisten gute Arbeit. Einzig Jaleels "Wundervolle Welt" laboriert an zu flachem, schwammigen Bass; in Verbindung mit einer doch ziemlich lahmen R'n'B-Hookline von J-Luv und den sich für meinen Geschmack entschieden zu ausgiebig in Betroffenheit suhlenden Lyrics ist hier kein Blumentopf zu gewinnen. Bässe muss man nicht hören, Bässe muss man in erster Linie im Magen spüren können - der Rest des Albums zeigt, wie das geht. "Es Ist Zeit" rollt in dieser Beziehung ebenso dick heran, wie Draches bombastisches "Lutsch! Leck! Saug!", in dem ganz nebenbei mit "peinlichen Bitches wie Catee" ... Upps! Ich bitte um Verzeihung: "Katie Price" abgerechnet wird. "Dumme Rapper rappen das, was dumme Jungs wollen", heißt es hier. Ich notiere mir zur weiteren Verwendung die schöne Bezeichnung "Strichmännchengangster".
Was haben wir noch? Wie kann es anders sein: hochgepitchte Vokalsamples galore, ohne die es derzeit einfach nicht zu gehen scheint. Shusta bringt in "Ihr Junge" Annie Lennox' "Why" auf Hochtouren, auch "Helden Weinen Nicht" und "Der Vorhang Fällt" bedienen sich des Erfolgsrezepts der Stunde. Man kann dieses Konzept auch überstrapazieren; irgendwann zeigen sich selbst geduldigste Hörer von Heliumstimmen genervt - zumal ständig die Gefahr besteht, dass einen die Frage "Woher zum Teufel stammt das Sample?" bis in die tiefsten Träume verfolgt. Irgendwann muss damit doch auch wieder gut sein, Jungs. Oder nicht?
Ich lasse mich allerdings problemlos durch eine vergnügliche, raptechnisch gelungene Version von Warren Gs "Regulate" versöhnen: OK, mit diesem Klassiker einen Fehler zu machen, wäre ein Kunststück. Pleite sein stört nicht weiter, lerne ich in "Ich Schein", so lange die Fassade stimmt: eine Vorstellung, die mir zwar nicht die Sonne aus dem Arsch strahlen lässt, die aber nichtsdestotrotz viel Tröstliches birgt. "Kids" (inklusive Erinnerungen an die gute alte Zeit) geht vollkommen in Ordnung.
Der soulige Lovesong "Du Und Ich" gerät glücklicherweise lange nicht so rührselig, wie es im schlimmsten Fall möglich gewesen wäre. "Wir Renn' Den Scheiß" berichtet, zu einem ganz schön fetten Beat übrigens, darüber, was es in den Straßen von Chemnitz so alles NICHT gibt. Abgesehen von dem bei allem vorgeschobenen Zorn doch recht weinerlichen "Ich Hab Dir Vertraut" stimmen Atmosphäre, Flow und Beats; die in "Lass Sie Reden" aufgeworfene Frage "Wie promote ich das Album ohne Diss?" harrt allerdings noch ihrer Beantwortung.
"Was Will Ich Mehr" bildet einen ruhigen, bedächtigen Ausklang. Ob das wirklich das Ende der Wortmeldungen aus Chemnitz war, bleibt abzuwarten. Die Erleichterung darüber, dass es bisher noch keine Gangsta-Rapper aus Stuggi gibt, möchte ich auf jeden Fall in vollem Umfang teilen. Hoffentlich haben Tefla und Jaleel mit dieser Äußerung mal kein Fass aufgemacht.
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