laut.de-Kritik
Mehr Metal als Symphonic: Neues von der Ex-Nightwish-Sängerin.
Review von Manuel BergerNachdem Anette Olzon bei Tuomas Holopainen in Ungnade gefallen war, dauerte es nicht lange, bis sie nicht nur bei Nightwish, sondern in der gesamtem Metalszene weitestgehend von der Bildfläche verschwand. Zwar war sie seit 2012 immer wieder in Projekte involviert und veröffentlichte vor einigen Jahren ihr erstes Soloalbum. Die Öffentlichkeit nahm allerdings nur wenig bis gar keine Notiz davon.
Für The Dark Element tat sie sich nun mit dem langjährigen Sonata Arctica-Mitglied Jani Liimatainen zusammen, um das zu ändern. Davon, neue Maßstäbe im Symphonic Metal zu setzen, ist die frisch gegründete Formation zwar weit entfernt, aber Aufmerksamkeit verdient hat sie allemal.
Nähe zu Nightwish lässt sich freilich nicht von der Hand weisen. "My Sweet Mystery" hat "Storytime"-DNA, "Dead To Me" klingt teilweise wie eine Beta-Version von "Shudder Before The Beautiful". Daran ändert auch Niilo Sevänen (Insomnium) nichts, dessen Gastgrowling auf dem Papier präsenter ist als auf Platte. Der textliche Gothic-Vibe hilft der Emanzipation freilich nicht weiter.
Allerdings wollen The Dark Element ja genau die Fans abholen, die sich die metallische Olzon zurückwünschen. Was die Qualität der Stücke angeht, kann man der Band kaum etwas vorwerfen. Die Gitarrenarbeit mag alles andere als innovativ sein, aber sie ist songdienlich, und die Riffs taugen zum Bangen ohne Abnutzungserscheinung. Auf sie legt Liimatainen auch das Hauptaugenmerk.
Er versucht nicht, mit Holopainen in Sachen orchestraler Überwältigung zu konkurrieren, sondern schrieb banddienliche Tracks. Um sie umzusetzen, braucht es keine (digitale) Musikerarmee. Zwei Gitarren, Keyboard, Gesang, Bass und Schlagzeug reichen live. So zerfasert "The Dark Element" nicht in gewollten Details, sondern ist in der Lage, seine Kraft ohne viel Trara zu entfesseln.
Wichtigstes Element bleibt natürlich die Stimme Olzons, auf die die Stücke zugeschnitten sind. "Mein Ziel war es, eingängige Songs mit Hooks, die dich in deinen Träumen heimsuchen, zu schreiben", erzählt Liimatainen. Das gelingt ihm zwar nicht immer (das geradlinige "The Ghost And The Reaper" läuft eher auf Durchzug), aber oft genug. Die erste Gesangsmelodie mit Ohrwurmpotenzial haut Olzon in "The Dark Element" schon vor dem eigentlichen Refrain raus. In diesem folgt dann die zweite.
Ihre Stärken hat die Sängerin nach wie vor in den mittleren Registern. Statt sich mit Opernarien aufzuhalten, setzt sie auf kraftvolle Rock/Pop-Melodien. Insofern steht ihr die im Vergleich zu Genrekollegen beinahe schnörkellose Ausrichtung The Dark Elements sehr gut. Hier geht es weniger um den Symphonic-Anteil des Symphonic Metal, sondern um den Metal-Anteil. Ungewollt konkurrieren The Dark Element so auch mit Anneke van Giersbergens neuem Outfit VUUR. Demgegenüber haben die Skandinavier dank packenderer Riffs die Nase vorn.
Allerdings auch nur, wenn tatsächlich Metal spielt. Mit "Only One Who Knows Me" und "Someone You Used To Know" befinden sich zwei Totalausfälle auf dem Debütalbum – nicht nur was das Genre, sondern vor allem was die Qualität betrifft. Ersterer kratzt zwar noch die Kurve vor EDM-Gefilden, rutscht dafür in den Graben abgestandener Dudelmelodien, flacher Gitarrenarrangements und genereller Vorhersehbarkeit im Songwriting.
"Someone You Used To Know" will eine emotionale Pianoballade sein, wandelt dabei aber blind vor verzweifelter Liebe in die Kitschfalle. Da können die Reverb-Effekte noch so tragisch hallen, spätestens wenn Anette vom Wäschewaschen singt, geht jegliche Magie flöten ("Since you left I haven't even washed the sheets or the scent of your perfume off my skin").
Wer nicht unbedingt ausufernde Orchester-Arrangements in seinem Symphonic Metal braucht, sondern auch mal das poppigere Format des Genres genießen kann, der sollte "The Dark Element" eine Chance geben. Freunde der Olzon-Ära Nightwishs dürften ebenso auf ihre Kosten kommen wie Anhänger Within Temptations. The Dark Element sind weder progressiv noch komplex, doch sie verstehen es, leichte, aber schmackhafte Kost zuzubereiten.
4 Kommentare
Flutscht durch wie Butter. Sowohl im Positiven, als auch im Negativen.
Die Songs sind auf den Punkt gebracht, verlieren aber aufgrund ihrer Gleichförmigkeit schnell an Faszination. Anette Olzon singt immerhin so gut wie eh und je. Mir persönlich gefallen auch die teilweise billigen Synths nicht so gut, aber insgesamt ist das schon ein solides Debüt. Mit mehr Feinheit , Abwechslung und Power, könnten wir hier einen neuen Big Player im Genre bekommen.
Klingt exakt wie das Dark Passion Play, wo Anette durchaus als Sängerin gefiel. Die Synth klingen wirklich zu aufgesetzt.
Man möge mir verzeihen,.. aber es klingt wie Helene Fischer mit Hard Rock oder Abba in black. War das bei Ihr schon immer so ? Tu mich echt schwer.
Ich muss sagen, dass mich in den letzten Jahren kaum ein Album so sehr begeistert hat. Wo mir Nightwish seit Dark Passion Play eher etwas "too much" und abgehoben erschienen und nicht mehr so eingebrannt haben und Sonata Arctica im Gegensatz dazu eher in die Langeweile-Richtung ging (klingt beides härter als gemeint - immernoch super Bands), muss ich sagen, dass hier das beste beider Welten zusammen kommt und durch die Synths in eine eher elektronischere Richtung geht, was mir persönlich extrem gut gefällt. Von Jani stammte schon z.B. My Selene von Sonata Arctica, welches einer meiner Dauerbrenner hier war und bei The Dark Element zeigt er wieder, dass sein Songwriting meinen Geschmack sehr deutlich trifft. Klar ist nicht jedes Lied ein Volltreffer, aber z.B. Halo oder Here's To You haben es locker auf meine Favoritenliste geschafft. Ich freue mich schon auf das nächste Album!