laut.de-Kritik
Der kanadische Electro-Posterboy feiert den Pop.
Review von Martin Tenschert"Ciao" ist ein vieldeutiges Wort. Man benutzt es als Willkommensgruß, zum Abschied und für einiges zwischendrin. Es meint nebenbei auch "Dolce Vita", die Space Roller-Disco, Gelato und seidengefütterte Armani-Zweireiher.
In dieser Welt ist der kanadische Electro-Posterboy Tiga zuhause. Wahrscheinlich hat er deswegen sein zweites Album "Ciao!" genannt. Funkelnde Produzenten-Prominenz fand dabei Platz in seinem Disco-Boot: Die Gebrüder Dewaele (Soulwax), Gonzales, Jesper Dahlbäck und DFA-Labelchef James Murphy garantieren professionelles, schnelles und vielseitiges Songwriting. Den alten Finnen und Weggefährten Jori Hulkkonen nicht zu vergessen, mit dem Tiga anno 2001 sein Sonnenbrillen-Debüt ablieferte.
Elf Songs erzählen eine Geschichte von Liebe und Hass, Abturn und Tanz. Tiga selbst lässt erfreulicherweise eine textliche und gesangliche Weiterentwicklung seit seinem 2006er Debut "Sexor" aufblitzen, was auch auf seine Skillz zutrifft.
Wie auch immer die Arbeitsteilung im Studio gewesen sein mag: Der Rave und auch das Leben danach bekommen ihre Chance auf "Ciao!". Die Vorabsingle "Mind Dimension" knarzt minimal den Veitstanz, verfeinert durch eine Pop-Hook, auf die selbst Duran Duran stolz sein dürften. Der Track ist gut durchdacht und ausproduziert und vermitttelt dennoch eine roughe Wildstyle-Romantik. Hierzu dürften sicherlich auch einige Franzosen ihren 'Ed bangen'.
Ähnliches Hitpotential weist die zweite Singelauskopplung "Shoes" auf. Ein anzüglich-zweideutiger Text, der in engelsklaren Glockenspielsounds im Break seinen Counterpart findet, hat noch selten geschadet. Die Oldschool Acid-Hardcore-Fraktion kommt dann bei "What You Need" derbe auf ihre Kosten. Das Zitat "Let me break the beat cause I'm hardcore" bringt den Track auf den Punkt.
Single-Qualitäten findet man ohnehin bei nahezu jedem Stück, auch "Luxury" und "Sex O'Clock" gefallen dank Tigas gewollt schwülstigem Gesang und der "No Worries"-Geste der florierenden 80er Jahre. "So many choices in the world / So many boys so many girls", vernimmt man in "Turn The Night On" - der Mann hat noch echte Sorgen.
Gegen Ende des Albums gerät der Sound deutlich poppiger und mehr dem Songwriting verhaftet. Hier finden wir Pop-Perlen wie "Speak, Memory" oder das Italo-chansoneske "Love Don't Dance Here Anymore". Mein Favorit ist "Gentle Giant", das weniger von Sophie und ihrem Riesen, als vielmehr von der eigenen Fehlbarkeit und Versagensangst handelt.
1 Kommentar
Schlicht und einfach die beste Elektro(house)- Platte der letzten Jahre. Albumhälfte eins macht ungeheuer Spaß, Hälfte Nummer 2 ist nachdenklicher und besinnlicher, aber genauso klasse. Durchweg hervorragend!
PS: Steinigt mich, aber an der kommt nicht mal die Justice- Platte ran. Dafür ist die Tiga zu cool.