laut.de-Kritik
Bela B., Götz Alsmann und Ry Cooder tanzen mit dem Bär.
Review von Giuliano BenassiKaum ein Artikel über eine Bear Family-Veröffentlichung, der nicht mit einem Lobgesang an Gründer Richard Weize und seine leidenschaftliche Archiv-Arbeit auskommt. Da machen wir keine Ausnahme. Warum auch? Ist es nicht unglaublich, dass aus dem einstigen Versandhandel in und um Bremen ein Label geworden ist, das weltweit für Beachtung sorgt? Dass Weize einst Johnny Cash am Telefon zusammengestaucht haben soll und als Werbemaßnahme für seine frisch gegründete Firma keinen geringeren als Bill Monroe, den Vater des Bluegrass, zu einem Gig nach Neusüdende bei Oldenburg überredete?
1975 war das, dem Gründungsjahr von Bear Family. In den 40 Jahren, die seitdem vergangen sind, haben sich Weize und seine engagierten Mitarbeiter darum bemüht, Tonarchive durchzuforsten, vergessene Aufnahmen zu restaurieren und namhafte Künstler aus den Ramschregalen zu befreien, indem sie ihnen akribisch recherchierte, umfangreiche Werksammlungen gewidmet haben (empfehlenswert etwa: "Troubadours - Folk And The Roots Of American Music 1-4"). Zu US-Country, Weizes ursprünglicher Leidenschaft, gesellten sich im Laufe der Jahre Blues, Soul, Rock'n'Roll, Rhythm And Blues, Jazz, Pop, Kabarett oder Schlager, englisch- wie deutschsprachig.
Die Riege an Künstlern, die mit Bear Family zusammen gearbeitet haben oder von ihren Werken inspiriert wurden, ist immens. Ein willkommener Anlass, sich alle fünf Jahre bei einer Sause selbst zu feiern und ein Werk zu veröffentlichen, das wie gewohnt aus einem dicken Begleitbuch und mehreren CDs (diesmal auch einer DVD) besteht und soviel wiegt, dass der arme Paketbote fast einen Bandscheibenvorfall bekommt.
Die Lieder wurden eigens aufgenommen und handeln selbstredend von Bären. Ganze 72 sind es diesmal, beigesteuert von Aficionados wie Bela B., Gunter Gabriel, Götz Alsmann und Ry Cooder, zu denen sich viele weitere bekannte und weniger bekannte Künstler gesellen. Der Stil schwankt zwischen Country und schunkeligem Rock'n'Roll. Dabei gilt das, was Gunter Gabriel in seinem Stück etwas holprig zusammen reimt: "Schöne geile Scheiben – Konzept gibt's keins / Machten Bear Family zur Weltnummer eins".
Während die Musik gute Laune verbreitet, hat man genügend Zeit, sich dem 308-seitigen Begleitbuch zu widmen, gespickt mit den gewohnten Infos zu jedem Stück samt Text und Fotos von Künstlern oder Feiern.
Besonders interessant sind die Widmungen von Künstlern und Sammlern. Stellvertretend jene von Buddy Miller aus Nashville, der fast 200 Werke von Bear Family sein Eigen nennt: "Mein Geldbeutel ist dünner, aber mein Leben ist viel reicher".
Die Ausgabe zum 40. Jubiläum ist nicht nur wegen seines Umfangs besonders, sondern auch wegen eines eher traurigen Umstands: Richard Weize hat sich zum 1. November 2014 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Zwar steht er noch beratend zur Verfügung, doch nun sind seine ehemaligen Mitarbeiter am Zug. Sicherlich wird es ihnen gelingen, mit ihren Veröffentlichungen wie gewohnt für Furore zu sorgen, doch mit dem Gründer geht auch ein Stück Musikgeschichte in Altersteilzeit. Auf jeden Fall gilt: Prost und bitte weiter so!
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