laut.de-Kritik
Ein neuer Stern am Folkrock-Himmel.
Review von Simon TauscherThe Lumineers heißt das Licht, das derzeit zwischen Sternen wie Mumford & Sons, The Avett Brothers oder den Fleet Foxes am Folkrock-Himmel aufleuchtet. Doch um eine flüchtige Sternschnuppe handelt es sich bei der Band nicht.
Denn auch wenn der Erfolg plötzlich kam, glimmen The Lumineers doch schon eine ganze Weile dort oben, wenn auch nicht so hell. Gitarrist und Sänger Wesley Schultz und Schlagzeuger Jeremiah Fraites musizieren nämlich bereits seit 2002 zusammen, ursprünglich um den damaligen Drogen-Tod des gemeinsamen Bruders und Freundes Joshua Fraites zu verarbeiten.
Das dritte Mitglied stößt nach einem Ortswechsel von New York nach Denver hinzu. Neyla Pekarek ist fortan wahlweise für Cello, Klavier oder Mandoline verantwortlich. Man ist arm, von Open Mic Sessions in Keller-Clubs arbeiten die drei sich zu einer in Eigenregie durchgeführten US-Tournee vor. Und erst dann beginnt nach knapp zehn Jahren die Erfolgsgeschichte: Die Single "Ho Hey" wird zum Welterfolg, das Label Dualtone meldet sich, etcetera.
Doch warum die ganze Geschichte noch mal aufwärmen? Weil sie auch in der Musik des Album Debüts "The Lumineers" zu hören ist. Zwar ist das Album sicherlich nicht ausschließlich biografisch zu deuten, aber es findet sich der musikalische Werdegang der Band darin wieder.
Bereits im Unter-Zwei-Minuten-Song "Flowers In Your Hair" wird festgestellt: "It's A Long Road To Wisdom But It's A Short One To Being Ignored".
Erinnert ein bisschen an Altmeister Bob Dylan, übrigens auch in der Darbietung. Große Fußstapfen für den ersten Song im ersten Album. Aber das passt auch irgendwie zur Band: "Wenn man etwa sieben Jahre lang nur Niederlagen einsteckt und dann plötzlich etwas klappt, fühlt sich das komisch an. Wir wissen nicht recht, was wir daraus machen sollen nach der ganzen Zeit, in der niemand von uns gehört hat. Fans sind ein neues Wagnis für uns." sagt Wesley in einem Interview.
"Classy Girls" stammt wahrscheinlich noch aus den alten Zeiten, hier wird der geneigte Hörer in Bar-Atmosphäre empfangen, der ganze Song könnte ebenso als Live-Mitschnitt aus dem Keller-Club durchgehen. Oder er wurde dort geschrieben: "Classy Girls Don't Kiss In Bars Like This" hört sich doch stark nach "selbst erlebt" an.
In "Submarines" deutet sich ein Faible der Band für Meere und alles was damit zu tun hat an. Ist ja auch eine dankbare Metapher, kann jeder was mit anfangen und wird deshalb auch im nächsten "Dead Sea" gebraucht. "Like The Dead Sea, You'll Never Sink When You Are With Me" ist dann aber vielleicht doch eine Spur zu schmalzig.
Um so deutlicher der Kontrast zu "Ho Hey". Das Aushängeschild der Band präsentiert sich als hymnischer Kung Fu-Hit und besticht durch klare Hittauglichkeit (qed), da kann es im Anschluss durchaus wieder ruhiger werden. Während "Slow It Down" wird schon keiner wegnicken, man wirft ja schließlich gleich die nächste Single "Stubborn Love" hinterher. Die macht wieder deutlich bessere Laune. Dynamikwechsel, Cellobegleitung und gemeinsam gesungener Chorus machen den Song zu einem der besten der Scheibe.
"Big Parade" zählt zu den experimentierfreudigsten Titeln und ist mit fünfeinhalb Minuten gleichzeitig auch der längste. Die letzten drei Songs haben dem nicht mehr viel hinzuzufügen. Nachdenklich läuft das Album aus, um mit dem "Morning Song" zu enden oder wahlweise ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Im Großen und Ganzen handelt es sich bei "The Lumineers" um ein solides Debütalbum, das, wie die Band selbst, nicht über Nacht vom Zaun gebrochen wurde. Die musikalische Erfahrung ist ebenso zu spüren wie die intensive Auseinandersetzung mit den Texten. Auf eine aufrüttelnde Neudefinition des Genres wartet der Hörer jedoch vergeblich, man bewegt sich auf bereits ausgetretenen Pfaden. Trotzdem wird die Platte nicht langweilig, der kometenhafte Aufstieg der Band geht klar.
1 Kommentar
Aufgrund des beachtlichen Erfolgs der Band hat es mich schon gewundert weshalb das Album hier so lange ignoriert wurde. Naja jetzt ist es ja endlich soweit.
Liest man sich die Kritik durch, wundert man sich über die anschließend doch relativ magere Bewertung. Klingt doch eher nach 4 Sternen. Liegt aber vielleicht auch an meiner subjektiven Wahrnehmung des Albums. Empfinde es bis heute als eines der interessantesten Neuerscheinungen in 2012.