laut.de-Kritik
Gaebel löst ein, was Bublé und Co. immer nur versprechen.
Review von Artur SchulzEs wäre unfair, Tom Gaebel nur als weiteren trendgerechten Westentaschen-Sinatra zu bezeichnen. Im Gegensatz zu anderen Epigonen zeichnet seine Herangehensweise das aus, was Konkurrenten wie Michael Bublé immer nur versprechen: echt gelebten Swing, echt gefühlten Jazz, echt geliebten Pop, all das in einer Form dargeboten, die einfach nur unwiderstehlichen Charme besitzt. Hut ab vor Gaebel und seinem Orchester - so frisch und mitreißend hat manch oft gecoverter Song aus dem klassischen Songbook lange nicht mehr geklungen.
Nur auf bewährte Nummern setzt Gaebel nicht, auf dem Album finden sich fünf selbst komponierte Titel, die sich harmonisch in die quirlige Mixtur aus Sixties-Pop, Swing und Jazz einfügen. Toms Interpretation des alten Andy Williams-Heulers "Music To Watch Girls By" macht von Beginn an unwiderstehlich Appetit auf mehr.
Das oft gecoverte "Gentle On My Mind" erlebt in Gaebels Händen eine willkommene Frischzellenkur im Bereich des gepflegten Easy Listening. Auch vor dem Tiger muss sich der Künstler nicht verstecken, seine Version von Tom Jones' "Help Yourself" bedeutet nicht bloße Hommage, sondern vor allem Eigenständigkeit in der Interpretation.
Erstaunlich, mit wie viel Stilsicherheit Gaebel und Orchester den Sound-Zeitgeist der sechziger Jahre einfangen und umsetzen. Hier handelt es sich nicht um bloße Reproduktion, ganz im Gegenteil. Es ist stets spürbar, dass da Musiker mit Liebe und Sachverstand an die besonderen Elemente und Gesetzmäßigkeiten jenes zeitgenössischen Sounds herangehen. Und oft mancherlei Überraschung aus Bekanntem herauszaubern.
So findet sich der Beatles-Song "I Saw Her Standing There" in einem stimmigen Swinging Sixties-Sound der Sorte Petula Clark oder Tony Bennett wieder. Die beigestellten Bläser haben sichtlich Spaß an der Arbeit mit den Fab Four, Tom sowieso.
Lobenswert, dass Gaebel sein Augenmerk auch auf nahezu unbekannte Raritäten der vergangenen Epochen setzt. Hand aufs Herz: wer hat je von Texterin Trine von Stolzenau gehört, im Verbund mit Orchesterchef und Songschreiber Friedel Berlipp? Ihnen verdanken wir die Komposition "My Heart Skips A Beat (The Girls vom Paramaribo)". Berlipp veröffentlichte unter dem Pseudonym Berry Lipman einst mit besonderem Sound ausgestattete Sixties-Tanzmusik, ist in der breiten Öffentlichkeit allerdings nicht mit einem derartigen Bekanntheitsgrad versehen wie heute etwa die Kollegen Paul Kuhn und James Last.
Die Paramaribo-Girls erzeugen im Retro-Fan sofort einen hohen Süchtigkeitsgrad, kein Wunder bei diesen unverschämt bewussten und dennoch eigenständig klingenden Anleihen an ein gewisses "Girl From Ipanema". Gaebels Umsetzung dieses vergessenen Prunkstücks allein lohnt schon den Kauf des neuen Albums! Als logische Weiterführung des ewig jungen Südamerika-Sounds erklingt später noch der unkaputtbare Welthit "Brazil".
Tom übertreibt nicht, verharrt nie zu lange in einer dann doch allzu vordergründigen Pose, ihm kommt es auf die Essenz des Songs an. Entscheidend sind für ihn die Wahrhaftigkeit und zeitlose Gültigkeit der jeweiligen Komposition, die dann - in eben den richtigen Händen - in neuem Glanz erstrahlen kann. "I Will Be Your Friend", croont Gaebel gegen Alben-Ende. Gar keine Frage, lieber Tom: solche (Song-) Freunde, wie du sie mitbringst, hat man gern in der heimischen Sammlung stehen.
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